Wenn über 45 Jahre nach dem Tod von Bundeskanzler Ludwig Erhard seine Erinnerungen veröffentlicht werden, ist dies eine kleine Sensation. Der Text aus dem Jahr 1976 ist eine schonungslose Abrechnung mit politischen Gegnern und falschen Freunden in der eigenen Partei. Das Skript beeindruckt aber vor allem durch eine unglaubliche Aktualität. Ludwig Erhard bezeichnet die FDP als Bremser, die jeden Koalitionspartner zur Verzweiflung bringt. Er kritisiert die Bundesneuverschuldung, beklagt übertriebenen Lobbyismus, wettert gegen die GroKo und schreibt, dass wir die Hauptlast für die Sicherheit Europas nicht den USA überlassen dürfen.
Ludwig Erhard wollte seine Erinnerungen bewusst als Erfahrungen für die Zukunft verstanden wissen:
»Ich habe es in der Politik stets mit einer deutlichen Sprache gehalten. Ungenaue Umrisse, Anpassungsversuche an die Vorstellungen des politischen Gegners, sich vom Zeitgeist treiben lassen sind immer Zeichen der eigenen Schwäche. SagenSie den Menschen die Wahrheit, denn die Wahrheit steht auf der Seite des Rechts. Aber geben Sie ihnen auch Hoffnung, strahlen Sie Optimismus aus, haben Sie Humor. Beziehen Sie einen klaren Standpunkt und vertreten Sie ihn. Lassen Sie sich weder verdrießen noch einschüchtern. Setzen Sie Ihre ganze Kraft für das Wohl der Allgemeinheit ein. Dann wird Ihnen von ihnen neue Kraft zuströmen. Und wenn Sie mir, meine Freunde, einen Wunsch erfüllen wollen, dann den: Loben Sie nicht meine Verdienste aus der Vergangenheit, sondern nutzen Sie meine Erfahrungen für die Zukunft.«
Ludwig Erhard
Ludwig Erhard wollte seine Erinnerungen bewusst als Erfahrungen für die Zukunft verstanden wissen:
»Ich habe es in der Politik stets mit einer deutlichen Sprache gehalten. Ungenaue Umrisse, Anpassungsversuche an die Vorstellungen des politischen Gegners, sich vom Zeitgeist treiben lassen sind immer Zeichen der eigenen Schwäche. SagenSie den Menschen die Wahrheit, denn die Wahrheit steht auf der Seite des Rechts. Aber geben Sie ihnen auch Hoffnung, strahlen Sie Optimismus aus, haben Sie Humor. Beziehen Sie einen klaren Standpunkt und vertreten Sie ihn. Lassen Sie sich weder verdrießen noch einschüchtern. Setzen Sie Ihre ganze Kraft für das Wohl der Allgemeinheit ein. Dann wird Ihnen von ihnen neue Kraft zuströmen. Und wenn Sie mir, meine Freunde, einen Wunsch erfüllen wollen, dann den: Loben Sie nicht meine Verdienste aus der Vergangenheit, sondern nutzen Sie meine Erfahrungen für die Zukunft.«
Ludwig Erhard
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Jasper von Altenbockum freut sich darüber, dass dieser Rückblick Ludwig Erhards auf seine Kanzlerschaft, der tatsächlich allerdings von Hans Klein im Auftrag von Erhards Kanzleramtschef Karl Hohmann geschrieben worden war, jetzt als Buch vorliegt (nachdem er seinerzeit - geschrieben wurde er in den 1970ern - nicht veröffentlicht wurde). Wirklich erklären, weshalb Erhards Kanzlerschaft so kurz war, kann dieser Text zwar nicht, findet Altenbockum, und auch Erhards patentierte Soziale Marktwirtschaft ist für dieses Buch weniger wichtig als seine damals nicht allzu erfolgreichen Ideen zu einer "formierten Gesellschaft", die das Loblied der Institutionen singt. Heute hingegen sind Erhards Gedanken zur Bedeutung des Institutionengefüges und des gesellschaftlichen Zusammenhalts hochaktuell, argumentiert Altenbockum, wie auch überhaupt der Versuch, eine gesellschaftstheoretische Basis konservativer Politik zu formulieren, bemerkenswert ist. Heute, wo Feinde des Liberalismus ausgerechnet mit Verweisen auf Erhard reüssieren, ist das Buch besonders brisant, so der Rezensent, der ähnliche Texte auch gerne von anderen Kanzlern gelesen hätte.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH