Eine junge Frau zu ihren Eltern, untere Mittelschicht im Londoner Vorort: 'Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Ich heirate, die schlechte: Er ist Perser. Und Übrigens: Er hat bereits zwei Frauen.' Ein Roman über Liebe, Essen und die Faszination des Fremden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.05.2008Haremsschnäppchen
Selbst wenn man Anthony McCartens Roman als Jugendbuch liest, kommt man nicht umhin festzustellen, dass diese, so der Verlag, "Liebesgeschichte wie keine andere" ein wesentliches Problem hat: McCartens Buch handelt vom Fremden, von seiner Faszination, seiner Verführungskraft und von den Irritationen, die es hervorruft. Diesem Faszinosum nähert sich der Autor jedoch leider denkbar bieder, offensichtlichkeitslüstern und rätselfrei. "Englischer Harem" ist die Geschichte einer jungen Supermarktkassiererin, die sich in einen schon zweifach verheirateten älteren Iraner verliebt, der mit seiner eigenen Kultur fremdelt. Die Eltern des Mädchens sind anfangs vehement dagegen, aber alle haben hier viel zu lernen. Der Leser schaut dem Treiben bald unterfordert zu. Es ist beinah amüsant, wie vorhersehbar dieser arg übererzählte Roman verläuft: Kein Winkel bleibt unausgeleuchtet in dieser Story, der man den Wunsch nach rascher Verfilmung ständig anmerkt. Bei seinem Bemühen, einen leichtfüßigen Wohlfühl-Roman mit liberalem, gleichwohl nicht unironischem Gestus zu schreiben, opfert McCarten einfach zu viel: Da, wo seine Charaktere liebenswert oder unbeholfen wirken sollen, macht er sie schlichtweg dümmer als nötig. Auch knirscht es oft, wenn der Autor sein Wissen allzu didaktisch in die Geschichte einzuarbeiten versucht. "Der Koran", sagt der Iraner Sam an einer Stelle, "lässt das Offensichtliche aus, und das fordert vom Leser eine gewisse Arbeit. (. . .) Und die Idee, die dahintersteckt, ist, dass man mit dieser Arbeit in neue Bereiche des Bewusstseins vordringt, Bereiche, in die man niemals käme, wenn man sein Wissen als Babykost zu sich nähme." McCartens Roman ist fatalerweise genau dies: überhitzte Babykost, mit zu viel Plauderwasser gestreckt. (Anthony McCarten: "Englischer Harem". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié. Diogenes Verlag, Zürich 2008. 582 S., geb., 21,90 [Euro].) EP
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Selbst wenn man Anthony McCartens Roman als Jugendbuch liest, kommt man nicht umhin festzustellen, dass diese, so der Verlag, "Liebesgeschichte wie keine andere" ein wesentliches Problem hat: McCartens Buch handelt vom Fremden, von seiner Faszination, seiner Verführungskraft und von den Irritationen, die es hervorruft. Diesem Faszinosum nähert sich der Autor jedoch leider denkbar bieder, offensichtlichkeitslüstern und rätselfrei. "Englischer Harem" ist die Geschichte einer jungen Supermarktkassiererin, die sich in einen schon zweifach verheirateten älteren Iraner verliebt, der mit seiner eigenen Kultur fremdelt. Die Eltern des Mädchens sind anfangs vehement dagegen, aber alle haben hier viel zu lernen. Der Leser schaut dem Treiben bald unterfordert zu. Es ist beinah amüsant, wie vorhersehbar dieser arg übererzählte Roman verläuft: Kein Winkel bleibt unausgeleuchtet in dieser Story, der man den Wunsch nach rascher Verfilmung ständig anmerkt. Bei seinem Bemühen, einen leichtfüßigen Wohlfühl-Roman mit liberalem, gleichwohl nicht unironischem Gestus zu schreiben, opfert McCarten einfach zu viel: Da, wo seine Charaktere liebenswert oder unbeholfen wirken sollen, macht er sie schlichtweg dümmer als nötig. Auch knirscht es oft, wenn der Autor sein Wissen allzu didaktisch in die Geschichte einzuarbeiten versucht. "Der Koran", sagt der Iraner Sam an einer Stelle, "lässt das Offensichtliche aus, und das fordert vom Leser eine gewisse Arbeit. (. . .) Und die Idee, die dahintersteckt, ist, dass man mit dieser Arbeit in neue Bereiche des Bewusstseins vordringt, Bereiche, in die man niemals käme, wenn man sein Wissen als Babykost zu sich nähme." McCartens Roman ist fatalerweise genau dies: überhitzte Babykost, mit zu viel Plauderwasser gestreckt. (Anthony McCarten: "Englischer Harem". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié. Diogenes Verlag, Zürich 2008. 582 S., geb., 21,90 [Euro].) EP
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ein sehr buntes und rasantes Buch hat Verena Mayer da gelesen. Anthony McCartens Parallelgesellschaftpanorama "Englischer Harem" handelt von lebenslustigen Kellnerinnen, sehr britischen Exil-Iranern, Verfolgungsjagden und multikulturellen Patchwork-Familien. Als unterhaltsame temporeiche Komödie beginnend, wende sich der Roman im Laufe der Handlung jedoch in eine "düstere Bestandsaufnhame Englands", stellt die Rezensentin fest. Ein herausragendes Gespür für Effekte und jede Menge Einfallsreichtum attestiert sie dem Autor, dessen Erzählweise eindeutig filmisch inspiriert sei, wie Mayer feststellt, die sich nur an den Dialogen stört, die ihr manchmal einer englischen Sitcom entsprungen zu sein scheinen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Anthony McCarten hat ein Händchen für tolle Geschichten, kann ernste Themen mit viel Witz behandeln.«