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Welche Rolle spielt Genauigkeit in der wissenschaftlichen Erkenntnisbildung? Was steht mit der Wahrnehmungsschärfe für eine Ästhetik des Schreckens auf dem Spiel? Oder mit der Passgenauigkeit für die Kunst und Philosophie des 20. Jahrhunderts? Und wie hat das Prinzip des Just-in-Time-Managements vom Einkaufskorb eines US-amerikanischen Supermarkts über die Produktionshallen von Toyota ins alltäglich gewordene Medienformat der Post-Its gefunden?Ausgehend von anschaulichen Beispielen analysieren die Beiträge zur Enzyklopädie der Genauigkeit Herkunft, Kontexte und Konjunkturen jener Begriffe, die…mehr

Produktbeschreibung
Welche Rolle spielt Genauigkeit in der wissenschaftlichen Erkenntnisbildung? Was steht mit der Wahrnehmungsschärfe für eine Ästhetik des Schreckens auf dem Spiel? Oder mit der Passgenauigkeit für die Kunst und Philosophie des 20. Jahrhunderts? Und wie hat das Prinzip des Just-in-Time-Managements vom Einkaufskorb eines US-amerikanischen Supermarkts über die Produktionshallen von Toyota ins alltäglich gewordene Medienformat der Post-Its gefunden?Ausgehend von anschaulichen Beispielen analysieren die Beiträge zur Enzyklopädie der Genauigkeit Herkunft, Kontexte und Konjunkturen jener Begriffe, die Praktiken, Vorstellungen und Ideale von Genauigkeit in Kunst, Sozial-, Kultur- und Geisteswissenschaften verkörpern. Dabei wird deutlich, wie Methoden und Medien des Recherchierens, Lesens, Urteilens, Deutens, Beschreibens, Korrigierens, Produzierens, Narrativierens und Überarbeitens in ihrem Vollzug auf spezifische Vorstellungen von wissenschaftlicher Genauigkeit zurückgreifen und diese mitunter auch prägen. Die Beiträge klären dabei nicht nur grundlegende Konzepte und Begriffe, sondern widmen sich auch der Frage, wie Ideal und Versprechen von Genauigkeit die Arbeitsweisen in verschiedenen Disziplinen und Forschungsbereichen bestimmen. Nicht zuletzt geht es ihnen darum, die Methodenbildung der Disziplinen selbst zu reflektieren und Fragen nach der politischen Brisanz und epistemischen Gewalt von Idealen, Praktiken und Darstellungen von Genauigkeit in den Blick zu nehmen.Mit Beiträgen u.a. von Monika Dommann, Verena Halsmayer, Alexander Honold, Markus Klammer, Markus Krajewski, Helmut Lethen, Malika Maskarinec, Katja Müller-Helle, Oliver Simons, Ralph Ubl und Rahel Villinger.
Autorenporträt
Markus Krajewski ist Professor für Mediengeschichte und -theorie.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Anne Dippel lässt sich von dem von Markus Krajewski, Antonia von Schöning und Mario Wimmer herausgegebenen Band zum Achten auf Genauigkeiten bzw. Ungenauigkeiten anregen - im Alltag wie in den Wissenschaften. Die Unvollständigkeit des Bandes, der laut Dippel versucht, in 47 Artikeln Genauigkeit als Tugend in Bild und Schrift zu erkunden, stört die Rezensentin nicht. Der aus einem Projekt der Unis Basel und Zürich hervorgegangene Band leistet für sie eine Menge, indem er die erkenntnistheoretischen Spaltungen von heute nicht befördert, sondern wiederzuvereinen versucht. Wie etwa assoziatives oder selektives Vorgehen in der wissenschaftlichen Praxis durchaus "vertrauenswürdige Erkenntnis" zu schaffen vermag, setzen die Autoren Dippel auseinander und regen sie zum Weiterdenken und Ausprobieren an. Doch Vorsicht, meint die Rezensentin, der Kalender und das Metermaß könnten plötzlich alles andere als selbstverständlich erscheinen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.08.2021

