"Ein Kaleidoskop aus Menschenschicksalen." Guardian
Warum bricht es einem Vater fast das Herz,als er auf seiner wöchentlichen Einkaufstour eine Packung Fusilli in den Wagen legt? Was geht einem Zwölfjährigen durch den Kopf, bevor er seiner Mutter das Küchenmesser klaut? Was hält eine junge Ehefrau davon ab, das beste Hemd ihres Mannes zu waschen?
Es sind Alltagsszenen, fragile Augenblicke und Gefühle, die Graham Swift in den 25 Erzählungen dieses Bandes mit klarer Sprache ertastet wie Gebilde aus sehr dünnem Glas. Vor dem Hintergrund großer gesellschaftlicher Ereignisse und Veränderungen - Krieg, Wirtschaftsaufschwung, Krise - sind es die scheinbar unbedeutenden, fast beiläufigen Begebenheiten, die Duldsamkeit ein Ende setzen, Aufbruch verheißen, Lebenswegen eine neue Richtung geben. Swift erfasst mit seiner Prosa seismografisch genau Veränderungen und spürt der Frage nach, was ein Menschenleben vor dem Zerbrechen bewahrt, was ein Land zusammenhält.
Warum bricht es einem Vater fast das Herz,als er auf seiner wöchentlichen Einkaufstour eine Packung Fusilli in den Wagen legt? Was geht einem Zwölfjährigen durch den Kopf, bevor er seiner Mutter das Küchenmesser klaut? Was hält eine junge Ehefrau davon ab, das beste Hemd ihres Mannes zu waschen?
Es sind Alltagsszenen, fragile Augenblicke und Gefühle, die Graham Swift in den 25 Erzählungen dieses Bandes mit klarer Sprache ertastet wie Gebilde aus sehr dünnem Glas. Vor dem Hintergrund großer gesellschaftlicher Ereignisse und Veränderungen - Krieg, Wirtschaftsaufschwung, Krise - sind es die scheinbar unbedeutenden, fast beiläufigen Begebenheiten, die Duldsamkeit ein Ende setzen, Aufbruch verheißen, Lebenswegen eine neue Richtung geben. Swift erfasst mit seiner Prosa seismografisch genau Veränderungen und spürt der Frage nach, was ein Menschenleben vor dem Zerbrechen bewahrt, was ein Land zusammenhält.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Thomas David macht sich auf einen Spaziergang mit dem Autor Graham Swift durch das heutige London. Was dabei über den jetzt auf Deutsch vorliegenden Band mit Erzählungen herausspringt, ist allerdings mager. Die 25 Kurzgeschichten eines der bedeutendsten Erzähler der britischen Gegenwartsliteratur, wie Thomas David Swift nennt, beeindrucken den Rezensenten mit intimen Momenten aus dem Leben der "gewöhnlichen Leute", mit ihren Gefühlen und Gedanken und mit Alltagseindrücken, die in ihrer Gesamtheit laut David ein faszinierendes Kaleidoskop der Conditio humana ergeben.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.05.2016Der Griff zum Küchenmesser
Filme nach seinen Romanen "Waterland" und "Letzte Runde" haben Graham Swift auch bei uns bekannt gemacht. In England zählt er zu den besten zeitgenössischen Schriftstellern, gleichrangig mit so subtilen Autoren wie Ian McEwan oder Julian Barnes. Mit Kurzgeschichten hat Swift begonnen und diese konzentrierte Form der Literatur zu höchster Meisterschaft entwickelt. Der neue Band "England und andere Stories" bestätigt seinen Ruhm als Seismograph des Lebensgefühls der kleinen Leute aus den Vororten Londons und anderer Städte. Seine Protagonisten sind Dachdecker, Friseure, einfache Soldaten, Hausfrauen. Auch ein indischer Arzt ist dabei, der lakonisch feststellt, dass seine britische Staatsangehörigkeit keineswegs rassistische Vorurteile ihm gegenüber aufgehoben hat.
