Ein packender Zeitroman Der Münchner Museumsdirektor Martin Krüger hat sich unbeliebt gemacht. Einige Leute wären ihn gern los. Der Meineidprozess, den man ihm anhängt, geht deshalb auch nicht gut für ihn aus. Doch er hat Freunde, die seine Unschuld zu beweisen versuchen. "Der Roman 'Erfolg' ist mehr als nur 'das Buch Bayern', er weitet sich zu einer Geschichte der allgemeinen deutschen Zustände in der Epoche des beginnenden Nazismus aus." Victor Klemperer
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.04.2008Weltverschwörung der Gemeinheit
Lion Feuchtwanger: „Erfolg”
Das eine ist die Kolportage: Als die Literarische Welt im Herbst 1930 den Roman „Erfolg” von Lion Feuchtwanger rezensierte, empfahl sie ihm, München fürs erste zu verlassen. Zeitgenossen werden den Rat sofort verstanden haben: Denn einige Figuren des Buches sind dem wahren Leben entlehnt, und ebenso, wie Ludwig Ganghofer und Bertolt Brecht nur leicht camoufliert durch die Seiten ziehen, gilt das für Politiker jener Zeit, für Justizminister Christian Roth und Ministerpräsident Gustav von Kahr – und für Adolf Hitler, der hier Rupert Kutzner heißt und als Anführer der „Wahrhaft Deutschen” auftritt. Auch wenn die meisten Figuren unter ihrer Verkleidung (Adolf Hitler ausgenommen) heute kaum mehr identifizierbar sind, weil man sie nicht mehr kennt, so würde man den Rat der Literarischen Welt noch immer verstehen: Denn die Schilderung des dumpfen Milieus, des Ineinanders von Politik, Jurisdiktion und Polizei, der Hilflosigkeit des einzelnen angesichts einer Weltverschwörung der Gemeinheit haben ihre Bedrohlichkeit bis heute behalten.
„Erfolg” ist die Geschichte des Kunsthistorikers Martin Krüger, dem „Subdirektor” eines Münchner Museums und Anhänger der ästhetischen Moderne, der des Meineids angeklagt wird – und, nachdem gekaufte Zeugen ausgesagt haben, verliert. Der Meineid liefert den Vorwand, ihn seines Amtes zu entheben und ins Gefängnis zu werfen, er hat genügend Gegner. In dem Maße, wie seine Freundin Johanna Krain versucht, ihn aus der Gefangenschaft zu holen – und in dem Maße, wie Feuchtwanger das politisch-soziale Milieu mit auch dokumentarischen Mitteln zeichnet –, entsteht das Bild einer im Kern noch feudalen Gesellschaft, eines Gemeinwesens, das den Schritt vom Agrarland zu Marktwirtschaft und Demokratie nicht ganz vollzogen hat, sondern auf halbem Wege stehen geblieben ist, in einer Art ewiger Vormoderne, unwillig, sich je Rechenschaft über sich selbst abzulegen. Die Aristokratie spielt eine nur noch marginale Rolle, an ihre Stelle ist eine korrupte Gemeinschaft selbstzufriedener Amtsinhaber getreten, die keinen Unterschied zwischen ihrem Wohl und dem Gemeinwohl kennt und kennen will – sie lebt vom und bedient das Ressentiment, „breit, laut, in ihrem schönen Land, mit ein bißchen Kultur, ein bißchen Musik”, und weiß allemal zu verhindern, mit einem Blitz der Vernunft in dieses Milieu zu fahren.
