Diese zweisprachige Anthologie, vorgelegt von ausgewiesenen Übersetzern und Literaturkennern, erschließt erstmals den ganzen Reichtum angelsächsischer Dichtung. Jeder Band ist leserfreundlich angelegt und enthält einen umfangreichen Kommentar. Mehr als die Hälfte der Gedichte, die den geschichtlich gewachsenen Kanon ebenso wie seine neueren Erweiterungen vorstellen, wurde dafür neu, nicht selten erstmals übersetzt. Eine großzügig angelegte zweisprachige Anthologie englischer und amerikanischer Dichtung von den Anfängen bis zur Gegenwart in formbewußter Übersetzung - dergleichen gab es im deutschsprachigen Sprachraum bisher nicht. Daß in unserem europäisch gesinnten Zeiten endlich der Versuch gewagt werden mußte, diesem Mangel abzuhelfen, und daß dieses Wagnis dem interessierten Leser - sei er Fachmann oder " nur" Literaturliebhaber - zugute kommt, führen die Bände der Anthologie auf jeder Seite vor Augen. Sie entstand in jahrelanger Zusammenarbeit von bekannten Übersetzern, Anglisten und Amerikanisten, die sich für Dichtung und ihre Übersetzung engagieren. Der Dichtungsbegriff, der dieser Auswahl zugrunde liegt, ist umfassend und unpuristisch: Erhabenes mußte in ihr ebenso seinen Platz finden wie Allzumenschliches, politische und religiöse Leidenschaft ebenso wie satirische Galle, Anstößiges und Exzentrisches ebenso wie humoristische oder Nonsens-Dichtung. Erstmals kommt hier für deutsche Leser der Kontinent der angelsächsischen Dichtung in seiner ganzen Breite und seiner geschichtlichen Tiefe in den Blick, wobei das poetisch reichbewegte 20. Jahrhundert besonders umfassend repräsentiert ist.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Zu dieser Anthologie weiß Jürgen Brocan nichts Vergleichbares. Dem eigenen Anspruch, den historisch gewachsenen Kanon englischer und amerikanischer Dichtung sichtbar zu machen und ihn zugleich zu erweitern, werden die Herausgeber seiner Meinung nach gerecht. Weder hat sich unser Rezensent mit der Textauswahl langweilen oder bei den Übersetzungen über "nüchterne Interlinearversion" bzw. "hölzerne Prosafassungen" ärgern müssen. Die Einführungen, Erläuterungen und bio-/bibliographischen Abrisse der Bände findet er ganz vorzüglich. Beim angelsächsischen Teil der Sammlung hebt Brocan besonders die innere Spannung hervor, die sich aus der Balance zwischen bekannten und weniger bekannten Texten ergibt, und hat eigentlich nur zu bemängeln, dass nicht englischstämmige, dabei englisch schreibende Lyriker nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Der amerikanische Teil macht dem Rezensenten weniger Freude: Fehlende Hintergrundinformationen in den Übersichten, eine ergänzungsbedürftige Bibliographie und mitunter recht manieristische Übersetzungen hält Brocan für "ärgerliche, weil vermeidbare Schwächen" des Bandes.
© Perlentaucher Medien GmbH
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