London 1884: immer wieder verschwinden in den Elendsvierteln der Stadt die Kinder der Armen,doch die Polizei unternimmt nichts u.so verbreitet sich die Legende vom Schatten, der die Kinder holt. Erst als der kleine Sohn eines reichen Adligen verschwindet, beginnt die Polizei mit Hochdruck zu
ermitteln. Zunächst gerät das Kindermädchen der Familie unter Verdacht, doch als auch sie wenig später…mehrLondon 1884: immer wieder verschwinden in den Elendsvierteln der Stadt die Kinder der Armen,doch die Polizei unternimmt nichts u.so verbreitet sich die Legende vom Schatten, der die Kinder holt. Erst als der kleine Sohn eines reichen Adligen verschwindet, beginnt die Polizei mit Hochdruck zu ermitteln. Zunächst gerät das Kindermädchen der Familie unter Verdacht, doch als auch sie wenig später unter seltsamen Umständen aus der Themse gezogen wird, gerät das Küchenmädchen Emma ins Visier der Polizei, der Verdacht verstärkt sich, als auch der neugeborene Sohn des Lords spurlos verschwindet.
"Engel der Themse" ist ein durchaus gelungener viktorianischer Roman, der auch einige Krimielemente beinhaltet, direkt als historischen Krimi würde ich das Buch nicht unbedingt bezeichnen, dafür ist die eigentliche Krimihandlung zu sehr Randgeschehen. Hauptsächlich geht es um die beiden jungen Frauen Emma und Gladys, die in der viktorianische Ära mehr schlecht als recht als Dienstboten ihr Auskommen suchen. Dabei wird abwechselnd das Schicksal der beiden erzählt, bevor sie erst im letzten Drittel des Buches zusammen treffen und da beide in gewisser Weise in das Verschwinden der Kinder involviert sind, tun sie sich notgedrungen zusammen. Besonders der schwere Lebensweg von Gladys, mit der es das Leben von Anfang an nicht gut meinte, geht doch sehr zu Herzen, auch wenn Gladys nicht immer sympathisch ist, so hat sie das Herz doch auf dem rechten Fleck und versucht trotz aller Widrigkeiten und Ungerechtigkeiten im Leben, das Richtige zu tun, auch wenn sie dabei zuerst ihren eigenen Vorteil im Blick hat. Emma hingegen stammt zwar auch aus einer armen Familie, ist aber immerhin in einer liebevollen Familie behütet aufgewachsen und wird nun von ihrer Mutter in Stellung gegeben, um ihr ein wenig die Flausen auszutreiben. In einem vornehmen Adelshaus wird sie als Küchenmädchen angestellt, wo sie wirklich Schwerstarbeit leisten muß.
Der Autorin ist es hier wunderbar gelungen, die verschiedenen Lebenssituationen der Mädchen einzufangen u. dabei bildhaft und mit viel stimmiger Atmosphäre das Leben in den Londoner Elendsvierteln einzufangen. Die Armut der Menschen dort, die Ungerechtigkeiten u.die Willkür, denen vor allem Frauen und Kinder ausgesetzt waren, der rigorose Polizeiapparat, sowie die strengen Hierarchien, denen die Dienstboten in den Herrenhäusern unterworfen waren, spiegeln sich in krassem Gegensatz zu dem Leben der Reichen und Adligen. Selbst zwischen Emma und Gladys werden quasi Klassenunterschiede deutlich, die von beiden auch durchaus ausgelebt werden.
Der Krimifall ist allerdings eher Rahmenhandlung für die Schicksale der beiden ungleichen Mädchen und dreht sich um die Frage, wer die Babys verschwinden läßt. Dabei ist einem versierten Krimileser schnell klar, dass das Verschwinden der Säuglinge ein anderer Fall ist, als der um den verschwundenen kleinen Lord. Wirklich viel kriminalistische Ermittlungsarbeit bekommt man dann auch hier nicht geboten, einige dezente Hinweise sind für Krimivielleser doch recht offensichtlich und so ist die Auflösung insgesamt ein wenig vorhersehbar, zudem werden die Ereignisse am Ende dann doch ein wenig überstürzt und abrupt abgehandelt und die sich anbahnende Liebesgeschichte wirkte auf mich ein wenig unfertig, so als hätte man sie unbedingt auf den letzte Seiten noch hinein quetschen müssen.
Eingängig und gut zu lesen ist der Schreibstil der Autorin, der auch sehr gelungen an die damalige Zeit angepaßt ist und durchaus auch etwas deftigere Ausdrücke verwendet.
Wirklich gelungen ist auch wieder das Cover vom Dryas Verlag, das sich wunderbar in die Baker Street Reihe einfügt.
FaziT: ein sehr gelungener viktorianischer Roman, der abseits der verklärten Pfade dieser Ära das Leben in den Elendsvierteln thematisiert und für mich eher ein Sittengemälde als ein historischer Krimi war. Das Buch kann mit einer sehr dichten und bildhaften Atmosphäre überzeugen, in die man beim Lesen eintauchen kann.