»Als wir uns auf den Weg zur Einheit machten, war es wie vor der Durchquerung eines Hochmoors: Wir standen knietief im Wasser, Nebel behinderte die Sicht, und wir wussten nur, dass es irgendwo einen festen Pfad geben musste. Schritt für Schritt tasteten wir uns vor und kamen schließlich wohlbehalten auf der anderen Seite an. Ohne Gottes Hilfe hätten wir es wohl nicht geschafft.« Helmut Kohl
Es war eine Zeitenwende, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte: Mit dem Fall der Mauer brach zugleich die Nachkriegsordnung zusammen, und etwas Neues trat hervor. Aber wie dieses Neue gestalten, wenn die Koordinaten der nationalen wie der internationalen Politik fortwährend neu bestimmt werden mussten?
Zeitweise gewannen die Ereignisse eine solche Dynamik, dass sie kaum zu steuern waren: Immer deutlicher zeichnete sich die desolate wirtschaftliche Lage der DDR ab; jeden Tag machten sich Tausende auf den Weg nach Westen, in die Bundesrepublik. Starke Beharrungskräfte widersetzten sich in der Sowjetunion Gorbatschows Reformpolitik; wie gefährdet seine Position war, erwies sich in dem Putschversuch vom August 1991, als die Welt für einige Tage den Atem anhielt. Mit den ethnischen Konflikten im auseinanderbrechenden Jugoslawien kehrte nach über fünfundvierzig Jahren der Krieg nach Europa zurück – auf einen Kontinent, den die Erfahrung zweier Weltkriege so sehr gezeichnet hat, dass Deutschlands unmittelbare Nachbarn in Ost und West, Polen und Frankreich, einem erstarkenden wiedervereinigten Deutschland mit nur schwer auszuräumendem Misstrauen begegneten.
Aber nicht nur international gab es zum Teil massive Vorbehalte, mitunter setzten sogar deutsche Politiker alles daran, den Weg zur Einheit zu blockieren. Heftig umstritten war insbesondere die Einbindung Gesamtdeutschlands in die Nato, mit der die Einheit abgesichert werden sollte.
In den Jahren nach 1990 kam es darauf an, die innere Einheit Deutschlands voranzutreiben. Im Mittelpunkt standen dabei das Finanzierungsprogramm Aufbau Ost und der Solidarpakt. Zugleich ging es darum, die Europäische Einigung zu vertiefen. Dazu gehörten die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes und die Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion, die im Vertrag von Maastricht beschlossen wurde.
In den Erinnerungen 1990 – 1994 über das Herzstück seiner Regierungszeit, erzählt Helmut Kohl von den Jahren des Umbruchs, in denen sich das Schicksal Deutschlands und Europas entschied. Gerade in den Erschütterungen dieser Zeit erweist es sich, welche Bedeutung der Persönlichkeit in der Politik zukommt: Nur dank eigener Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit, dank des in vielen Jahren erworbenen Vertrauens und intensiv gepflegter Kontakte war es ihm immer wieder möglich, kritische Situationen zu meistern und das Projekt der deutschen Einheit sicher zu vollenden.
Es war eine Zeitenwende, wie sie die Welt noch nicht gesehen hatte: Mit dem Fall der Mauer brach zugleich die Nachkriegsordnung zusammen, und etwas Neues trat hervor. Aber wie dieses Neue gestalten, wenn die Koordinaten der nationalen wie der internationalen Politik fortwährend neu bestimmt werden mussten?
Zeitweise gewannen die Ereignisse eine solche Dynamik, dass sie kaum zu steuern waren: Immer deutlicher zeichnete sich die desolate wirtschaftliche Lage der DDR ab; jeden Tag machten sich Tausende auf den Weg nach Westen, in die Bundesrepublik. Starke Beharrungskräfte widersetzten sich in der Sowjetunion Gorbatschows Reformpolitik; wie gefährdet seine Position war, erwies sich in dem Putschversuch vom August 1991, als die Welt für einige Tage den Atem anhielt. Mit den ethnischen Konflikten im auseinanderbrechenden Jugoslawien kehrte nach über fünfundvierzig Jahren der Krieg nach Europa zurück – auf einen Kontinent, den die Erfahrung zweier Weltkriege so sehr gezeichnet hat, dass Deutschlands unmittelbare Nachbarn in Ost und West, Polen und Frankreich, einem erstarkenden wiedervereinigten Deutschland mit nur schwer auszuräumendem Misstrauen begegneten.
Aber nicht nur international gab es zum Teil massive Vorbehalte, mitunter setzten sogar deutsche Politiker alles daran, den Weg zur Einheit zu blockieren. Heftig umstritten war insbesondere die Einbindung Gesamtdeutschlands in die Nato, mit der die Einheit abgesichert werden sollte.
In den Jahren nach 1990 kam es darauf an, die innere Einheit Deutschlands voranzutreiben. Im Mittelpunkt standen dabei das Finanzierungsprogramm Aufbau Ost und der Solidarpakt. Zugleich ging es darum, die Europäische Einigung zu vertiefen. Dazu gehörten die Vollendung des Europäischen Binnenmarktes und die Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion, die im Vertrag von Maastricht beschlossen wurde.
In den Erinnerungen 1990 – 1994 über das Herzstück seiner Regierungszeit, erzählt Helmut Kohl von den Jahren des Umbruchs, in denen sich das Schicksal Deutschlands und Europas entschied. Gerade in den Erschütterungen dieser Zeit erweist es sich, welche Bedeutung der Persönlichkeit in der Politik zukommt: Nur dank eigener Überzeugungskraft und Glaubwürdigkeit, dank des in vielen Jahren erworbenen Vertrauens und intensiv gepflegter Kontakte war es ihm immer wieder möglich, kritische Situationen zu meistern und das Projekt der deutschen Einheit sicher zu vollenden.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
"Das Relevante ins Kröpfchen, das Redundante ins Töpfchen", empfiehlt Rezensent Gunter Hofmann als Lektüremotto für Band drei der Helmut-Kohl-Memoiren. Denn aus seiner Sicht wird Kohl offensichtlich mit etwas nicht fertig, und so schreibe und schreibe er immerfort. Eben nicht nur Relevantes, doch davon dann immer doch noch genug, dass der Rezensent die Erinnerungen an die Jahre 1990 bis 1994 letztlich mit Gewinn gelesen hat. Besonders die Passagen, die im Vorfeld des Zusammenbruchs der Sowjetunion spielen und das dünner werdende Eis für den damaligen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow beschreiben. Zwar misstraut der Rezensent immer wieder der Sicherheit, mit der Helmut Kohl selbstgewiss auf der Welle der Einheit surft, Kritiker niederbügelt und Dinge diskret zu seinen Gunsten schönt. Besonders der Rund-um-die-Uhr-Betrieb des Kohl'schen Telefons scheint ihm ein völlig neues Licht auf die Bedeutung dieses Instruments für die Weltpolitik zu werfen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.12.2007Der Unbeirrbare vertraute auf Gottes Hilfe
Helmut Kohls dritter Memoirenband über die Jahre 1990 bis 1994 erhellt viele Facetten seines Innenlebens
"Wenn man den politischen Charakter Kohls in einem Wort zusammenfassen müsste, würde man ihn den Unbeirrbaren nennen." So hat der SPD-Politiker Peter Glotz im September 1993 den damaligen Bundeskanzler charakterisiert. Unnötig zu sagen, dass er alsdann über dieses dicke Lob mit großem Schöpflöffel jede Menge Spott und Kritik drübergoss. Schließlich stand die Bundestagswahl 1994 bevor, und die Zustimmung zu Kohl sank wieder einmal in den Keller. Aber das Stichwort "der Unbeirrbare" erfasste doch einen Wesenskern. Und die Charakteristik trifft auch auf den Memoirenschreiber Helmut Kohl zu, der jetzt seine Erinnerungen an die Jahre 1990 bis 1994 vorlegt. Man mag zu ihm stehen, wie man will. Dass er in den drei Jahren von 2004 bis 2007 drei mächtige Memoirenbände veröffentlicht hat, ist eine Parforcetour, die ihm so schnell keiner nachmacht. Wir wissen nun, wie "der Unbeirrbare" seinen eigenen Lebensbogen von 1930 bis 1994 sieht und verstanden sehen möchte.
