Die Einsicht in die Dynamik unbewusster Prozesse im Unterricht eröffnet der Erfahrungsbildung in der Schule neue Spielräume. Erfahrungsbildung ist mehr als Lernen. Eine über Zweckrationalität hinausgehende Stufe der ästhetischen und moralischen Bildung wäre auf den Umgang mit emotionalen Erfahrungen angewiesen. Durch die Aufspaltung in eine kausal-reduktive und eine konfliktabwehrende Seite ihrer Erfahrungen manövrieren sich Lehrer immer wieder selbst in eine defensive und resignative Position. An zahlreichen Fallbeispielen aus der eigenen Praxis zeigt der Autor jedoch, dass die Gewalt der Verhältnisse nicht unbezwingbar ist. Die Analyse unerkannt wirksamer Selbsttäuschungsmechanismen bietet die prinzipielle Chance zur Überwindung eines objektivistischen Selbstmissverständnisses im pädagogischen Bezug. Nicht die Konstruktion von Wirklichkeit als fertiges Wissen, sondern die Rekonstruktion dessen, was im pädagogischen Beziehungsfeld Bedeutung gewinnt, bildet. "Erfahrungsbildung im Unterricht" ist ein provozierendes Buch. Es handelt von einer Welt, die es, weil es sie nicht geben darf, noch nicht gibt. In methodisch kontrollierter Erkenntnis überwindet der Autor die Grenzen einer am Nutzenprinzip orientierten pädagogischen Praxis, um auf das hinzuweisen, was aus praxeologischer Sicht den Horizont künftiger pädagogischer Erfahrungsbildung beleben könnte. Der Autor: Heiner Hirblinger, Jg. 1944, Dr. phil., ist Gymnasiallehrer in den Fächern Deutsch, Geschichte und Sozialkunde und wissenschaftlicher Autor.