Es sind Einblicke in Alltägliches, aber auch manchmal in außerordentliche Situationen, in denen sich die Zerbrechlichkeit einer Beziehung oder die Verlässlichkeit einer Freundschaft zeigen. Das Weltgeschehen, Krieg und Todesnähe bilden den angstmachenden Hintergrund anfangs harmlos erscheinender Begebenheiten. Den Spannungsbogen dehnt Graham Swift oft bis zum Zerreißen, und nicht selten überlässt er es sogar dem Leser, das Ende selbst zu finden. So in der Geschichte eines Zwölfjährigen, der, gepeinigt von Geräuschen im Nebenzimmer, in dem sich seine Mutter mit einem ihrer Liebhaber vergnügt, nach dem Küchenmesser greift.
Auf einem Dutzend Seiten gelingt es Graham Swift, ein ganzes Leben zu erahnen und teilzunehmen am Wendepunkt eines Schicksals. Männer im vorgerückten Alter, kurz vor oder nach der Pension sind es vor allem, die Bilanz ziehen und vergeblich versuchen, ihrer Einsamkeit zu entfliehen. Oft sind sie verwitwet. Nein, heiter sind Swifts Kurzgeschichten selten. Aber sie sind auch nie zynisch oder spöttisch. "Look, I'm in the same boat", hat der Autor einmal in einem Interview gesagt. Es gelingt ihm nicht nur Mitgefühl zu wecken, er nimmt seine Leser in diesem Boot mit. Das ist sein Geheimnis.
MARIA FRISÉ.
Graham Swift: "England und andere Stories".
Aus dem Englischen von Susanne Höbel.
dtv Verlagsgesellschaft, München 2016.
304 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Filme nach seinen Romanen "Waterland" und "Letzte Runde" haben Graham Swift auch bei uns bekannt gemacht. In England zählt er zu den besten zeitgenössischen Schriftstellern, gleichrangig mit so subtilen Autoren wie Ian McEwan oder Julian Barnes. Mit Kurzgeschichten hat Swift begonnen und diese konzentrierte Form der Literatur zu höchster Meisterschaft entwickelt. Der neue Band "England und andere Stories" bestätigt seinen Ruhm als Seismograph des Lebensgefühls der kleinen Leute aus den Vororten Londons und anderer Städte. Seine Protagonisten sind Dachdecker, Friseure, einfache Soldaten, Hausfrauen. Auch ein indischer Arzt ist dabei, der lakonisch feststellt, dass seine britische Staatsangehörigkeit keineswegs rassistische Vorurteile ihm gegenüber aufgehoben hat.
Es sind Einblicke in Alltägliches, aber auch manchmal in außerordentliche Situationen, in denen sich die Zerbrechlichkeit einer Beziehung oder die Verlässlichkeit einer Freundschaft zeigen. Das Weltgeschehen, Krieg und Todesnähe bilden den angstmachenden Hintergrund anfangs harmlos erscheinender Begebenheiten. Den Spannungsbogen dehnt Graham Swift oft bis zum Zerreißen, und nicht selten überlässt er es sogar dem Leser, das Ende selbst zu finden. So in der Geschichte eines Zwölfjährigen, der, gepeinigt von Geräuschen im Nebenzimmer, in dem sich seine Mutter mit einem ihrer Liebhaber vergnügt, nach dem Küchenmesser greift.
Auf einem Dutzend Seiten gelingt es Graham Swift, ein ganzes Leben zu erahnen und teilzunehmen am Wendepunkt eines Schicksals. Männer im vorgerückten Alter, kurz vor oder nach der Pension sind es vor allem, die Bilanz ziehen und vergeblich versuchen, ihrer Einsamkeit zu entfliehen. Oft sind sie verwitwet. Nein, heiter sind Swifts Kurzgeschichten selten. Aber sie sind auch nie zynisch oder spöttisch. "Look, I'm in the same boat", hat der Autor einmal in einem Interview gesagt. Es gelingt ihm nicht nur Mitgefühl zu wecken, er nimmt seine Leser in diesem Boot mit. Das ist sein Geheimnis.
MARIA FRISÉ.
Graham Swift: "England und andere Stories".
Aus dem Englischen von Susanne Höbel.
dtv Verlagsgesellschaft, München 2016.
304 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Es sind sehr beeindruckende Geschichten, tolles Handwerk, große Kunst."
Hans Helge Ott, Radio Bremen 09.05.2016
Hans Helge Ott, Radio Bremen 09.05.2016