Ein gutes Drittel der "Erinnerungen 1990-1994" behandelt das Jahr 1990, genauer gesagt: die Monate zwischen der ersten freien Wahl vom 18. März in der DDR bis zur Bundestagswahl vom 2. Dezember. Kohl hat die außenpolitischen Verhandlungen schon häufig geschildert. Die Darstellung im vorliegenden Band stützt sich auf die 1998 von ihm freigegebene Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 mit an die 450 Schlüsseldokumenten. Das und jenes hat er auch aus früheren Berichten übernommen. Vergleichsweise viel Gewicht legt er hier auf die Schilderung der innerdeutschen Beziehungen jener Monate: Gründung der Allianz für Deutschland, Beziehung zu dem für Kohl sogar im Nachhinein schwer zu enträtselnden DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière, Ingangsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion - das alles im Zeichen des Vorwahlkampfs mit der Lafontaine-SPD. Dass Lafontaine und Gerhard Schröder bis zur Wiedervereinigung im Herbst 1990 bekennende Zweistaatler waren, ist hinlänglich bekannt. Doch man kann es Kohl kaum verdenken, wenn er wieder einmal daran erinnert, wie eiskalt Lafontaine, der heute den Barmherzigkeitsapostel mit dem blutenden Herzen spielt, sich damals den Deutschen in der DDR gegenüber verhielt.
Doch Kohls Polemik hält sich hier in Grenzen. Inzwischen hat der "Kanzler der Einheit" erkannt, dass die Leser seines Erinnerungswerkes erfahren möchten, wie er aus der Rückschau jene Fehler und Versäumnisse erklärt, die ihm seit langem schon vorgehalten werden. Dieser Memoirenband ist denn auch geboten nachdenklich und selbstkritisch. Bezüglich der schon 1990 leidenschaftlich diskutierten Frage der Umtauschrelation 1:1 von Löhnen, Gehältern und Renten erinnert Kohl beispielsweise daran, dass diese seinerzeit im Vergleich zum Westen nur ein Drittel ausmachten. Der höhere Umstellungskurs 1:2 beim Betriebsvermögen habe zwar mit zum Zusammenbruch der DDR-Industrie beigetragen, aber deren Produktivität sei eben 1990 generell überschätzt worden. Doch selbst wenn das im Frühjahr 1990 alles bekannt gewesen wäre, hätte er rückblickend nicht anders gehandelt. Eine Verzögerung der Einheit wäre nicht zu verantworten gewesen - weder mit Blick auf die labile Lage in Moskau noch auf die Flutwelle der Übersiedler. Diese lag allein im Februar 1990 bei 64 000.
Dass bei der fast lückenlos übertragenen und ohne längere Übergangsfristen erfolgten Sozialunion "gravierende Fehler" gemacht wurden, räumt Kohl nunmehr ziemlich unumwunden ein. Doch nur so habe einer Verarmung der ostdeutschen Bevölkerung entgegengewirkt und die neue Ordnung gesichert werden können. Einige Schuld für fatale Übertreibungen schiebt er dabei Bundesarbeitsminister Norbert Blüm zu. Vor allem sei die Bundesregierung durch die hemmungslose Agitation großer Teile der SPD unter Zugzwang geraten. Lafontaine und seine Genossen bestärkten die DDR-Verhandler um die Sozialdemokratin Regine Hildebrandt in ihren hochgezogenen Forderungen. Das rasche Ja der Volkskammer zum Einigungsvertrag war nur um den Preis sozialpolitischer Übertreibungen zu erreichen. Kohl sagt es zwar nicht ganz so unumwunden, allerdings ist seine Darstellung ziemlich eindeutig: Der "Kanzler der Einheit" war in jener Zeit Treiber und Getriebener zugleich.
Selbstkritik übt er auch in Sachen "versäumte Reformen" des deutschen Sozialstaats. Die entsprechende Reformdiskussion, die vor 1989 begonnen habe, sei durch die Verwirklichung der Sozialunion von der politischen Agenda verdrängt worden. 1990 und 1991 musste alles holterdipolter gehen. Durchgerechnete Konzepte zu Strukturveränderungen der sozialen Sicherungssysteme lagen 1990 nicht vor. Hätte es sie gegeben, wäre es dennoch unmöglich gewesen, sie gewissermaßen im Schweinsgalopp hin zur Wiedervereinigung zu realisieren.
Keinerlei Selbstkritik findet sich bezüglich Einführung der Pflegeversicherung nach dem Blüm'schen Umlagemodell, das 1993 inmitten der großen Rezession und der finanziellen Neu-Last durch die Wiedervereinigung gegen wohlbegründeten Widerstand aus Wissenschaft, Wirtschaft und seitens der FDP durchgesetzt wurde. Doch gewinnt der Leser generell den Eindruck, dass sich Kohl nach den ernüchternden Erfahrungen mit Blüm während des späteren Parteispendenskandals nachträglich selbst die Frage stellt, weshalb er diesen fatalen Minister 16 Jahre lang schalten und walten ließ. Insgesamt fällt Kohls Rückblick auf das unglaubliche Jahr 1990 nicht triumphalisch, sondern eher nachdenklich aus, auch dankbar. Memoiren von Staatsmännern des 20. Jahrhunderts sind selten, in denen sich der Satz findet: "Ohne Gottes Hilfe hätten wir es wohl nicht geschafft."
Von besonderem Interesse ist der umfangreichere Teil dieses Erinnerungsbandes zur dritten Regierung Kohl von 1990 bis zur Bundestagswahl vom Oktober 1994. Hier betritt der Verfasser biographisches Neuland und verfolgt dabei einen plausiblen darstellerischen Ansatz. Die Autoren der bereits recht ausgedehnten publizistischen Biographik zu Kohl suchen sich der Politik dieser Jahre häufig mit zwei Fragen zu nähern: Wie hat dieser Kanzler, großer Patron des "Systems Kohl", seine Macht über 16 Jahre hinweg prolongiert? Und warum hat der finanzielle und psychologische Wiedervereinigungs-Blues die Wiedervereinigungseuphorie des Jahres 1990 so abrupt beendet?