Insofern ist das Ende des Romans seine Utopie: Zwar ist der Held tot, gestorben am Morgen der Befreiung. Und doch ist er gerettet: durch die Revision des Verfahrens, vor allem aber durch das Erzählen, durch die Huldigung des Verratenen mit den Mitteln von Roman und Film, gefördert durch amerikanisches Kapital. Dass Feuchtwanger solche Auflösung immerhin noch vorstellbar erschien, 1930, im Angesicht des heraufziehenden Nationalsozialismus, lässt dieses „Buch Bayern” trotz des Endes zu einem tragischen Werk werden. THOMAS STEINFELD
Lion Feuchtwanger Foto: Aufbau-Verlagsgruppe
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Lion Feuchtwanger: „Erfolg”
Das eine ist die Kolportage: Als die Literarische Welt im Herbst 1930 den Roman „Erfolg” von Lion Feuchtwanger rezensierte, empfahl sie ihm, München fürs erste zu verlassen. Zeitgenossen werden den Rat sofort verstanden haben: Denn einige Figuren des Buches sind dem wahren Leben entlehnt, und ebenso, wie Ludwig Ganghofer und Bertolt Brecht nur leicht camoufliert durch die Seiten ziehen, gilt das für Politiker jener Zeit, für Justizminister Christian Roth und Ministerpräsident Gustav von Kahr – und für Adolf Hitler, der hier Rupert Kutzner heißt und als Anführer der „Wahrhaft Deutschen” auftritt. Auch wenn die meisten Figuren unter ihrer Verkleidung (Adolf Hitler ausgenommen) heute kaum mehr identifizierbar sind, weil man sie nicht mehr kennt, so würde man den Rat der Literarischen Welt noch immer verstehen: Denn die Schilderung des dumpfen Milieus, des Ineinanders von Politik, Jurisdiktion und Polizei, der Hilflosigkeit des einzelnen angesichts einer Weltverschwörung der Gemeinheit haben ihre Bedrohlichkeit bis heute behalten.
„Erfolg” ist die Geschichte des Kunsthistorikers Martin Krüger, dem „Subdirektor” eines Münchner Museums und Anhänger der ästhetischen Moderne, der des Meineids angeklagt wird – und, nachdem gekaufte Zeugen ausgesagt haben, verliert. Der Meineid liefert den Vorwand, ihn seines Amtes zu entheben und ins Gefängnis zu werfen, er hat genügend Gegner. In dem Maße, wie seine Freundin Johanna Krain versucht, ihn aus der Gefangenschaft zu holen – und in dem Maße, wie Feuchtwanger das politisch-soziale Milieu mit auch dokumentarischen Mitteln zeichnet –, entsteht das Bild einer im Kern noch feudalen Gesellschaft, eines Gemeinwesens, das den Schritt vom Agrarland zu Marktwirtschaft und Demokratie nicht ganz vollzogen hat, sondern auf halbem Wege stehen geblieben ist, in einer Art ewiger Vormoderne, unwillig, sich je Rechenschaft über sich selbst abzulegen. Die Aristokratie spielt eine nur noch marginale Rolle, an ihre Stelle ist eine korrupte Gemeinschaft selbstzufriedener Amtsinhaber getreten, die keinen Unterschied zwischen ihrem Wohl und dem Gemeinwohl kennt und kennen will – sie lebt vom und bedient das Ressentiment, „breit, laut, in ihrem schönen Land, mit ein bißchen Kultur, ein bißchen Musik”, und weiß allemal zu verhindern, mit einem Blitz der Vernunft in dieses Milieu zu fahren.
Insofern ist das Ende des Romans seine Utopie: Zwar ist der Held tot, gestorben am Morgen der Befreiung. Und doch ist er gerettet: durch die Revision des Verfahrens, vor allem aber durch das Erzählen, durch die Huldigung des Verratenen mit den Mitteln von Roman und Film, gefördert durch amerikanisches Kapital. Dass Feuchtwanger solche Auflösung immerhin noch vorstellbar erschien, 1930, im Angesicht des heraufziehenden Nationalsozialismus, lässt dieses „Buch Bayern” trotz des Endes zu einem tragischen Werk werden. THOMAS STEINFELD
Lion Feuchtwanger Foto: Aufbau-Verlagsgruppe
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
"Ein kleiner Geniestreich. Mit den Gstanzln der Biermösl Blosn und dem wunderbaren Vortrag Jörg Hubes leuchtet ein unglaublich heutiges Bayern-Panorama auf. Angst vor Arbeitslosigkeit gab's schon in den 20er Jahren, und bei der Wut auf die Berliner Regierung, bei Fremdenfeindlichkeit und Mir-san-mir-Stumpfsinn ist es auch geblieben." Münchner Merkur
"Feuchtwanger macht süchtig." SZ