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Auf der Flucht vor ihrem untreuen Ehemann lernt Jamie an Bord eines Greyhound-Busses den charmanten Ganoven Bill kennen, und gemeinsam begeben sie sich auf eine ziellose Reise entlang der Abgründe von Elend und Gewalt.

Produktbeschreibung
Auf der Flucht vor ihrem untreuen Ehemann lernt Jamie an Bord eines Greyhound-Busses den charmanten Ganoven Bill kennen, und gemeinsam begeben sie sich auf eine ziellose Reise entlang der Abgründe von Elend und Gewalt.
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Autorenporträt
Denis Johnson, 1949 in München als Sohn eines amerikanischen Offiziers geboren, galt nach neun Romanen und der legendären Story-Sammlung «Jesus' Sohn» als einer der wichtigsten Autoren der amerikanischen Gegenwartsliteratur. Für sein Vietnamkriegsepos «Ein gerader Rauch» wurde ihm der National Book Award verliehen, die Novelle «Train Dreams» stand - wie auch «Ein gerader Rauch» - auf der Shortlist des Pulitzer-Preises. 2017 erhielt er posthum für sein Gesamtwerk den Library of Congress Prize for American Fiction. Er lebte zuletzt in Idaho, USA, und starb im Mai 2017.

Bettina Abarbanell, geboren in Hamburg, lebt als Übersetzerin - u._a. von Jonathan Franzen, Denis Johnson, Rachel Kushner, Elizabeth Taylor und F. Scott Fitzgerald - in Potsdam. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Highway und Himmel
Zu viele Pillen: Denis Johnson hebt ab / Von Peter Körte

Miranda Sue wäre inzwischen wohl Anfang Zwanzig, vielleicht kellnerte sie oder säße im Supermarkt an der Kasse, und Baby Ellen hätte gerade mit Müh und Not die High-School absolviert. Mutter Jamie ginge zu den Anonymen Alkoholikern oder hätte ihr Leben womöglich einer Sekte geweiht. Mag sein, daß alles auch ganz anders kam. Wer weiß schon, was aus Romanfiguren wird, wenn man ein Buch zugeklappt hat? Wer fragt sich das überhaupt? Manchmal jedoch kann man gar nicht anders, wenn Figuren aus einem vor achtzehn Jahren erschienenen Roman in die Gegenwart kommen. Die Lektüre wird zur Zeitverschiebung, während man weiterblättert, reist man zurück.

1983 erschien Denis Johnsons erster Roman "Angels" in den Vereinigten Staaten, und man merkt dem Buch seine Jahresringe schon auf der ersten Seite an, wenn sich Jamie im Greyhound-Bus eine Zigarette anzündet. Das war einmal. Jamie hat ihren Mann verlassen, doch mit dem Pathos vom Neuanfang ist es schon auf Seite zwei vorbei, wenn sie das Gefühl heimsucht, "daß sie so schnell von ihrem neuen Leben verschluckt wurde, ja daß es sie womöglich blitzartig verdauen und am anderen Ende in Gestalt einer alten Frau wieder ausspucken würde". Man würde Jamie vermutlich bedauern, wenn man zufällig im selben Bus säße, eine erschöpfte junge Frau, mit zwei quengelnden kleinen Kindern, gereizt, überfordert, hilflos - und ein prädestiniertes Opfer, weil der Bus nicht einfach nach Pennsylvania, sondern ins Desaster fährt.

"Engel" ist eine Outsider-Story, die nicht die kleine, karge Short-story-Welt vorführt, mit ihrer unterschwelligen Melancholie und einer Hommage ans einfache Leben. Bei Johnson gibt es viel Alkohol, Drogen und Kleinkriminalität, schnelle Räusche, eruptive Gewalt, auch ein bißchen Liebe und den Rhythmus eines Road Movie. Die Sprache paßt dazu, in ihrer unreinen Mischung aus Lyrizismen und hartem Slang von ferne an Cormac McCarthy erinnernd, nur weniger weihevoll, mit ausgeprägtem Hang zur Groteske und voller Passion für ein Milieu, das in den Vereinigten Staaten umstandslos als "white trash" bezeichnet wird.

