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Wie viele Engel gibt es ? Mehr als Sterne am Himmel, als Sand am Meer, so heißt es. Andere habennachgerechnet: genau 301.655.722 - oder doch 399.920.004 ? Wie viele es auch sein mögen: Wir sind von Engeln durchdrungen und umzingelt. Was aber wissen wir über diese himmlischen Wesen? Woher kommen sie, woraus sind sie gemacht, wie kommunizieren sie miteinander, können sie hören, riechen, schmecken, fühlen? Die Antworten kenntEliot Weinberger. In diesen überaus eleganten Essays kondensiert er theologische Schriften aus vielenJahrhunderten zu einer poetischen Vermessung der himmlischen Heerscharen,…mehr

Produktbeschreibung
Wie viele Engel gibt es ? Mehr als Sterne am Himmel, als Sand am Meer, so heißt es. Andere habennachgerechnet: genau 301.655.722 - oder doch 399.920.004 ? Wie viele es auch sein mögen: Wir sind von Engeln durchdrungen und umzingelt. Was aber wissen wir über diese himmlischen Wesen? Woher kommen sie, woraus sind sie gemacht, wie kommunizieren sie miteinander, können sie hören, riechen, schmecken, fühlen? Die Antworten kenntEliot Weinberger. In diesen überaus eleganten Essays kondensiert er theologische Schriften aus vielenJahrhunderten zu einer poetischen Vermessung der himmlischen Heerscharen, um uns anschließend vom Leben ihrer irdischen Gegenstücke zu berichten: den Heiligen.»Eines der genialsten Bücher, die ich in den letzten Jahren in der Hand gehalten habe.«Hans Ulrich Obrist in der Basler Zeitung
Autorenporträt
Eliot Weinberger, geboren 1949 in New York, ist Essayist, Herausgeber, politischer Kommentator und Übersetzer. Bei Berenberg erschienen zuletzt 'Vogelgeister' (2017), 'Neunzehn Arten Wang Wei zu betrachten' (2019), 'Neulich in Amerika' (2020) und 'Die Sterne' (2021).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

An eigene Engel-Erfahrungen in ihrer katholischen Dorfjugend fühlt sich Rezensentin Susanne Mayer bei der Lektüre Weinbergers erinnert. Wie dort, so sind Engel, lernt sie von Weinberger, auch in den Schriften zahlreicher historischer Denker allgegenwärtig, von Augustinus bis Luther. Weinberger montiert in seinem hochkomischen Buch, führt Mayer aus, allerlei Absonderlichkeiten aus der Welt der Engel zu einer Collage der flirrenden Absurdität. Denn, lernen wir, schon die Frage, wie viele Engel es denn gibt, ist kompliziert, und wenn man sich erst einmal ins Thema einliest, kann man unter anderem auch etwas über die Vorhaut Gottes lernen. Ein schönes Buch, findet Mayer, und es erscheint zur rechten Zeit, da es uns angesichts der Diskussionen um, zum Beispiel, den radikalen Islam an die Sonderbarkeiten auch der christlichen Tradition erinnert. Hervorragend übersetzt ist es außerdem, von Beatrice Faßbender, lobt die Rezensentin, die höchstens die eine oder andere schöne Engelsabbildung vermisst.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.12.2023

Draht nach oben
Kommuniziert Gott mit den Menschen
über Engel? Ein Essay sucht Antworten.