Wie alle Welt kennt auch Kohl diese Erkenntnisperspektiven auf die Jahre 1990 bis 1994. Er weicht ihnen nicht ganz aus, hält aber eine Blickerweiterung für dringend geboten. Tatsächlich gelingt es ihm, in 58 interessanten Kapiteln seine eigene Sicht der Vorgänge zu verdeutlichen, indem er das Bild eines in vielen Dimensionen rastlosen, antreibenden, überlegenen, aber auch getriebenen Kanzlers vermittelt. Anschaulich behandelt er die großen Politikfelder nicht für sich, sondern mischt alles so kunterbunt, wie das Woche für Woche auf einen Bundeskanzler eindringt: Europapolitik und globale Rezession, das Verhältnis zu Russland, die in vielen Sachfragen ausschlaggebende Rolle der Vereinigten Staaten, Golfkrieg und Kriege im zerfallenen Jugoslawien, Kabinettsbildungen, Kabinettskräche, Ministerrücktritte, kontroverse Gesetzgebungsverfahren, Haushaltskrisen, Parteitage, Parteiprogrammatik und Landtagswahlkämpfe, eine Fülle von Ehrungen, Intrigen um die Nachfolge Bundespräsident von Weizsäckers, privateste Aufregungen, Staatsreisen über Staatsreisen, Beerdigungen, Sommerurlaube in St. Gilgen am Wolfgangsee, der RAF-Terrorismus, verbunden mit beispielloser Medienhysterie ("Bad Kleinen"), zahllose Gespräche mit ausländischen Staatsmännern wie Clinton, Jelzin, Havel, Walesa, Mitterrand, Li Peng, Lubbers und vielen weiteren.
Eingestreut in diese Schnappschüsse aus einem ruhelosen Politikerleben finden sich immer wieder knapp oder breit ausgeführte Persönlichkeitsskizzen verstorbener oder aus dem Kabinett geschiedener Gefährten, parteipolitischer Gegner, enger Mitarbeiter oder internationaler Partner: Wörner, Stoltenberg, Teltschik, Juliane Weber, Clinton, Thatcher, Gorbatschow, Jelzin, Brandt oder Lafontaine. Manche dieser Porträts sind anerkennend, andere gehörig vergiftet, einige schlechthin meisterlich wie das über Hans-Dietrich Genscher. Wer studieren möchte, was für eine große Rolle persönliche Sympathie und Antipathie im Leben von Spitzenpolitikern spielt, wird hier fündig. Kohl gleicht auch darin einem großen Elefanten, dass er ein langes Gedächtnis für menschliche Zuwendung, aber ebenso für Enttäuschungen und Unfairness hat. Und wie ein Cantus firmus durchzieht die Trauer um die verstorbene Ehefrau Hannelore dieses sehr persönliche Buch.
Lesenswert sind die Reflexionen, in die Kohl fast jedes Kapitel einmünden lässt. Sie erhellen viele Facetten des Innenlebens dieses seelisch komplizierten Kanzlers, der je nach Laune und Lage differenzierte Nachdenklichkeit hinter massiger Jovialität oder autoritativer Suada verbirgt. Ungekünstelte Prosa nimmt man dabei gern in Kauf. Wer so wie Kohl ein halbes Jahrhundert Tag für Tag rastlos im Geschäft ist, andere zu überzeugen, der entgeht auch beim Memoirenschreiben nicht einem gewissen Overkill bei der Formulierung politischer Glaubensbekenntnisse.
Helmut Kohl versteht sich auf die Kunst, sein Buch mit einem appetitanregenden "Fortsetzung folgt" enden zu lassen. Die Schlusssätze lauten: "Längst hatte ich für mich beschlossen, in der Mitte der Legislaturperiode einen Stabwechsel im Bundeskanzleramt vorzunehmen. Nur ein einziger Kandidat stand für mich zur Diskussion: Wolfgang Schäuble. Ihm traute ich am ehesten zu, für unser Land, für unsere Partei ein erfolgreicher Nachfolger zu sein."
HANS-PETER SCHWARZ
Helmut Kohl: Erinnerungen 1990-1994. Droemer Verlag, München 2007. 784 S., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Helmut Kohls dritter Memoirenband über die Jahre 1990 bis 1994 erhellt viele Facetten seines Innenlebens
"Wenn man den politischen Charakter Kohls in einem Wort zusammenfassen müsste, würde man ihn den Unbeirrbaren nennen." So hat der SPD-Politiker Peter Glotz im September 1993 den damaligen Bundeskanzler charakterisiert. Unnötig zu sagen, dass er alsdann über dieses dicke Lob mit großem Schöpflöffel jede Menge Spott und Kritik drübergoss. Schließlich stand die Bundestagswahl 1994 bevor, und die Zustimmung zu Kohl sank wieder einmal in den Keller. Aber das Stichwort "der Unbeirrbare" erfasste doch einen Wesenskern. Und die Charakteristik trifft auch auf den Memoirenschreiber Helmut Kohl zu, der jetzt seine Erinnerungen an die Jahre 1990 bis 1994 vorlegt. Man mag zu ihm stehen, wie man will. Dass er in den drei Jahren von 2004 bis 2007 drei mächtige Memoirenbände veröffentlicht hat, ist eine Parforcetour, die ihm so schnell keiner nachmacht. Wir wissen nun, wie "der Unbeirrbare" seinen eigenen Lebensbogen von 1930 bis 1994 sieht und verstanden sehen möchte.
Ein gutes Drittel der "Erinnerungen 1990-1994" behandelt das Jahr 1990, genauer gesagt: die Monate zwischen der ersten freien Wahl vom 18. März in der DDR bis zur Bundestagswahl vom 2. Dezember. Kohl hat die außenpolitischen Verhandlungen schon häufig geschildert. Die Darstellung im vorliegenden Band stützt sich auf die 1998 von ihm freigegebene Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 mit an die 450 Schlüsseldokumenten. Das und jenes hat er auch aus früheren Berichten übernommen. Vergleichsweise viel Gewicht legt er hier auf die Schilderung der innerdeutschen Beziehungen jener Monate: Gründung der Allianz für Deutschland, Beziehung zu dem für Kohl sogar im Nachhinein schwer zu enträtselnden DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière, Ingangsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion - das alles im Zeichen des Vorwahlkampfs mit der Lafontaine-SPD. Dass Lafontaine und Gerhard Schröder bis zur Wiedervereinigung im Herbst 1990 bekennende Zweistaatler waren, ist hinlänglich bekannt. Doch man kann es Kohl kaum verdenken, wenn er wieder einmal daran erinnert, wie eiskalt Lafontaine, der heute den Barmherzigkeitsapostel mit dem blutenden Herzen spielt, sich damals den Deutschen in der DDR gegenüber verhielt.