Das ist nicht gerade ein schönes Wort, und "politisch korrekt" ist es schon gar nicht. Doch Johnson hat ein Faible für diese Menschen, die in Trailern, in Wohnwagensiedlungen leben, die ihnen immer wieder zu entfliehen versuchen, die sich auf Busbahnhöfen und in stickigen Motels wiederfinden, in nach schalem Bier riechenden Kneipen oder in Holzhäusern am Rande der Wüste mit sonnenversengtem Rasen und Schrottautos im Vorgarten. Die einen suchen hier Frieden, wie Fuckhead, der Protagonist aus der vor sechs Jahren auf deutsch erschienenen Short-story-Sammlung "Jesus' Sohn", der in Phoenix, Arizona, einen Job als Altenpfleger fand. Die anderen, wie Jamie, werden selbst zum zeitweiligen Pflegefall in der Nervenklinik. Der Bogen von Jamies Reise in die Nacht des Bewußtseins spannt sich von Oakland bis Pittsburgh und von Philadelphia bis Phoenix; komische Heilige und kleine Ganoven kreuzen ihren Weg, und all diese Begegnungen begünstigen Johnsons Unbekümmertheit gegenüber einem straff erzählten Plot. Und so erscheint einem "Engel" heute beinahe wie ein literarischer Nachzügler zu den Filmen des New Hollywood aus den siebziger Jahren.

Allerdings sind auch die Sinnsucher aus dem im vergangenen Jahr übersetzten "Schon tot" nicht fern, mit ihren eklektischen Lehren und obskuren Praktiken, den Phantasien vom Weltuntergang und dem Advent von Nietzsches Übermenschen. Wie durch alle Bücher des inzwischen Zweiundfünfzigjährigen irrlichtert auch durch "Engel" eine seltsame Religiosität, die in Europa exotisch wirkt, angesichts der unzähligen kirchlichen Denominationen in den Vereinigten Staaten jedoch nur die normale Vielfalt der Heilsangebote ausbreitet.

Die profane, gleichförmige Welt von Suburbia entwickelt ihre eigene Transzendenz. Johnson taucht dabei tief ein in die Innenwelten seiner Figuren, und er verschiebt immer wieder den Fokus, so daß auch scheinbare Nebenfiguren in ein paar Skizzen plastisch erscheinen. So trifft Jamie im Bus einen gewissen Bill Houston, der in der Navy und im Knast war, der ein bißchen Geld, viel Durst und viel Abenteuerlust hat. Ein Loser, der in der Todeszelle landet, weil er unbedingt zusammen mit seinen beiden Halbbrüdern und einem Inkasso-Mann eine Bank überfallen muß und dabei einen Wachmann erschießt.

Die Story funktioniert nach Murphys Gesetz: Alles, was schiefgehen kann, geht irgendwann auch schief. Und während Jamie zu viele Pillen schluckt und zu viel Wein trinkt, wartet Bill auf den letzten Gang in die Gaskammer, weil der Staat Arizona ein Exempel statuieren will. Überfordert vom Begreifen seiner Tat wie seiner Strafe, weder kaltblütiger Killertyp noch später Büßer, brütet er, was der Spruch in altenglischer Schrift auf der Innentür der Gaskammer bedeuten soll: "Der Tod ist die Mutter der Schönheit." Auch wenn er es nicht mehr herausfindet, wird klar, daß wohl nur Denis Johnson ihn dahingeschrieben haben kann, weil er sich ganz gut als Leitmotiv seiner Prosa eignet.

Der Tod ist ein vertrauter Gast bei Johnson. Die alte Mutter der Bankräuber ist von der weltenvernichtenden Herrschaft des Bösen überzeugt, und ihr Sohn James muß nur eine Straße in der Mittagshitze entlanggehen, um das Gefühl zu haben, "zu irgendwelchen Zwecken, die jenseits seines Vorstellungsvermögens lagen, in einem mächtigen Feuer geschmiedet zu werden". Denis Johnsons Prosa ist reich an solchen Bildern; er ist ein Erzähler, der sich nie allwissend gibt, aber oft und gern ein Stückchen über dem Horizont seiner Figuren hinausschaut, der noch die Obszönitäten in einen metaphysischen Randbezirk treibt.

Solche Höllenfahrten ins zerquälte Bewußtsein sind nicht immer einfach für die Übersetzung, die daher ein paar Mal ins Rutschen kommt und auch schon mal ein Wiesel zum "Molch" macht. Den Gesamteindruck trübt das allerdings so wenig wie den Hang zum Halluzinogenen, in dem sich die Erbschaft der siebziger Jahre noch einmal bemerkbar macht. "Engel" verbreitet keine literarisch veredelte Randgruppenromantik, die Losern und Dilettanten des Lebens eine Stimme verleihen wollte; Johnson ist ein Kundschafter, der Nachrichten aus einer Welt heimbringt, die wüster ist und mehr über eine Gegenwart erzählt als die kleinen Dramen und Verwerfungen der Besserverdienenden und "ordinary guys".