Dem neuen Prosaband des als „Essayist“ nur unzureichend charakterisierten amerikanischen Autors Eliot Weinberger könnten folgende warnende Worte vorangestellt werden: Was Sie schon immer über Engel und Heilige wissen wollten, werden Sie in diesem Buch wahrscheinlich nicht erfahren. Möchte man über die Vielfalt der unter den Begriffen „Engel“ und „Heilige“ versammelten irdisch-himmlischen Figuren informiert werden, über biblische Herkünfte, philologische Zusammenhänge, religiöse Funktionen, sollte man zu einem potenten Lexikon greifen. Möchte man ihre spekulativen Grundlagen und ihre Metamorphose im Gang der Kulturgeschichte kennenlernen, sollte man Philosophen und Dämonologen befragen. Möchte man Anleitungen lesen, um sie als metaphysische, psychologische oder mediale Phänomene zu dechiffrieren, wären Soziologen, Psychoanalytiker und Medientheoretiker gute Auskunftgeber. Nur ihr Liebhaber Eliot Weinberger nicht, weil er das blitzend Schöne und Fremde der schillernden Gestalten bewahren möchte, ihr Geheimnis als poetische Chiffre, als Chiffre des Poetischen.
Versuchen wir trotzdem mithilfe von Weinbergers gelehrten Kurzreferaten, seiner Zitatsammlungen und Sentenzen, seiner Exzerpte einer meist esoterischen abendländischen Schrifttradition ein wenig Substanz (ins Substanzlose) und etwas Ordnung (in extreme Vielfalt) hineinzubringen. Engel sind das Höchste im Fast-nicht-mehr-und-gerade-noch-Sichtbaren. Sie sind dazwischen, da und nicht da, ihre Flugrichtung ist von Gott in der Höhe zu uns Menschen hienieden. Sie geben Druck, Rat und Warnung, wichtige Botschaften weiter. Aber sie haben keine, und sie sind keine Rückruftaste.
Um Botschaften an Gott zu senden, bedürfen wir Menschen deshalb der Heiligen, sie sind Medien für den vertikalen Gegenverkehr. Heilige sind die flügellosen Engel der Menschen. Ihnen gehört der zweite Teil des Buchs. Listen von knapp skizzierten Heiligenbiografien sind unter der Überschrift „Kurze Leben“ versammelt, Viten wie für eine Bewerbung im himmlischen Personalrat. Nach Zuständigkeiten sortiert, manchmal nach Wundern oder sonstigen erbaulichen Leistungen, oft auf schöne Weise durcheinander, manchmal in der Kürze gut pointiert: „Adolf von Osnabrück, (Deutschland, 1185–1224). Er war ein wohltätiger Bischof, nach dem Hitler benannt wurde“.
Aber die Engel. Wie viele Flügel haben sie eigentlich? Die Seraphim kommen in der Bibel nur ein einziges Mal vor. Jesaja sieht sie, als er in einer Vision zum Himmel aufsteigt. Sie haben sechs Flügel: Zwei bedecken ihr Gesicht, zwei bedecken ihre Füße, und mit zweien fliegen sie. Sie rufen: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen; die ganze Erde ist voll seiner Herrlichkeit.“ Der Erzengel Gabriel, für Christen der Engel der Verkündigung, der im Islam Djibril heißt und Mohammed den Koran diktiert, hat gemäß ebendiesem Textdiktat hundertvierzig Paar Flügel. Er muss es wissen.
In der christlichen Tradition sind die höchsten Engelsarten Seraphim, Cherubim und Throne. Die Ordnung der Engel wurde vor allem vom spätantiken Gelehrten Dionysius Areopagita festgelegt, in seinem wirkmächtigen Buch „Über die himmlische Hierarchie“. Vor ihm schon war von den neun Chören der Engel die Rede. Dionysius teilte nun die neun Ordnungen in drei hierarchische Stufen ein: Erstens: Seraphim/Cherubim/Throne. Zweitens: Herrschaften / Mächte / Gewalten: Drittens: Fürstentümer/Erzengel/Engel.
Seine Hierarchie der Engel prägte jahrhundertelang die religiösen Vorstellungen, auch die des rational argumentierenden Scholastikers Thomas von Aquin, auch Doctor Angelicus genannt, engelgleicher Lehrer. Was besagte, dass seine Lehre von Gott approbiert sei. Wie der gelehrte Poet Eliot Weinberger weiß, wurde jener Dionysius, Gründungsdirektor der ordentlichen Engelsadministration, mindestens 1700 Mal von Thomas zitiert.
Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen?lautet die berühmte konjunktivische Anrufung Rainer Maria Rilkes aus dem Gedichtzyklus „Sonette an Orpheus“. Sie wendet sich nicht an die Himmlischen, sie ist eine Verneigung vor ihrer Schönheit. Das schönste lustvoll-mystische Wort floss aus dem Mund der Heiligen Birgitta von Schweden: „Sähen wir einen Engel in aller Klarheit, wir würden vor Wonne sterben“. Eliot Weinberger ist berüchtigt, aber auch verehrt für seine Kombinatorik heterogener Informationssplitter, für Analogien, Reihungen zu bestimmten mythischen und poetischen Themen und Motiven, bei denen er die eigentliche verbindende Arbeit dem Leser überlässt. Er meidet größere Sinnentwürfe, vervielfältigt die Phänomene. Im Falle seiner „Engel und Heiligen“ hat er sich eines der größten Rätsel als Gegenstand der poetischen Untersuchung ausgewählt. Die meist als Boten Gottes erscheinenden Flügelwesen bleiben ontologisch unterbestimmt. Sind sie Körper, haben sie Körper, nehmen sie Körper an, simulieren sie Körperlichkeit? Wie viele gibt es? Die höchste Schätzung findet sich im 3. Buch Henoch, wo jeder der sieben Erzengel 496 000 Myriaden anführt und jede Myriade 10 000 Engel umfasst: insgesamt 34 720 000 000 Engel.
Welcher Agenda folgen sie? In welchem Maße sind sie Push-Effekte Gottes (der sich nicht selten selbst im Engel verbirgt)? Oder Pull-Effekte sehnender und betender Menschen (der individuelle Schutzengel)? Wie entstehen sie, wie vergehen sie? Hier immerhin haben gelehrte Männer im Mittelalter eine Antwort parat: Engel werden ewig sein, sind aber nicht ewig gewesen. Der schöne lateinische Neologismus dafür, in Abgrenzung zur Aeternitas, zur Ewigkeit Gottes, ist die Aevernitas, die den Engeln vorbehaltene Dauer: Sie hatten einen Anfang und haben wahrscheinlich niemals ein Ende.
Seltsamerweise ist Eliot Weinberger so gut wie gar nicht an der Engel satanischer Kehrseite interessiert. Am Anfang der biblischen Geschichte flüstert nicht Gabriel ins Ohr der empfangsbereiten Maria, sondern der Teufel ins unschuldige Ohr der paradiesischen Eva, eine Befruchtung durch den gefallenen Erzengel. So wurde es in den Schriften der frühen Kirchenväter formuliert und ausfantasiert noch Jahrhunderte später in John Miltons Versepos „Paradise Lost“. Ein ewiges Fest für schwarze Romantiker wie William Blake oder Black Sabath. Weder als vortechnische Medien noch als Metaphern möchte Weinberger die Himmlischen lesen. Er möchte sie feiern in ihrem fragilen Dasein, das keine Verankerung in unserer Begrifflichkeit benötigt. Wenn sie da sind, sind sie schön da.
Der Berliner Berenberg Verlag macht fabelhaft gestaltete geistreiche Bücher. Eliot Weinberger könnte ihm als Galionsfigur dienen. Seine Bücher muss der Leser selbst weiter schreiben. Es kann anstrengend sein, macht aber Freude.
HUBERT WINKELS
Der Erzengel Gabriel in einer Verkündigungsszene von Sandro Botticelli, circa 1485.
Foto: imago images/UIG
Eliot Weinberger: Engel und Heilige. Aus dem Englischen von Beatrice Faßbender. Berenberg Verlag, Berlin 2023.
168 Seiten, 28 Euro.
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