Wer Martin Bettingers immer wieder lesens- und empfehlenswerten Erstlingsroman gelesen hat, weiß es: „Engel“ nannten den Erzähler einst die Tanten – seines lockigen blonden Haares wegen. Und sein Aufbruch - damals schon - war ein Ausbruch aus der Bravheit bürgerlicher Fassaden, deren moralische
Enge keinen Schatten duldet und der ersehnten Ganzheit keine Chance lässt. 15 Jahre, einen…mehrWer Martin Bettingers immer wieder lesens- und empfehlenswerten Erstlingsroman gelesen hat, weiß es: „Engel“ nannten den Erzähler einst die Tanten – seines lockigen blonden Haares wegen. Und sein Aufbruch - damals schon - war ein Ausbruch aus der Bravheit bürgerlicher Fassaden, deren moralische Enge keinen Schatten duldet und der ersehnten Ganzheit keine Chance lässt. 15 Jahre, einen Gedichtband, einen Roman, zahlreiche unveröffentlichte Texte, einige Preise und unzählige Notizen später brennt die bürgerliche Welt im Traum und bricht zusammen. Ein gut dotiertes Stipendium in Berlin eröffnet dem Erzähler nicht nur den ernüchternden Blick in die Abgründe des real existierenden Literaturbetriebs. Der Leser begleitet das einsame, auf sich zurückgeworfene Ich auf seiner Suche nach Begegnung und Beachtung auch in Absteigen und Edelbordelle, nimmt Teil an der wechselhaften Existenz eines sein Leben radikal auf das Schreiben gründenden Ich, den Komödien und Tragödien des Alltags in Berlin und der saarländischen Heimat. Hierzu zählt die Sorge für die Tochter ebenso wie das spät erst erwachende Interesse an der Geschichte des Vaters und das Miterleben des Gebrechlichwerdens der Eltern. Zitate und Anleihen aus Literatur (Rilke, Kleist, Kunze) und Philosophie (Nietzsche) unterstreichen die wachsende Ernsthaftigkeit dieses Autors, von dessen genauer Beobachtungsgabe, Authentizität, vielfältigen Erfahrungen und literarischem Können man noch einiges erwarten kann.