Doch Kohls Polemik hält sich hier in Grenzen. Inzwischen hat der "Kanzler der Einheit" erkannt, dass die Leser seines Erinnerungswerkes erfahren möchten, wie er aus der Rückschau jene Fehler und Versäumnisse erklärt, die ihm seit langem schon vorgehalten werden. Dieser Memoirenband ist denn auch geboten nachdenklich und selbstkritisch. Bezüglich der schon 1990 leidenschaftlich diskutierten Frage der Umtauschrelation 1:1 von Löhnen, Gehältern und Renten erinnert Kohl beispielsweise daran, dass diese seinerzeit im Vergleich zum Westen nur ein Drittel ausmachten. Der höhere Umstellungskurs 1:2 beim Betriebsvermögen habe zwar mit zum Zusammenbruch der DDR-Industrie beigetragen, aber deren Produktivität sei eben 1990 generell überschätzt worden. Doch selbst wenn das im Frühjahr 1990 alles bekannt gewesen wäre, hätte er rückblickend nicht anders gehandelt. Eine Verzögerung der Einheit wäre nicht zu verantworten gewesen - weder mit Blick auf die labile Lage in Moskau noch auf die Flutwelle der Übersiedler. Diese lag allein im Februar 1990 bei 64 000.
Dass bei der fast lückenlos übertragenen und ohne längere Übergangsfristen erfolgten Sozialunion "gravierende Fehler" gemacht wurden, räumt Kohl nunmehr ziemlich unumwunden ein. Doch nur so habe einer Verarmung der ostdeutschen Bevölkerung entgegengewirkt und die neue Ordnung gesichert werden können. Einige Schuld für fatale Übertreibungen schiebt er dabei Bundesarbeitsminister Norbert Blüm zu. Vor allem sei die Bundesregierung durch die hemmungslose Agitation großer Teile der SPD unter Zugzwang geraten. Lafontaine und seine Genossen bestärkten die DDR-Verhandler um die Sozialdemokratin Regine Hildebrandt in ihren hochgezogenen Forderungen. Das rasche Ja der Volkskammer zum Einigungsvertrag war nur um den Preis sozialpolitischer Übertreibungen zu erreichen. Kohl sagt es zwar nicht ganz so unumwunden, allerdings ist seine Darstellung ziemlich eindeutig: Der "Kanzler der Einheit" war in jener Zeit Treiber und Getriebener zugleich.
Selbstkritik übt er auch in Sachen "versäumte Reformen" des deutschen Sozialstaats. Die entsprechende Reformdiskussion, die vor 1989 begonnen habe, sei durch die Verwirklichung der Sozialunion von der politischen Agenda verdrängt worden. 1990 und 1991 musste alles holterdipolter gehen. Durchgerechnete Konzepte zu Strukturveränderungen der sozialen Sicherungssysteme lagen 1990 nicht vor. Hätte es sie gegeben, wäre es dennoch unmöglich gewesen, sie gewissermaßen im Schweinsgalopp hin zur Wiedervereinigung zu realisieren.
Keinerlei Selbstkritik findet sich bezüglich Einführung der Pflegeversicherung nach dem Blüm'schen Umlagemodell, das 1993 inmitten der großen Rezession und der finanziellen Neu-Last durch die Wiedervereinigung gegen wohlbegründeten Widerstand aus Wissenschaft, Wirtschaft und seitens der FDP durchgesetzt wurde. Doch gewinnt der Leser generell den Eindruck, dass sich Kohl nach den ernüchternden Erfahrungen mit Blüm während des späteren Parteispendenskandals nachträglich selbst die Frage stellt, weshalb er diesen fatalen Minister 16 Jahre lang schalten und walten ließ. Insgesamt fällt Kohls Rückblick auf das unglaubliche Jahr 1990 nicht triumphalisch, sondern eher nachdenklich aus, auch dankbar. Memoiren von Staatsmännern des 20. Jahrhunderts sind selten, in denen sich der Satz findet: "Ohne Gottes Hilfe hätten wir es wohl nicht geschafft."
Von besonderem Interesse ist der umfangreichere Teil dieses Erinnerungsbandes zur dritten Regierung Kohl von 1990 bis zur Bundestagswahl vom Oktober 1994. Hier betritt der Verfasser biographisches Neuland und verfolgt dabei einen plausiblen darstellerischen Ansatz. Die Autoren der bereits recht ausgedehnten publizistischen Biographik zu Kohl suchen sich der Politik dieser Jahre häufig mit zwei Fragen zu nähern: Wie hat dieser Kanzler, großer Patron des "Systems Kohl", seine Macht über 16 Jahre hinweg prolongiert? Und warum hat der finanzielle und psychologische Wiedervereinigungs-Blues die Wiedervereinigungseuphorie des Jahres 1990 so abrupt beendet?
Wie alle Welt kennt auch Kohl diese Erkenntnisperspektiven auf die Jahre 1990 bis 1994. Er weicht ihnen nicht ganz aus, hält aber eine Blickerweiterung für dringend geboten. Tatsächlich gelingt es ihm, in 58 interessanten Kapiteln seine eigene Sicht der Vorgänge zu verdeutlichen, indem er das Bild eines in vielen Dimensionen rastlosen, antreibenden, überlegenen, aber auch getriebenen Kanzlers vermittelt. Anschaulich behandelt er die großen Politikfelder nicht für sich, sondern mischt alles so kunterbunt, wie das Woche für Woche auf einen Bundeskanzler eindringt: Europapolitik und globale Rezession, das Verhältnis zu Russland, die in vielen Sachfragen ausschlaggebende Rolle der Vereinigten Staaten, Golfkrieg und Kriege im zerfallenen Jugoslawien, Kabinettsbildungen, Kabinettskräche, Ministerrücktritte, kontroverse Gesetzgebungsverfahren, Haushaltskrisen, Parteitage, Parteiprogrammatik und Landtagswahlkämpfe, eine Fülle von Ehrungen, Intrigen um die Nachfolge Bundespräsident von Weizsäckers, privateste Aufregungen, Staatsreisen über Staatsreisen, Beerdigungen, Sommerurlaube in St. Gilgen am Wolfgangsee, der RAF-Terrorismus, verbunden mit beispielloser Medienhysterie ("Bad Kleinen"), zahllose Gespräche mit ausländischen Staatsmännern wie Clinton, Jelzin, Havel, Walesa, Mitterrand, Li Peng, Lubbers und vielen weiteren.
Eingestreut in diese Schnappschüsse aus einem ruhelosen Politikerleben finden sich immer wieder knapp oder breit ausgeführte Persönlichkeitsskizzen verstorbener oder aus dem Kabinett geschiedener Gefährten, parteipolitischer Gegner, enger Mitarbeiter oder internationaler Partner: Wörner, Stoltenberg, Teltschik, Juliane Weber, Clinton, Thatcher, Gorbatschow, Jelzin, Brandt oder Lafontaine. Manche dieser Porträts sind anerkennend, andere gehörig vergiftet, einige schlechthin meisterlich wie das über Hans-Dietrich Genscher. Wer studieren möchte, was für eine große Rolle persönliche Sympathie und Antipathie im Leben von Spitzenpolitikern spielt, wird hier fündig. Kohl gleicht auch darin einem großen Elefanten, dass er ein langes Gedächtnis für menschliche Zuwendung, aber ebenso für Enttäuschungen und Unfairness hat. Und wie ein Cantus firmus durchzieht die Trauer um die verstorbene Ehefrau Hannelore dieses sehr persönliche Buch.