Über den Gebrauch des Metermaßes könnte man schon einmal nachdenken
Einblicke in Wissenschaften: Eine "Enzyklopädie" führt vor, was es mit Genauigkeit quer durch verschiedene Wissensfelder und Praktiken auf sich haben kann

Was zählt im Märchen, im Labor und im wirklichen Leben und bedeutet doch stets etwas anderes? Welcher Begriff eint Gefilde des Wollens, Gefühlsregungen und Geistesleben solcherart, dass sich Redlichkeit, Sorgfalt und Strenge miteinander verbinden? Welche Praxis erzeugt Wissenschaftlichkeit, Gemeinsinn und stiftet Vertrauen zugleich? Es ist die Genauigkeit - der man sich der Widersprüchlichkeiten wegen, die sich aus diesen Fragen ergeben, nur annähern kann; und auch nur dann, wenn man sie als ein Verfahren definiert und im Rahmen gesetzter Regeln erzeugt. Und genau das tun die Autorinnen und Autoren des Sammelbandes "Enzyklopädie der Genauigkeit" in siebenundvierzig Beiträgen. Jeder Einzelne beschreibt dabei detailgetreu die Genauigkeit auch als epistemische Tugend.

Natur- und Ingenieurwissenschaften haben gelernt, dass für ihre Erkenntnisse ein gewisses Maß an Ungenauigkeit - schon aufgrund der Abweichung, die sich oftmals zwischen mathematischer Abstraktion und experimenteller Messung ergibt - in den Erkenntnisprozess produktiv eingeschlossen werden muss und idealiter durch das Prinzip der Falsifikation einzuhegen ist. Doch was heißt Genauigkeit jenseits von Zahlen in den Gebieten der Schrift und des Bildes?

Das nimmt ein an den Universitäten Basel und Zürich angesiedeltes Verbundprojekt mit dem Titel "Medien der Genauigkeit. Ideale, Praktiken, Darstellungen" in Augenschein. Aus diesem Zusammenhang ist das vorliegende Buch entstanden. Es überbrückt den Graben zwischen den im neunzehnten Jahrhundert von Wilhelm Dilthey als "erklärende" und "verstehende" Wissenschaften geschiedenen Disziplinen, in denen C. P. Snow Jahrzehnte später sogar in einem wirkmächtigen Buch "Zwei Kulturen" ausmachte. Gegenwärtig, da simulative Genauigkeit und präziseste Vermessung von Welt mit einem Verlust an Gewissheiten und Vertrauen einhergehen, tritt zutage, wie hinderlich solche dualistische Segregation und die damit einhergehenden Dominierungsversuche waren. Diese Unterscheidung von Wissenschaften ist so förderlich wie das Gerede um die Wende des letzten Jahrtausends vom alten und neuen Europa oder die damalige populäre These, Männer seien vom Mars und Frauen von der Venus.

Die vorliegende "Enzyklopädie" zeugt von einem Geist, der die gegenwärtigen erkenntnistheoretischen Verschiebungen als Teile einer Alma Mater harmonisch eint, anstatt zu spalten. Dabei geraten unterschiedlich dimensionierte Begriffe, Phänomene und Praxen in eine vergleichende Perspektive - vom diagrammatischen Erfassen "auf einen Blick" über die literarisch-arithmetische "Ermittlung" zur "Philologie", vom "Polimentvergolden" über das "Decision Support System" bis hin zum "Zufall in Konserve".

Anstatt das "aussagekräftige Detail", die "unerwartete Querverbindung" auf "Selektivität", "Anekdote" und "Assoziation" zu reduzieren, zeigt sich, dass diese Aspekte in Alltagsroutinen forschender Tätigkeit vertrauenswürdige Erkenntnis stiften und sich in ihnen auf der Basis von "Lesen, Vergleichen, Abwägen, Korrigieren, Urteilen, Beschreiben, Einordnen, Klassifizieren, Verwerfen oder Narrativieren" Gemeinsinn von Denkstilen manifestiert. So wird Genauigkeit zu einer Entlastungsstrategie im wissenschaftlichen Alltag.