Auch die klassischen Heiligenbilder überläßt er dem Katholizismus; seine verlorenen und gefallenen Seelen finden Trost in säkularer Heiligenverehrung, im "Casablanca Café" beispielsweise. Hier döst der glücklose Anwalt, während Bill hingerichtet wird. Obwohl allein im Café, fühlt er sich beobachtet und merkt, daß ihn ein Elvis-Porträt auf Samt fixiert, das über der Kasse hängt und etwas zu sagen scheint. Die Zeichen des Alltags, die Ikonen der Popkultur werden zu Trägermedien des Metaphysischen in der amerikanischen Provinz, deren Schlichtheit und Banalität sich bei Johnson nicht zur Kunst oder zum Kunstgewerbe verdoppelt, sondern das apokryphe Heilige im Profanen durchschimmern läßt. So gibt es Erscheinungen, Gesichte und Geschichten, die Zukunft aus Tarotkarten oder Teeblättern und Epiphanien im Alltag. Da fährt die alte Mutter die Rolltreppe hinauf im Flughafen von Phoenix, "einem gigantischen Mosaik-Phönix entgegen, der sich aus seiner Asche erhob", und da "wußte sie, wie es sein würde, vor den Toren des Himmels zu stehen".

Ob Flughafen, Café, auch Kino oder Gefängniszelle, es ist Johnsons Gespür für die Konstellation von Orten, Personen und Phantasmen, das seiner Prosa ihre spezifische Legierung verleiht. So ist er nah an den Fieberträumen, an kollektiven Bewußtseinslagen, und wenn man jetzt, nach dem 11. September 2001, wieder einmal versucht, amerikanische Befindlichkeiten und Reaktionsweisen zu deuten, zu verstehen, worin die alltägliche Rede von Wunder, Rache, Vergeltung, Verdammnis oder göttlichen Prüfungen wurzelt, dann ist Denis Johnson für diese Metapyhsik des Alltagslebens kein schlechter "Guide".

Und so ist es, wenn auch kein kleines Wunder, doch völlig richtig, daß dieses Buch jetzt auf deutsch erscheint. So lernt es mancher überhaupt erst kennen und dabei hoffen, der Verlag möge auch die anderen noch unübersetzten Romane Johnsons an Land ziehen. Und es ist natürlich auch ein bißchen bedauerlich, weil einem durch die Zeitverschiebung eine Erfahrung entgeht: wie furios diese "Engel" gewirkt haben müssen, als sie vor achtzehn Jahren erschienen.

Denis Johnson: "Engel". Roman. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Bettina Abarbanell. Alexander Fest Verlag, Berlin 2001. 240 S., geb., 38,92 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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In einem Greyhound - Bus trifft Jamie, die gerade ihren untreuen Ehemann verlassen hat und mit ihren beiden kleinen Kindern zu Verwandten in Pittsburgh unterwegs ist, den charmanten Ganoven Bill Houston. Die beiden beschließen spontan ihre Reise für eine kurze Kneipentour zu unterbrechen, die dann doch viel länger dauert als geplant. Die Verbindung zwischen den beiden ist hochexplosiv – ein gemeinsamer Absturz, der von Johnson in kraftvoller, bildgewaltiger Sprache beschrieben wird. Für Jamie und Bill gibt es kein Entkommen aus dem Gefängnis dieser Welt, aber in ihrem Innersten sind sie ungebrochen - Engel eben. "Engel" ist der erste, bereits 1983 erschienene Roman des amerikanischen Autors Denis Johnson. Endlich nun liegt dieser Klassiker der amerikanischen Gegenwartsliteratur auch auf Deutsch vor. Ein beeindruckendes Roadmovie, literarisch zwischen Pathos und Groteske, Erkenntnisthriller und Schauerroman angesiedelt. (www.parship.de)

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Ziemlich beeindruckt zeigt sich Bruno Preisendörfer von Denis Johnsons literarischem Schaffen. Das gilt auch für seinen kurzen Roman 'Engel' von 1983, in dem nach Preisendörfer das, was Johnsons Bücher ausmacht, das "schaurige Fest der Sprache", bereits "in Konzentratform" vorhanden ist. Nach Ansicht des Rezensenten kommt man gar nicht umhin, "gepeinigt vom Echo der aberwitzigen Mischung aus Lebenslust und Daseinsschmerz" zurückzubleiben. Beeindruckt ist der Rezensent vor allem von der Sprache, die trotz ihrer Knappheit den Protagonisten eine "philosophische Tiefendimension" verschafft und der gewählten Erzählperspektive, die immer aus der Sicht der gerade handelnden Person erzählt. Deren drogeninduzierte Weltsicht führt nach Preisendörfer dazu, dass die beschriebene Welt "meistens irgendwie schief in den Angeln" hängt.

© Perlentaucher Medien GmbH
«Engel» ist eines der Bücher, die man Freunden gibt und sagt: «Das mußt du lesen!» So sind mir schon viele Exemplare abhanden gekommen. Dann gehe ich los und kaufe neue. Stewart O'Nan
In den 18 Jahren seit seiner Originalveröffentlichung hat Engel an Aktualität leider nichts eingebüßt. Aber auch nichts an Schönheit. Wie das bei Meisterwerken so üblich ist. Der Spiegel