Lesenswert sind die Reflexionen, in die Kohl fast jedes Kapitel einmünden lässt. Sie erhellen viele Facetten des Innenlebens dieses seelisch komplizierten Kanzlers, der je nach Laune und Lage differenzierte Nachdenklichkeit hinter massiger Jovialität oder autoritativer Suada verbirgt. Ungekünstelte Prosa nimmt man dabei gern in Kauf. Wer so wie Kohl ein halbes Jahrhundert Tag für Tag rastlos im Geschäft ist, andere zu überzeugen, der entgeht auch beim Memoirenschreiben nicht einem gewissen Overkill bei der Formulierung politischer Glaubensbekenntnisse.
Helmut Kohl versteht sich auf die Kunst, sein Buch mit einem appetitanregenden "Fortsetzung folgt" enden zu lassen. Die Schlusssätze lauten: "Längst hatte ich für mich beschlossen, in der Mitte der Legislaturperiode einen Stabwechsel im Bundeskanzleramt vorzunehmen. Nur ein einziger Kandidat stand für mich zur Diskussion: Wolfgang Schäuble. Ihm traute ich am ehesten zu, für unser Land, für unsere Partei ein erfolgreicher Nachfolger zu sein."
HANS-PETER SCHWARZ
Helmut Kohl: Erinnerungen 1990-1994. Droemer Verlag, München 2007. 784 S., 29,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.11.2007Hetzer, Neider, Miesmacher
Im dritten Band seiner Memoiren rechnet Altkanzler Helmut Kohl mit seinen politischen Freunden und Feinden ab
Gaius Julius Cäsar kam bei der Beschreibung seines Krieges in Gallien mit einem Wortschatz von rund 1300 Wörtern aus, was dafür spricht, dass er diese Erinnerungen selbst verfasste. Auch die Zarin Katharina, Friedrich II. und Bismarck schrieben ihre autobiographischen Texte selbst. Heutzutage hat sich das grundlegend gewandelt. Die meisten Politiker reden auf ein Diktaphon und lassen sich von einem Ghostwriter befragen, der dann in ihrem Namen etwas zu Papier bringt. Das gilt für George Bush Senior, Bill Clinton, Gerhard Schröder und viele andere. Staatsmänner verfassen ihre Autobiographien in der Regel nicht mehr selbst.
Der dritte Band der Memoiren Helmut Kohls dürfte von wenigstens zwei Autoren geschrieben sein. Man sieht es schon an der Sprache: Im ersten Teil, der sich mit der deutschen Einigung befasst, wird unentwegt irgendetwas „zum Ausdruck” gebracht. Im zweiten Teil, der die Regierungsjahre 1990 bis 1994 insgesamt behandelt, kommt dieses Synonym für „sagen” nicht vor. Die Autoren haben die Ergebnis- und Gesprächsprotokolle zahlreicher Gremien herangezogen, um Kohls Einlassungen sachlich zu unterfüttern. Auch haben sie sich bemüht, Kohls Diktion aufzugreifen.
Ein Auftragsschreiber ist natürlich noch vorsichtiger, als der Politiker selbst es wäre. Als Leser solcher Memoiren ist man genügsam: Man freut sich über jede Information, die nicht bis zur Inhaltslosigkeit glattgebügelt ist. Da kommt es dem Leser entgegen, dass Helmut Kohl einige Ressentiments hegt, die er gern veröffentlicht sieht. Von links bis rechts werden Leute abgewatscht, von denen man nicht glauben mag, dass sie allesamt so unmöglich sind, wie Kohl sie vorführt. Die Liste beginnt bei Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Hans-Jochen Vogel, sie schließt Lothar de Maizière ein und endet bei Richard von Weizsäcker und Norbert Blüm. Kohls Invektiven gegen Margaret Thatcher sind geradezu lustig. Mit ihr wurde er nie warm. Einmal machte die britische Premierministerin Ferien in Österreich, nahe dem Wolfgangsee, als auch der Kanzler dort war. Ein Treffen wurde organisiert: „Nach einer Stunde hatte ich die Lust verloren, schützte Termine vor und begab mich in ein Café. Das verzieh sie mir nie.”
In Margaret Thatcher fand Helmut Kohl eine formidable Gegnerin: „Ich hatte eine Weile gebraucht, bis ich verstand dass sie Kompromissbereitschaft als Schwäche auslegte. Mehr als einmal haben wir furchtbar miteinander gestritten. Das spielte sich in aller Regel so ab: Sie redete mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und ließ mich kaum zu Wort kommen. Nahm ich mir dennoch das Wort, fuhr sie regelmäßig dazwischen: ,Unterbrechen Sie mich nicht!‘”
Er mochte sie nicht, sie mochte ihn nicht, und der Leser gewinnt den Eindruck, dass hier zwei aufeinander trafen, die einander in politischer Hartleibigkeit nicht nachstanden. Kompromissbereitschaft ist keine Eigenschaft, die man Helmut Kohl nachsagen könnte. Er war „kompromissbereit” nur dann, wenn er tatsächlich die schwächere Position innehatte. Die besten Seiten des Buches handeln von seinem Umgang mit Michail Gorbatschow.
Die Rolle, die Gorbatschow bei der deutschen Einigung spielte, wird heutzutage gern unter den Teppich gekehrt: Ein Kommunist darf nicht daran teilgehabt haben, dass der Kommunismus in Ostdeutschland besiegt wurde. Der dritte Band der Kohl-Memoiren räumt mit dieser Fehleinschätzung auf. Kohl bezeichnet Gorbatschow als seinen „Freund” und erzählt detailliert, wie sehr er auf das Wohlwollen des sowjetischen Generalsekretärs angewiesen war und ihn dazu brachte, genau das zu tun, was er wollte.
Die UdSSR war 1990 finanziell am Ende. Die Bundesregierung strebte nach dem Beitritt der DDR zum Bundesgebiet, der Fortführung der Mitgliedschaft in der Nato und dem baldigen Abzug der sowjetischen Truppen aus der DDR: Das alles wäre ohne Gorbatschows Zustimmung nicht zu machen gewesen. Kohl gewährte Gorbatschows bankrottem Staat eine Bundesbürgschaft über einen Kredit von fünf Milliarden D-Mark. Er bemühte sich darum, dass auch die Europäische Gemeinschaft und die USA etwas für die Sowjetunion täten. Sein Kalkül war, Gorbatschows Einlenken zu erkaufen. Mitterrand zeigte sich verständnisvoll, George Bush Senior und Margaret Thatcher taten es nicht. Bush war der Meinung: „Solange die Sowjetunion keine klaren Konturen habe”, sei jede Hilfe nur verlorenes Geld. Bush war sehr mächtig: Gegen ihn sagt Kohl kein Wort. Margaret Thatcher hielt er hingegen für ebenbürtig: Dass sie sich ihm nicht unterordnen wollte, wird ihn geärgert haben.