Die Texte meistern eine Form, die Lesenden im multimedial überfordernden Alltagsrauschen entgegenkommt, sie zum Experimentieren, Selbermachen, Weiterdenken auffordert. Wer keine Kunsthistorikerin ist, bekommt hier Einblicke in aktuelle Fachverständnisse, wer kein Philologe ist, wird zur Reise in Museen von St. Petersburg bis Paris aufgefordert. Wer bis dato nichts über die metaphorische Eigentlichkeit von Abbildungen wusste, kann nun verstehen, wie etwas exemplarischen Status erhalten kann. Und wer Leopold von Ranke eigentlich nie gelesen hat, wird dazu ermutigt, selbst einmal nachzublättern.

Dergestalt löst sich das in der Einleitung gegebene Versprechen eines "aleatorischen Durchgangs". Geradezu fesselnd sind Beiträge zu scheinbar unspektakulären Begriffen wie "Close Reading" oder "Unvollständigkeit und Fiktion". Ausführungen zur "mythologischen Genauigkeit" oder der Verwandtschaft am Beispiel der "Familie Wölfli" verblüffen. Nach der Lektüre werden Kanban-Software und Post-it-Zettel nie wieder unbedacht genutzt. Die Kalenderastronomie verliert ihre Selbstverständlichkeit ebenso wie das Metermaß.

Natürlich ist diese Enzyklopädie unvollständig. Aber das hat das Herausgeberteam einkalkuliert. Schon während der Lektüre wird man unweigerlich zur Entdeckerin von Augenlustbarkeiten, beginnt, die eigenen Präzisionskünste - vom Fingerspitzengefühl bis hin zur detailgetreuen Klatscherzählung - zu würdigen. Der Leser kann ausprobieren, seinen Alltag einmal aus der Perspektive der Genauigkeit wahrzunehmen. Etwa beginnend mit der Beobachtung aller Schritte und der damit verbundenen Empfindungen beim Erwerb dieser "Enzyklopädie der Genauigkeit". ANNE DIPPEL.

"Enzyklopädie der Genauigkeit".

Hrsg. von Markus Krajewski, Antonia von Schöning und Mario Wimmer. Konstanz University Press, Konstanz 2021. 551 S., Abb., geb., 49,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Schon während der Lektüre wird man unweigerlich zur Entdeckerin von Augenlustbarkeiten, beginnt, die eigenen Präzisionskünste (...) zu würdigen.« (Anne Dippel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 04.08.2021) »Die 'Enzyklopädie' ist ein lehr- und geistreiches Buch über die (Un-)Genauigkeit (...). Der Ton der Beiträge ist größtenteils gewitzt und klug und bereitet Vergnügen.« (Anna Degler, Der Tagesspiegel, 29.06.2021) »Dieses vergnügliche Nachschlagewerk benennt verschiedene Facetten, in denen sich Präzision heute präsentiert - von der 'Farbtreue' bis zur 'Passgenauigkeit'.« (Daniel Arnet, Sonntagsblick, 29.08.2021) »ein toller Sammelband« (Lukas Hammerstein, BR2, 15.01.2022) »In einem facettenreichen Bild von Genauigkeit in der Geschichte und Gegenwart ausgewählter Disziplinen liegt die Stärke dieser 'Enzyklopädie'.(...) Die 47 Beiträge selbst sind Miniaturen, vielfach mit Originalität und Witz verfeinert. Jeder dieser Texte könnte auch einen für sich stehenden Essay abgeben.« (Milos Vec, H-Soz-Kult, 03.02.2022) »akademisches Schreiben mit Unterhaltungswert.« (Milos Vec, H/SOZ/KULT, 03.02.2022)