So ein richtig spannender Thriller muss mich dazu bringen, dass ich die Nacht durchlese und das Buch dann morgens beim Anblick meiner Augenringe im Spiegel verfluche. Das hat "Er liebt sie nicht" auch definitiv geschafft - aber nach zwei Nächten mit nur wenig Schlaf tippe ich diese Rezension dennoch
nicht 100%ig begeistert.
Aber fangen wir erstmal mit etwas Positivem an: Die Geschichte ist…mehrSo ein richtig spannender Thriller muss mich dazu bringen, dass ich die Nacht durchlese und das Buch dann morgens beim Anblick meiner Augenringe im Spiegel verfluche. Das hat "Er liebt sie nicht" auch definitiv geschafft - aber nach zwei Nächten mit nur wenig Schlaf tippe ich diese Rezension dennoch nicht 100%ig begeistert.
Aber fangen wir erstmal mit etwas Positivem an: Die Geschichte ist erfrischend originell und umschifft dabei gekonnt die Klischees des Genres. Eine Anwältin, die nebenher sehr erfolgreich True-Crime-Bücher schreibt, wird von einem charismatischen Serienmörder gebeten, seinen Fall zu übernehmen, denn sie sei die Einzige, die überhaupt eine Chance hätte, ihn freizubekommen. Und nebenher bekommt sie es mit dem Polizisten zu tun, der den Mörder damals eingelocht hat und jetzt gar nicht begeistert davon ist, dass sie ihm den größten Fall seiner Karriere ruinieren will.
Maggie Rose ist alles andere als eine typische Thrillerheldin. Denn die sind zwar oft starke Frauen, aber meistens mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn und einem Herzen aus Gold. Maggie dagegen wirkt auf den ersten Blick eiskalt und berechnend - und auch auf den zweiten, dritten und vierten. Sie verdient gutes Geld mit den Büchern, die sie über Mörder schreibt, und hat auch schon mehr als einen aus dem Gefängnis geholt, indem sie Lücken in den Beweisen aufdeckte, die zu seiner Verurteilung führten. Als Hamish Wolfe sie bittet, seinen Fall zu übernehmen, macht sie direkt deutlich, dass es ihr vollkommen egal ist, ob er die Frauen ermordet hat oder nicht. Sie interessiert nur, ob der Fall anfechtbar ist oder nicht.
Aber gerade wenn man denkt, sie wäre eine ziemlich einseitige Persönlichkeit, zeigt sie dann doch wieder unerwartete Eigenschaften - und ab und an sogar ein Gewissen und ein wenig Mitgefühl. Ich fand sie zwar nicht immer sympathisch, aber immer interessant!
Hamish Wolfe dagegen hatte es bei mir schwer, denn er soll wahnsinnig charismatisch sein, wirkte auf mich aber arrogant und überheblich. Allerdings lernt man schnell eine ganz andere Seite von ihm kennen: in Form von glühenden Liebesbriefen, die zunächst nicht näher erklärt, aber immer wieder zwischen Kapiteln eingestreut werden, ohne dass man weiß, wer die Empfängerin ist. Tatsächlich hatte ich im Laufe des Buches dann öfter das Gefühl, über völlig verschiedene Personen zu lesen, und habe mich gefragt: wer ist Wolfe wirklich? Ein Meister der Manipulation, ein brutaler Serienkiller, und das unschuldige Opfer einer perfiden Intrige? Die Autorin lässt den Leser zappeln.
Im Laufe des Buches gibt es einige unerwartete Wendungen: Begebenheiten erscheinen in ganz neuem Licht, Personen erweisen sich als abgründiger als gedacht... Die Karten werden mehrfach neu gemischt - und auf einmal stellt der Leser fest, dass er sowieso die ganze Zeit dachte, man spiele ein völlig anderes Spiel. Und das ist wahnsinnig spannend und unterhaltsam, zumindest meiner Meinung nach. Als erfahrener Thrillerleser kann an sich eine entscheidende Wendung zwar ab einem gewissen Punkt schon denken, aber damit hat man noch lange nicht erraten, wie es ausgeht!
Gegen Ende hatte ich jedoch mehr und mehr den Eindruck, die Autorin übertreibe es damit, den Leser um jeden Preis in die Irre führen zu wollen. Ich hatte das Gefühl, auf einmal ein ganz anderes Buch zu lesen, denn das rasante Tempo konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Auflösung nicht alles schlüssig zusammenpasste. Die letzten Szenen sind zwar actionlastig und schreien geradezu nach einer Verfilmung, sind in meinen Augen aber nicht gänzlich glaubwürdig.
Aber obwohl mich die Auflösung enttäuschte, war es im Großen und Ganzen dennoch ein gut geschriebener, unterhaltsamer Thriller. Die Frage ist, ob man nach einem großartigen Buch ein eher schwaches Ende verzeihen kann oder nicht. Ich habe dafür in meiner Bewertung einen Stern abgezogen.
Den Schreibstil fand ich sehr ansprechend und flüssig zu lesen.