Den Abzug der sowjetischen Truppen aus der DDR unterstützte Kohl mit zwölf Milliarden D-Mark, mit denen in der Sowjetunion Wohnungen für die 400 000 Soldaten errichtet werden sollten. Hinzu kam ein zinsloser Kredit von drei Milliarden. Angesichts allein dieser Ziffern ist es erstaunlich, dass Kohl immer noch behauptet, nicht die deutsche Einigung, sondern der bevorstehende Golfkrieg habe unversehens Steuererhöhungen notwendig gemacht. Die Bundesrepublik durfte aus verfassungsrechtlichen Gründen 1991 keine Soldaten in den Krieg gegen Saddam Hussein schicken, stattdessen leistete sie finanzielle Unterstützung: „Der Wert der deutschen Hilfe für die Golfallianz machte insgesamt 3,3 Milliarden Mark aus.” Im Verhältnis zu dem, was die deutsche Einheit kostete, war das nicht sehr viel.
Der Altkanzler ist in seinem Buch nicht eben selbstkritisch. Für den „Reformstau” der neunziger Jahre macht er auf sozialpolitischem Gebiet den damaligen Arbeitsminister Norbert Blüm verantwortlich. Im Übrigen sei man mit der deutschen Einigung beschäftigt gewesen. Letztere ist in Kohls Augen so gut wie perfekt abgelaufen: „Ich werde oft gefragt, was vielleicht anders gemacht werden müsste, wenn wir noch einmal einen Einigungsvertrag auszuhandeln hätten.” Dazu fällt ihm aber nichts ein.
Die plötzliche Umstellung der Löhne und Gehälter von DDR-Mark auf D-Mark im Verhältnis von eins zu eins führte 1990 dazu, „dass weite Teile Ostdeutschlands deindustrialisiert wurden und nur dank riesiger Subventionen und Transferleistungen überleben können”, wie der damalige Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl 2004 in einem Interview feststellte. „Alle Betriebe der DDR”, sagte Pöhl, „mussten von einem Tag auf den anderen ihre Löhne und Verpflichtungen in D-Mark bezahlen, die sie nicht hatten und auch nicht verdienten.” Als die ostdeutschen Waren in D-Mark gehandelt wurden, kam der Export in die osteuropäischen Länder zum Erliegen. Und im Westen waren die DDR-Produkte seit jeher nicht konkurrenzfähig. Diese Zusammenhänge hat Helmut Kohl in seinen Memoiren gar nicht oder anders geschildert. Er wollte die Währungsumstellung bis zum 1. Juli 1990 über die Bühne bringen, dem Ferienbeginn in der DDR, damit „die DDR-Bürger D-Mark in der Hand hatten, wenn sie erstmals Urlaub im Schwarzwald, in Bayern oder Italien machten”. Dass die Absatzmärkte in Osteuropa wegfielen, soll allein am Zusammenbruch der Sowjetunion gelegen haben.
Viele, die 1990 vor einer hastigen Währungsumstellung warnten, die darüber hinwegging, dass die Ost-Mark international fast nichts wert war, werden von Kohl als „Bedenkenträger und Miesmacher” abgekanzelt. Der Sozialdemokrat Karl Otto Pöhl entgeht diesem Verdikt: Der trat – aus „privaten” Gründen, wie er damals sagte – von seinem Posten als Bundesbankchef zurück. Die Berichterstattung des Westdeutschen Rundfunks war Kohl besonders zuwider: Er fand es „fatal”, dass der Sender die „Kosten und Risiken der deutschen Einheit” thematisierte. Journalisten, die Kohl nicht vorbehaltlos applaudieren, sind grundsätzlich Miesmacher. Sozialdemokraten wie Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine, die sich damals kritisch äußerten, unterstellt Kohl eine „destruktive, parteitaktisch durchsichtige Haltung”.
Seine eigene parteitaktische Haltung hingegen setzt Kohl mit dem Wohl des Landes in eins. Mehrfach erwähnt er, wie wichtig es angesichts der desolaten DDR-Wirtschaft gewesen sei, die ersten gesamtdeutschen Wahlen möglichst frühzeitig stattfinden zu lassen. Die deutsche Einheit wurde am 3. Oktober 1990 vollzogen. Wieso schnelle Neuwahlen der Wirtschaft helfen sollten, erklärt Kohl nicht. Sein Motiv war denn auch ein anderes: „Allen seriösen Untersuchungen” zufolge habe die Union „eine reelle Chance” gehabt, die nächsten Wahlen zu gewinnen: „Die Prognosen waren umso besser, je eher gewählt wurde.” Es sollte offenbar gewählt werden, bevor den Deutschen dämmerte, wie katastrophal die ökonomische Lage war.
Für eine schnelle Wahl hat Helmut Kohl sich dann ins Zeug gelegt. Im Sommer 1990 bestellte er den DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière an den Wolfgangsee. Kohl, so heißt es, habe damals schon gewusst haben, dass de Maizière unter dem Namen „Czerny” bei der Stasi als IM registriert war. Ob es stimmt oder nicht, was die „Czerny”-Akte besagt: Der Parteifreund war erpressbar. Die beiden vereinbarten, de Maizière solle darauf dringen, dass Neuwahlen nicht erst im Dezember, sondern bereits im Oktober stattfänden. Das hat er dann auch gemacht. Allerdings gab er seine Verlautbarung sofort nach seiner Rückkehr vom Wolfgangsee heraus, was Kohl nicht gelegen kam. In seinen Memoiren liest sich das so: Der Ministerpräsident habe „im Alleingang, ohne Rücksprache mit dem Koalitionspartner oder der Fraktion, verkündet, dass Beitritt, Landtagswahlen und die erste gesamtdeutsche Wahl am 14. Oktober stattfänden. Ich war fassungslos, als mich Wolfgang Schäuble in St. Gilgen anrief und mich über de Maizières Schritt informierte”. In der Presse stand das damals anders: De Maizière war es, der Kohl informierte. Öffentlich bekannte er, alles sei mit dem Kanzler „abgesprochen”.
Über die Leute, die nicht seinen Anweisungen folgten, zieht Helmut Kohl unerbittlich her. Das ist für den Leser eine Zeitlang amüsant, und dann wird es unangenehm. Er wolle „nicht nachkarten” sagt Kohl. Aber genau das tut er immerzu. Früher wurde er oft als selbstgefällig bezeichnet. Diesen Eindruck – man hatte es fast vergessen – macht er immer noch. Was schwerer wiegt: Seine Darstellung ist nicht redlich. Zu vieles wird verschwiegen und verzerrt beschrieben. So mag man ihm auch nicht recht glauben, wenn er sich als einen der engsten Vertrauten des alten Willy Brandt stilisiert. Ein Bekannter Brandts erzählt: Als Frau Seebacher-Brandt einmal mit Kohl telefonierte, tuschelte ihr Mann seinem Besucher ins Ohr: „Reaktionäre unter sich.”
Kohls Memoiren sind durchaus interessant. Als Schulbuchlektüre sind sie nicht geeignet. Die Jugendlichen könnten auf die Idee kommen, zu glauben, was darin steht. FRANZISKA AUGSTEIN
HELMUT KOHL: Erinnerungen 1990 bis 1994. Droemer/Knaur, München 2007. 784 Seiten, 29,90 Euro.
Man freut sich über jede Information, die nicht bis zur Inhaltslosigkeit glattgebügelt ist
Kohl wird gefragt: Was hätte er bei der Einheit besser machen können? Antwort: nichts.
„Ich war fassungslos, als mich Wolfgang Schäuble über de Maizières Schritt informierte.”
Rustikal-Politik: Wie im Kaukasus das neue Deutschland geboren wurde. Am Baumstamm: Helmut Kohl, Michail Gorbatschow und Hans-Dietrich Genscher am 15. Juli 1990. Foto: AP
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Im dritten Band seiner Memoiren rechnet Altkanzler Helmut Kohl mit seinen politischen Freunden und Feinden ab
Gaius Julius Cäsar kam bei der Beschreibung seines Krieges in Gallien mit einem Wortschatz von rund 1300 Wörtern aus, was dafür spricht, dass er diese Erinnerungen selbst verfasste. Auch die Zarin Katharina, Friedrich II. und Bismarck schrieben ihre autobiographischen Texte selbst. Heutzutage hat sich das grundlegend gewandelt. Die meisten Politiker reden auf ein Diktaphon und lassen sich von einem Ghostwriter befragen, der dann in ihrem Namen etwas zu Papier bringt. Das gilt für George Bush Senior, Bill Clinton, Gerhard Schröder und viele andere. Staatsmänner verfassen ihre Autobiographien in der Regel nicht mehr selbst.
Der dritte Band der Memoiren Helmut Kohls dürfte von wenigstens zwei Autoren geschrieben sein. Man sieht es schon an der Sprache: Im ersten Teil, der sich mit der deutschen Einigung befasst, wird unentwegt irgendetwas „zum Ausdruck” gebracht. Im zweiten Teil, der die Regierungsjahre 1990 bis 1994 insgesamt behandelt, kommt dieses Synonym für „sagen” nicht vor. Die Autoren haben die Ergebnis- und Gesprächsprotokolle zahlreicher Gremien herangezogen, um Kohls Einlassungen sachlich zu unterfüttern. Auch haben sie sich bemüht, Kohls Diktion aufzugreifen.
Ein Auftragsschreiber ist natürlich noch vorsichtiger, als der Politiker selbst es wäre. Als Leser solcher Memoiren ist man genügsam: Man freut sich über jede Information, die nicht bis zur Inhaltslosigkeit glattgebügelt ist. Da kommt es dem Leser entgegen, dass Helmut Kohl einige Ressentiments hegt, die er gern veröffentlicht sieht. Von links bis rechts werden Leute abgewatscht, von denen man nicht glauben mag, dass sie allesamt so unmöglich sind, wie Kohl sie vorführt. Die Liste beginnt bei Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Hans-Jochen Vogel, sie schließt Lothar de Maizière ein und endet bei Richard von Weizsäcker und Norbert Blüm. Kohls Invektiven gegen Margaret Thatcher sind geradezu lustig. Mit ihr wurde er nie warm. Einmal machte die britische Premierministerin Ferien in Österreich, nahe dem Wolfgangsee, als auch der Kanzler dort war. Ein Treffen wurde organisiert: „Nach einer Stunde hatte ich die Lust verloren, schützte Termine vor und begab mich in ein Café. Das verzieh sie mir nie.”
In Margaret Thatcher fand Helmut Kohl eine formidable Gegnerin: „Ich hatte eine Weile gebraucht, bis ich verstand dass sie Kompromissbereitschaft als Schwäche auslegte. Mehr als einmal haben wir furchtbar miteinander gestritten. Das spielte sich in aller Regel so ab: Sie redete mit einer unglaublichen Geschwindigkeit und ließ mich kaum zu Wort kommen. Nahm ich mir dennoch das Wort, fuhr sie regelmäßig dazwischen: ,Unterbrechen Sie mich nicht!‘”
Er mochte sie nicht, sie mochte ihn nicht, und der Leser gewinnt den Eindruck, dass hier zwei aufeinander trafen, die einander in politischer Hartleibigkeit nicht nachstanden. Kompromissbereitschaft ist keine Eigenschaft, die man Helmut Kohl nachsagen könnte. Er war „kompromissbereit” nur dann, wenn er tatsächlich die schwächere Position innehatte. Die besten Seiten des Buches handeln von seinem Umgang mit Michail Gorbatschow.
Die Rolle, die Gorbatschow bei der deutschen Einigung spielte, wird heutzutage gern unter den Teppich gekehrt: Ein Kommunist darf nicht daran teilgehabt haben, dass der Kommunismus in Ostdeutschland besiegt wurde. Der dritte Band der Kohl-Memoiren räumt mit dieser Fehleinschätzung auf. Kohl bezeichnet Gorbatschow als seinen „Freund” und erzählt detailliert, wie sehr er auf das Wohlwollen des sowjetischen Generalsekretärs angewiesen war und ihn dazu brachte, genau das zu tun, was er wollte.
Die UdSSR war 1990 finanziell am Ende. Die Bundesregierung strebte nach dem Beitritt der DDR zum Bundesgebiet, der Fortführung der Mitgliedschaft in der Nato und dem baldigen Abzug der sowjetischen Truppen aus der DDR: Das alles wäre ohne Gorbatschows Zustimmung nicht zu machen gewesen. Kohl gewährte Gorbatschows bankrottem Staat eine Bundesbürgschaft über einen Kredit von fünf Milliarden D-Mark. Er bemühte sich darum, dass auch die Europäische Gemeinschaft und die USA etwas für die Sowjetunion täten. Sein Kalkül war, Gorbatschows Einlenken zu erkaufen. Mitterrand zeigte sich verständnisvoll, George Bush Senior und Margaret Thatcher taten es nicht. Bush war der Meinung: „Solange die Sowjetunion keine klaren Konturen habe”, sei jede Hilfe nur verlorenes Geld. Bush war sehr mächtig: Gegen ihn sagt Kohl kein Wort. Margaret Thatcher hielt er hingegen für ebenbürtig: Dass sie sich ihm nicht unterordnen wollte, wird ihn geärgert haben.
Den Abzug der sowjetischen Truppen aus der DDR unterstützte Kohl mit zwölf Milliarden D-Mark, mit denen in der Sowjetunion Wohnungen für die 400 000 Soldaten errichtet werden sollten. Hinzu kam ein zinsloser Kredit von drei Milliarden. Angesichts allein dieser Ziffern ist es erstaunlich, dass Kohl immer noch behauptet, nicht die deutsche Einigung, sondern der bevorstehende Golfkrieg habe unversehens Steuererhöhungen notwendig gemacht. Die Bundesrepublik durfte aus verfassungsrechtlichen Gründen 1991 keine Soldaten in den Krieg gegen Saddam Hussein schicken, stattdessen leistete sie finanzielle Unterstützung: „Der Wert der deutschen Hilfe für die Golfallianz machte insgesamt 3,3 Milliarden Mark aus.” Im Verhältnis zu dem, was die deutsche Einheit kostete, war das nicht sehr viel.
