Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.07.2001Kurzbesuch: Englische Dichter am Schreibtisch
Das England der neunziger Jahre besiedelt in der europäischen Wahrnehmung eine idyllische Topographie - vorbei sind die Streiks der Siebziger und die Zeiten des eisernen Besens der Achtziger. England - das steht immer noch für Tweed und Tee, knirschenden Kies und distinguierte Betulichkeit. Eine besondere Rolle spielen in diesem Kontext seit jeher Gartenbaukunst und Literatur. Hans-Günter Semsek hat diese Idylle in amüsant geschriebenen Miniaturen und einigen Fotografien festgehalten. In seinem Taschenbändchen "Englische Dichter und ihre Häuser" widmet er sich in Kurzporträts literarischen Biographien von Jane Austen bis Virginia Woolf, die auf besondere Weise mit einem Genius loci verbunden sind. Das Spiel mit der pointierten Anekdote atmet ebenso angelsächsischen Geist wie die detailverliebten Schilderungen von Interieurs und Gärten. Die einzelnen Kapitel werden durch touristisch relevante Kurzinformationen abgerundet.
So erfährt der Leser, daß Sir Walter Scott bei seinem Besuch bei William Wordsworth der frugalen Mahlzeiten überdrüssig wurde, die ihm der spätere Hofdichter eingedenk seiner Lebensmaxime "Lebe schlicht, denke weit" auftischen ließ. Unter dem Vorwand, arbeiten zu müssen, schlich sich der Schotte allmorgendlich durchs Fenster zum nächstgelegenen Pub und ließ sich dort bewirten. Manchmal wird man des rhapsodischen Erzählstils müde, etwa wenn trivialpsychologische Gedanken zu Vita Sackville-Wests Kindheit eingeflochten werden. An anderer Stelle trifft die Anekdotenhaftigkeit ins Schwarze, wie bei den Kapiteln zu Churchill in Chatwell und T. E. Lawrence in Cloud's Hill in der Grafschaft Dorset. Hier überarbeitete der rastlose Abenteurer sein autobiographisches Hauptwerk "Die Sieben Säulen der Weisheit", in dem er geflissentlich übergeht, daß er bei der Eroberung Aqabas, dem Höhepunkt seines Jahrhundertmarsches durch die arabische Wüste, infolge eines Sturzes bewußtlos war. - Unsere Abbildung zeigt Dylan Thomas' Schreibschuppen am Cliff Walk. (Hans-Günther Semsek: "Englische Dichter und ihre Häuser". Insel Verlag, Frankfurt 2001. 180 S., br., 19,90 DM.)
bmal
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das England der neunziger Jahre besiedelt in der europäischen Wahrnehmung eine idyllische Topographie - vorbei sind die Streiks der Siebziger und die Zeiten des eisernen Besens der Achtziger. England - das steht immer noch für Tweed und Tee, knirschenden Kies und distinguierte Betulichkeit. Eine besondere Rolle spielen in diesem Kontext seit jeher Gartenbaukunst und Literatur. Hans-Günter Semsek hat diese Idylle in amüsant geschriebenen Miniaturen und einigen Fotografien festgehalten. In seinem Taschenbändchen "Englische Dichter und ihre Häuser" widmet er sich in Kurzporträts literarischen Biographien von Jane Austen bis Virginia Woolf, die auf besondere Weise mit einem Genius loci verbunden sind. Das Spiel mit der pointierten Anekdote atmet ebenso angelsächsischen Geist wie die detailverliebten Schilderungen von Interieurs und Gärten. Die einzelnen Kapitel werden durch touristisch relevante Kurzinformationen abgerundet.
So erfährt der Leser, daß Sir Walter Scott bei seinem Besuch bei William Wordsworth der frugalen Mahlzeiten überdrüssig wurde, die ihm der spätere Hofdichter eingedenk seiner Lebensmaxime "Lebe schlicht, denke weit" auftischen ließ. Unter dem Vorwand, arbeiten zu müssen, schlich sich der Schotte allmorgendlich durchs Fenster zum nächstgelegenen Pub und ließ sich dort bewirten. Manchmal wird man des rhapsodischen Erzählstils müde, etwa wenn trivialpsychologische Gedanken zu Vita Sackville-Wests Kindheit eingeflochten werden. An anderer Stelle trifft die Anekdotenhaftigkeit ins Schwarze, wie bei den Kapiteln zu Churchill in Chatwell und T. E. Lawrence in Cloud's Hill in der Grafschaft Dorset. Hier überarbeitete der rastlose Abenteurer sein autobiographisches Hauptwerk "Die Sieben Säulen der Weisheit", in dem er geflissentlich übergeht, daß er bei der Eroberung Aqabas, dem Höhepunkt seines Jahrhundertmarsches durch die arabische Wüste, infolge eines Sturzes bewußtlos war. - Unsere Abbildung zeigt Dylan Thomas' Schreibschuppen am Cliff Walk. (Hans-Günther Semsek: "Englische Dichter und ihre Häuser". Insel Verlag, Frankfurt 2001. 180 S., br., 19,90 DM.)
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Als intellektuell nicht besonders anspruchsvolle, aber trotzdem angenehme Lektüre empfindet der Rezensent mit dem Kürzel hwi diesen literarischen Reiseführer über englische Dichter und ihre Häuser. Er fühlt sich gut unterhalten von Hans-Günter Semseks Ausführungen, die unprätenziös seien und sich durch Unbefangenheit auszeichnen, auch wenn er das Buch nicht zur Recherche biografischer Daten der Dichter konsultieren würde. Auch die Auswahl und Qualität der Fotos sind ihm ein Lob wert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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