8. Februar 1993 – Inmitten der politischen Wirren, die auf die deutsche Wiedervereinigung gefolgt sind, erscheint beim „Spiegel“ ein Essay, welcher das linke Establishment der BRD nachhaltig verstören wird. „Anschwellender Bocksgesang“ lautet der Titel der Schrift und ihr Verfasser, der Dramatiker
Botho Strauß, macht ab diesem Tag keinen Hehl mehr daraus, rechts zu sein - und das „von ganzem…mehr8. Februar 1993 – Inmitten der politischen Wirren, die auf die deutsche Wiedervereinigung gefolgt sind, erscheint beim „Spiegel“ ein Essay, welcher das linke Establishment der BRD nachhaltig verstören wird. „Anschwellender Bocksgesang“ lautet der Titel der Schrift und ihr Verfasser, der Dramatiker Botho Strauß, macht ab diesem Tag keinen Hehl mehr daraus, rechts zu sein - und das „von ganzem Wesen“. Aus dieser Position heraus formuliert er einen Frontalangriff auf Deutschlands Nachkriegsintelligenz, der er vorwirft, eine „Thersites-Kultur“ geschaffen zu haben, die alles Hergebrachte einzuebnen versucht und noch die letzte Verbindung, die die Deutschen mit ihrer Vergangenheit haben, kappen will. In seinem Buch „Erinnerung als Dichterpflicht“ wagt der Publizist Michael Wiesberg nun, 25 Jahre später, einen Rückblick auf diese Kontroverse und zeichnet vor ihrem Hintergrund Strauß' Leben, seinen Charakter und sein literarisches Schaffen nach. Von seiner Jugend in Bad Ems über die ersten literarischen Erfolge folgt man nunmehr seinem Werdegang und erhält ein Gefühl für jene Straußsche „Geselligkeitsaskese“, die ihn, so ganz abseits stehend von Tagesgeschehen und Zeitgeist, zu einem wirklich unabhängigen Denker werden ließ. Wie diese Stränge von Wiesberg zusammengeführt werden, mit einer ansprechenden Prosa und so detailreich, dass es die Lektüre jeder Biografie ersetzt, ist sicher die größte Stärke des vorliegenden Werkes. Vor den Augen des Lesers entsteht dadurch das Bild eines Mannes, der traditionsbewusst war und angriffslustig, der „das Deutsche“ bewahren wollte und den man genau deswegen zum Abschuss freigab. Selten wurde klarer herausgearbeitet, dass derjenige, der „die Verfehlungen und Zerstörungen der Linken beim Namen nennt“, hierzulande alles zu erwarten hat, nur keine Nachsicht und keine Toleranz. Wer also eine Stimme hören will, die von unserem progressiven Meinungskartell vorsorglich entsorgt wurde, dem sei „Erinnerung als Dichterpflicht“ wärmstens empfohlen.