Der Altkanzler ist in seinem Buch nicht eben selbstkritisch. Für den „Reformstau” der neunziger Jahre macht er auf sozialpolitischem Gebiet den damaligen Arbeitsminister Norbert Blüm verantwortlich. Im Übrigen sei man mit der deutschen Einigung beschäftigt gewesen. Letztere ist in Kohls Augen so gut wie perfekt abgelaufen: „Ich werde oft gefragt, was vielleicht anders gemacht werden müsste, wenn wir noch einmal einen Einigungsvertrag auszuhandeln hätten.” Dazu fällt ihm aber nichts ein.
Die plötzliche Umstellung der Löhne und Gehälter von DDR-Mark auf D-Mark im Verhältnis von eins zu eins führte 1990 dazu, „dass weite Teile Ostdeutschlands deindustrialisiert wurden und nur dank riesiger Subventionen und Transferleistungen überleben können”, wie der damalige Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl 2004 in einem Interview feststellte. „Alle Betriebe der DDR”, sagte Pöhl, „mussten von einem Tag auf den anderen ihre Löhne und Verpflichtungen in D-Mark bezahlen, die sie nicht hatten und auch nicht verdienten.” Als die ostdeutschen Waren in D-Mark gehandelt wurden, kam der Export in die osteuropäischen Länder zum Erliegen. Und im Westen waren die DDR-Produkte seit jeher nicht konkurrenzfähig. Diese Zusammenhänge hat Helmut Kohl in seinen Memoiren gar nicht oder anders geschildert. Er wollte die Währungsumstellung bis zum 1. Juli 1990 über die Bühne bringen, dem Ferienbeginn in der DDR, damit „die DDR-Bürger D-Mark in der Hand hatten, wenn sie erstmals Urlaub im Schwarzwald, in Bayern oder Italien machten”. Dass die Absatzmärkte in Osteuropa wegfielen, soll allein am Zusammenbruch der Sowjetunion gelegen haben.
Viele, die 1990 vor einer hastigen Währungsumstellung warnten, die darüber hinwegging, dass die Ost-Mark international fast nichts wert war, werden von Kohl als „Bedenkenträger und Miesmacher” abgekanzelt. Der Sozialdemokrat Karl Otto Pöhl entgeht diesem Verdikt: Der trat – aus „privaten” Gründen, wie er damals sagte – von seinem Posten als Bundesbankchef zurück. Die Berichterstattung des Westdeutschen Rundfunks war Kohl besonders zuwider: Er fand es „fatal”, dass der Sender die „Kosten und Risiken der deutschen Einheit” thematisierte. Journalisten, die Kohl nicht vorbehaltlos applaudieren, sind grundsätzlich Miesmacher. Sozialdemokraten wie Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine, die sich damals kritisch äußerten, unterstellt Kohl eine „destruktive, parteitaktisch durchsichtige Haltung”.
Seine eigene parteitaktische Haltung hingegen setzt Kohl mit dem Wohl des Landes in eins. Mehrfach erwähnt er, wie wichtig es angesichts der desolaten DDR-Wirtschaft gewesen sei, die ersten gesamtdeutschen Wahlen möglichst frühzeitig stattfinden zu lassen. Die deutsche Einheit wurde am 3. Oktober 1990 vollzogen. Wieso schnelle Neuwahlen der Wirtschaft helfen sollten, erklärt Kohl nicht. Sein Motiv war denn auch ein anderes: „Allen seriösen Untersuchungen” zufolge habe die Union „eine reelle Chance” gehabt, die nächsten Wahlen zu gewinnen: „Die Prognosen waren umso besser, je eher gewählt wurde.” Es sollte offenbar gewählt werden, bevor den Deutschen dämmerte, wie katastrophal die ökonomische Lage war.
Für eine schnelle Wahl hat Helmut Kohl sich dann ins Zeug gelegt. Im Sommer 1990 bestellte er den DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière an den Wolfgangsee. Kohl, so heißt es, habe damals schon gewusst haben, dass de Maizière unter dem Namen „Czerny” bei der Stasi als IM registriert war. Ob es stimmt oder nicht, was die „Czerny”-Akte besagt: Der Parteifreund war erpressbar. Die beiden vereinbarten, de Maizière solle darauf dringen, dass Neuwahlen nicht erst im Dezember, sondern bereits im Oktober stattfänden. Das hat er dann auch gemacht. Allerdings gab er seine Verlautbarung sofort nach seiner Rückkehr vom Wolfgangsee heraus, was Kohl nicht gelegen kam. In seinen Memoiren liest sich das so: Der Ministerpräsident habe „im Alleingang, ohne Rücksprache mit dem Koalitionspartner oder der Fraktion, verkündet, dass Beitritt, Landtagswahlen und die erste gesamtdeutsche Wahl am 14. Oktober stattfänden. Ich war fassungslos, als mich Wolfgang Schäuble in St. Gilgen anrief und mich über de Maizières Schritt informierte”. In der Presse stand das damals anders: De Maizière war es, der Kohl informierte. Öffentlich bekannte er, alles sei mit dem Kanzler „abgesprochen”.
Über die Leute, die nicht seinen Anweisungen folgten, zieht Helmut Kohl unerbittlich her. Das ist für den Leser eine Zeitlang amüsant, und dann wird es unangenehm. Er wolle „nicht nachkarten” sagt Kohl. Aber genau das tut er immerzu. Früher wurde er oft als selbstgefällig bezeichnet. Diesen Eindruck – man hatte es fast vergessen – macht er immer noch. Was schwerer wiegt: Seine Darstellung ist nicht redlich. Zu vieles wird verschwiegen und verzerrt beschrieben. So mag man ihm auch nicht recht glauben, wenn er sich als einen der engsten Vertrauten des alten Willy Brandt stilisiert. Ein Bekannter Brandts erzählt: Als Frau Seebacher-Brandt einmal mit Kohl telefonierte, tuschelte ihr Mann seinem Besucher ins Ohr: „Reaktionäre unter sich.”
Kohls Memoiren sind durchaus interessant. Als Schulbuchlektüre sind sie nicht geeignet. Die Jugendlichen könnten auf die Idee kommen, zu glauben, was darin steht. FRANZISKA AUGSTEIN
HELMUT KOHL: Erinnerungen 1990 bis 1994. Droemer/Knaur, München 2007. 784 Seiten, 29,90 Euro.
Man freut sich über jede Information, die nicht bis zur Inhaltslosigkeit glattgebügelt ist
Kohl wird gefragt: Was hätte er bei der Einheit besser machen können? Antwort: nichts.
„Ich war fassungslos, als mich Wolfgang Schäuble über de Maizières Schritt informierte.”
Rustikal-Politik: Wie im Kaukasus das neue Deutschland geboren wurde. Am Baumstamm: Helmut Kohl, Michail Gorbatschow und Hans-Dietrich Genscher am 15. Juli 1990. Foto: AP
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