Bereits vor 5000 Jahren wurde natürlich vorkommendes Glas, der Obsidian, zur Herstellung von Schneidwerkzeugen verwendet. Im Kontext des 21. Jahrhunderts ist der Werkstoff Glas weiterhin ein wichtiger Bestandteil. Durch die hohe Kratzfestigkeit und das geringe Gewicht ergeben sich stetig neue Einsatzmöglichkeiten für komplex geformte, dünne Gläser, die heutzutage zum Beispiel in kleinen und mittelgroßen Serien von Fahrzeugen zu finden sind. In nicht-isothermen Prozessen weisen das umzuformende Glas und das Formwerkzeug einen signifikanten Temperaturgradienten auf, wodurch die Werkzeugbelegungszeit und somit die Taktzeit stark reduziert werden. Für die Umformung dünner Gläser werden verschiedene Verfahren angewandt. Während des Schwerkraftsenkens formt sich das Glas allein durch sein Eigengewicht um. Beim vakuumunterstützten Senken wird zusätzlich ein Unterdruck appliziert, der für eine Steigerung der Umformung sorgen kann. Wird darüber hinaus ein Niederhalter verwendet, der das Glas im Randbereich einspannt, liegt ein Tiefziehprozess vor. Weitreichendes Potential dieser drei nicht-isotherm durchgeführten Verfahren liegt in einer deutlichen Zeit- und Temperaturreduzierung, die den Formverschleiß verringert. In dieser Arbeit wird das vakuumunterstützte Senken fokussiert.Das begrenzte Prozessverständnis des vakuumunterstützten Senkens stellt die bedeutendste Herausforderung dar, die zu hohem Ausschuss führt. Mangelnde Kenntnis über Grenzen des Prozesses und fehlende Expertise über signifikante Faktoren zur Beschreibung der Ausformung resultieren in einem derzeit begrenzten Einsatz des Verfahrens. Dadurch liegt der Fokus dieser Arbeit auf der Entwicklung eines Prozessmodells, das das vakuumunterstützte Senken qualitativ und quantitativ hinreichend genau beschreibt und auf dessen Basis eine gezielte Prädiktion der Formgenauigkeit erfolgen kann. Das empirische Modell dieser Arbeit wird durch die Auswertung der Versuchsdaten entwickelt. Mittels Wärmetransportgleichungen kann ein analytischer Ansatz der Temperaturverteilung gebildet werden. Des Weiteren wird eine analytische Beschreibung für den Druck in der Formwerkzeugkavität entwickelt. Dieses empirische und analytisch erweiterte Modell wird zusätzlich durch ein FEM-Modell ergänzt, mit dessen Hilfe Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zwischen der Erwärmung und der Umformung beschrieben und erklärt werden können.