Es gab eine Zeit, in der ein Autor aus Israel der Deutschen liebste Bücher schrieb. Von Drehn Sie sich um Frau Lot! (1961), Arche Noah Touristenklasse (1963) über Pardon, wir haben gewonnen! (1968), In Sachen Kain und Abel (1976) und schließlich den berühmten Familiengeschichten mit "der besten Ehefrau von allen" und den drei Kindern Rafi, Renana und Amir: Seit den 1960er Jahren führten Ephraim Kishons Bücher immer wieder die Bestseller-Listen an, dominierten die Buchregale und wurden für das Fernsehen verfilmt. "Lieben Sie Kishon?" fragte eine TV- Serie 1976. Ja, antworteten Millionen deutschsprachige Leser und machten den Autor aus Israel zu einem der erfolgreichsten Schriftsteller des Landes. Wie kam es dazu, dass der aus Budapest stammende Israeli Ephraim Kishon mit seinen humoristischen Geschichten ausgerechnet beim deutschen Publikum seinen größten Erfolg hatte? Wie wurde der Holocaust-Überlebende Kishon zum Star-Autor der Bundesrepublik? Für ihn selbst war die Begeisterungder Deutschen für seine Satiren eine Genugtuung - und eine Ironie der Geschichte. Die deutschen Leser hätten sich mit Kishons Geschichten von ihrer historischen Schuld gleichsam frei gelacht. Und: Kishons Humor habe die Deutschen und die Juden versöhnt. Wirklich? Das vorliegende Buch spürt jenseits dieser populären Deutungen dem internationalen Erfolg des Autors nach und zeigt, wie er als "Kishon für Deutsche" zum Symbol einer Bestseller-Kultur avancierte und dabei zugleich auf das Image eines "Humorfabrikanten" reduziert wurde. So führt das Buch Kishons viele Karrieren erstmals zusammen: Denn, während dieser "deutsche" Kishon auf Humor und Heiteres abonniert war, provozierte der "israelische" Kishon als politischer Analyst in der israelischen Öffentlichkeit. Nach dem Sechstagekrieg 1967 blieb der Humorist Kishon schließlich auch vor seinem deutschen Publikum nicht unpolitisch - und stieß mit seinen Interventionen in Sachen Israel dem westdeutschen Feuilleton immer wieder vor denKopf. So ist die Biographie des Kishon-Erfolgs nicht nur ein frühes Beispiel für einen deutschen Umgang mit israelischer Politik und Literatur, der bis heute im Zentrum der Debatten um Antisemitismus, Israel-Kritik, die Kulturbürokratie und BDS-Initiativen ("Boycott, Divestment and Sanctions") steht. Ausgehend von Kishons autobiographischen Berichten, den Erinnerungen von Zeitzeugen und Weggefährten sowie mit Hilfe von Presseartikeln und zahlreichen unveröffentlichten Archivquellen erzählt das Buch Kishons Erfolgsgeschichte im Spannungsfeld von Literatur, Humor und Politik, folgt den literarischen Spuren des Autors vom kommunistischen Ungarn der Nachkriegszeit, über die Anfangsjahre des Staates Israel bis in die "alte" Bundesrepublik und sogar in die DDR. Dabei entzieht sich die Erzählung dem Zwang der biographischen Chronologie, sondern behandelt in 15 szenischen Kapiteln die Grundfragen, um die sich Kishons Leben drehte: das Verhältnis zu seiner Herkunft und seine Rolle als Fremder, die Beziehungen zwischen humoristischer Literatur und Politik, die Rolle des Erfolgs, der öffentlichen Anerkennung und des privaten Glücks.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Morgen wäre Ephraim Kishon hundert Jahre alt geworden, erinnert Rezensent Tilman Spreckelsen, mit Gewinn liest er Silja Behres Biografie über den israelischen Satiriker ungarischer Herkunft, der die Verfolgung der Nazis überlebt hat. Spreckelsen erzählt beispielhaft eine Geschichte Kishons nach, in der der Erzähler vorgibt, ein Buch gelesen zu haben, und es in einer immer mehr eskalierenden Diskussion gegen den Autor verteidigt - eine typische Erzählstrategie in Kishons Texten, liest er bei Behre nach. Die Historikerin wählt die interessante Herangehensweise, das Leben Kishons nicht chronologisch, sondern an bestimmten Fragen orientiert zu erzählen, was zwar gelegentlich zu Redundanzen führt, die aber für den Kritiker insgesamt zu verschmerzen sind angesichts der "Fülle von Anregungen", Kishon wiederzulesen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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