"Enlivenment" ist der Versuch einer grundsätzlich neuen Sichtweise auf das Zusammenspiel von Natur, Mensch und Ökonomie. Ziel dieses Essays ist ein neues Verständnis der vielfältigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Krisen, mit denen wir uns konfrontiert sehen. Dabei geht Andreas Weber von der Tatsache aus, dass der Mensch heute die Natur zwar zutiefst erfasst und beeinflusst, aber zugleich selbst von der Natur und dem "Wilden" durchdrungen ist und von ihm bestimmt wird. Im Sinne der Aufklärung implementiert er daher in den philosophischen Diskurs die Kategorie der "Lebendigkeit" als fundamentale Kategorie des Denkens. Nur wenn man lernt, nicht von "Kontrolle" zu sprechen, sondern von "Teilhabe", sobald man vom Verhältnis Mensch/Natur spricht, ist der Boden für eine neue Ökonomie und eine wirkungsvolle Form der Krisenbewältigung geschaffen.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Uwe Justus Wenzel kennt Andreas Weber als Autor von Büchern, die auf die Belebung unseres In-der-Welt-Seins abzielen. Auch in diesem Buch unternimmt der Philosoph und Biologe laut Rezensent den aus vielen gedanklichen Fäden gestrickten Versuch, der Idee menschlicher Totalkontrolle über den Planeten entgegenzuwirken. Skeptisch gegenüber der Wirkungsmacht objektivierender Naturwissenschaft in diesem Punkt, empfiehlt Weber laut Wenzel eine "Wissenschaft in der ersten Person", allerdings ohne diese allzu genau zu beschreiben. Die schwärmerische Geste scheint dem Autor mehr zu liegen als Begriffsarbeit, meint Wenzel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2016Philosophie Andreas Webers langer Essay "Enlivenment - Versuch einer Poetik für das Anthropozän" (Matthes & Seitz, 154 Seiten, 12 Euro) verspricht "eine neue Sichtweise auf das Zusammenspiel von Mensch und dem, was bislang Natur geheißen hat". Zunächst hagelt es da Kritik, nämlich an der Vorstellung, der Mensch habe die Kontrolle über die natürlichen Prozesse übernommen und gestalte seine Umwelt - für Weber nichts anderes als ein Missverständnis und unsägliche Hybris. Denn der Mensch leugne, indem er sich selbst als das Andere zur Natur in Szene setze, den wilden Anteil, das Naturhafte, in sich selbst. Dass unsere Herrschaft über die Natur (zu der auch wir gehören) nicht total ist, leugnen aber auch nicht die Begriffsbilder des Anthropozäns - sie weisen lediglich darauf hin, dass die Eingriffe des Menschen in seine natürliche Umwelt inzwischen global spür- und nachweisbar sind. Alle Appelle an die Rationalität des Menschen sind jedoch vergeblich - und gegen diese Verdrängung mit einer "Poetik" angehen zu wollen, die den Begriff der Lebendigkeit ins Zentrum stellt, die wir mit allen anderen Organismen teilen, scheint da heillos naiv. Es geht um Profit und Bequemlichkeit, die Kosten unseres Verhaltens werden gnadenlos externalisiert - in uns fremde Organismen, in vermeintlich abgelegene geographische Räume, in die Zukunft. Aufklärung ist das, woran es uns am wenigsten mangelt. Wären wir zur Empathie mit dem Lebendigen in uns und allem, was uns umgibt, fähig, würden wir anders agieren. Wir sind es offensichtlich nicht. Und so wird das kurze Zeitalter des Anthropozäns das letzte sein, von dem wir wissen werden. Nach uns ist Raum für eine neue Lebendigkeit.
beha
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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