Most incidents of urban unrest in recent decades - including the riots in France, Britain and other Western countries - have followed lethal interactions between the youth and the police. Usually these take place in disadvantaged neighborhoods composed of working-class families of immigrant origin or belonging to ethnic minorities.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2013Staat und Ohnmacht in den Vorstädten
Jede Nacht die gleiche Routine: Die Polizisten der Spezialeinheit "Brigade anti-criminalité" fahren durch die Pariser Banlieues. In den Vororten mit ihrer überdurchschnittlichen Kriminalitätsrate sollen die Beamten Verbrechen bekämpfen, jederzeit bereitstehen, um auf einen Anruf reagieren zu können. Doch meistens passiert nichts. Keine Meldung kommt über den Polizeifunk herein; auch auf der Straße nichts Auffälliges.
Von 2005 bis 2007 begleitet der Soziologe Didier Fassin fünfzehn Monate lang eine "Brigade anti-criminalité" in ihrem Alltag. Bei den nächtlichen Streifen sitzt er hinten im Wagen, beobachtet das Verhalten der Polizisten. Ohne einen Anlass werden Immigranten nach Drogen durchsucht oder Jugendliche einer Ausweiskontrolle unterzogen - nur weil sie zu später Stunde unterwegs sind. Für das oft beleidigende, proaktive Handeln der Beamten erkennt Fassin nicht zuletzt in der Langeweile eine Ursache. Die Sicherheitskräfte würden schlicht zu selten gebraucht, denn in Frankreich sinke die Kriminalitätsrate in den letzten fünfzig Jahren stetig.
Fassin hat seine Forschungsergebnisse 2011 in dem Buch "La force de l'ordre. Une anthropologie de la police des quartiers" veröffentlicht. Mitte Juli erscheint nun die englische Ausgabe (Didier Fassin: "Enforcing Order. An Ethnography of Urban Policing". John Wiley & Sons, Hoboken 2013, 320 S., geb., 69,90 [Euro]). Vor allem geht es dem Autor darin um die Moral der Beamten: Wie rechtfertigt ein Polizist sein Handeln vor sich selbst? Nimmt er es als gerecht wahr? Denken alle Mitglieder der Brigade gleich rassistisch?
Diese Fragen hat Fassin, der in Princeton und Paris Sozialwissenschaften lehrt, auch in einem Vortrag am Dienstag dieser Woche in Frankfurt erörtert. Dazu eingeladen hatte ihn der Frankfurter Kunstverein, der seine aktuelle Ausstellung "Ohnmacht als Situation" mit einer Veranstaltungsreihe begleitet. Anschaulich schilderte Fassin, welche Faktoren zu diskriminierenden Aktionen der Sicherheitskräfte führen, die sich hauptsächlich gegen Jugendliche aus unteren Schichten, Immigranten und Roma richten.
Negativ wirke sich unter anderem aus, dass viele der Polizisten nicht dort aufgewachsen seien, wo sie eingesetzt werden. Weil sie weder das Terrain noch die Bewohner kennten, fühlten sie sich schneller bedroht. Einer Bedrohung wiederum glaubten die Beamten hart begegnen zu müssen. Polizisten, die das herabsetzende Verhalten ihrer Kollegen offen anprangerten, gebe es kaum, so Fassin. Wer sich unwohl fühle, lasse sich eher still und leise versetzen: Als Begründung werde die Familie oder die Karriere vorgeschoben. Die meisten aber machen mehr oder minder bereitwillig mit.
ANNE KOHLICK
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Jede Nacht die gleiche Routine: Die Polizisten der Spezialeinheit "Brigade anti-criminalité" fahren durch die Pariser Banlieues. In den Vororten mit ihrer überdurchschnittlichen Kriminalitätsrate sollen die Beamten Verbrechen bekämpfen, jederzeit bereitstehen, um auf einen Anruf reagieren zu können. Doch meistens passiert nichts. Keine Meldung kommt über den Polizeifunk herein; auch auf der Straße nichts Auffälliges.
Von 2005 bis 2007 begleitet der Soziologe Didier Fassin fünfzehn Monate lang eine "Brigade anti-criminalité" in ihrem Alltag. Bei den nächtlichen Streifen sitzt er hinten im Wagen, beobachtet das Verhalten der Polizisten. Ohne einen Anlass werden Immigranten nach Drogen durchsucht oder Jugendliche einer Ausweiskontrolle unterzogen - nur weil sie zu später Stunde unterwegs sind. Für das oft beleidigende, proaktive Handeln der Beamten erkennt Fassin nicht zuletzt in der Langeweile eine Ursache. Die Sicherheitskräfte würden schlicht zu selten gebraucht, denn in Frankreich sinke die Kriminalitätsrate in den letzten fünfzig Jahren stetig.
Fassin hat seine Forschungsergebnisse 2011 in dem Buch "La force de l'ordre. Une anthropologie de la police des quartiers" veröffentlicht. Mitte Juli erscheint nun die englische Ausgabe (Didier Fassin: "Enforcing Order. An Ethnography of Urban Policing". John Wiley & Sons, Hoboken 2013, 320 S., geb., 69,90 [Euro]). Vor allem geht es dem Autor darin um die Moral der Beamten: Wie rechtfertigt ein Polizist sein Handeln vor sich selbst? Nimmt er es als gerecht wahr? Denken alle Mitglieder der Brigade gleich rassistisch?
Diese Fragen hat Fassin, der in Princeton und Paris Sozialwissenschaften lehrt, auch in einem Vortrag am Dienstag dieser Woche in Frankfurt erörtert. Dazu eingeladen hatte ihn der Frankfurter Kunstverein, der seine aktuelle Ausstellung "Ohnmacht als Situation" mit einer Veranstaltungsreihe begleitet. Anschaulich schilderte Fassin, welche Faktoren zu diskriminierenden Aktionen der Sicherheitskräfte führen, die sich hauptsächlich gegen Jugendliche aus unteren Schichten, Immigranten und Roma richten.
Negativ wirke sich unter anderem aus, dass viele der Polizisten nicht dort aufgewachsen seien, wo sie eingesetzt werden. Weil sie weder das Terrain noch die Bewohner kennten, fühlten sie sich schneller bedroht. Einer Bedrohung wiederum glaubten die Beamten hart begegnen zu müssen. Polizisten, die das herabsetzende Verhalten ihrer Kollegen offen anprangerten, gebe es kaum, so Fassin. Wer sich unwohl fühle, lasse sich eher still und leise versetzen: Als Begründung werde die Familie oder die Karriere vorgeschoben. Die meisten aber machen mehr oder minder bereitwillig mit.
ANNE KOHLICK
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