Die Notation fotografisch genauer Wahrnehmungen verschmilzt in den Gedichten Durs Grünbeins mit Abschweifungen über vermeintlich Entferntliegendes zu konzentriertester Reflexion: über die Zeit und die Geschichte, über das Gewordensein des gesellschaftlichen Ganzen von der Antike über die Renaissance bis in die jüngste Vergangenheit, über den eigenen Platz in den Zeitläuften.
"Wohin aber sickert denn Zeit, / Nachdem sie die Körper durchlief? / Kein Tropfen im Grundwasser schreit. / Nicht Schweiß hat das Felsloch vertieft."
Die Erkundung der Möglichkeiten des Individuums innerhalb der Grenzen seiner eigenen Lebenszeit und seines Lebensraums Großstadt sind seit langem Themen dieses Autors: "Warum bist Du hier? steht als Frage gleich morgens mit auf." In seinen neuen Gedichten, die unter die Kapitelüberschriften "Unzeitgemäße Gedichte", "Neue Historien" und "Traktat" vom Zeitverbleib geordnet sind, führt er diese Themen weiter und entfaltet sie in Langgedichten und Zyklen.
Das poe tologische Titelgedicht, das auf ein Schönbergsches Orchesterstück anspielt, beschreibt als Movens das Fortschreiten in Oppositionen zwischen magischen und rationalen Definitionen der Poesie und beschließt den Band mit einem vorläufigen Fazit.
"Wohin aber sickert denn Zeit, / Nachdem sie die Körper durchlief? / Kein Tropfen im Grundwasser schreit. / Nicht Schweiß hat das Felsloch vertieft."
Die Erkundung der Möglichkeiten des Individuums innerhalb der Grenzen seiner eigenen Lebenszeit und seines Lebensraums Großstadt sind seit langem Themen dieses Autors: "Warum bist Du hier? steht als Frage gleich morgens mit auf." In seinen neuen Gedichten, die unter die Kapitelüberschriften "Unzeitgemäße Gedichte", "Neue Historien" und "Traktat" vom Zeitverbleib geordnet sind, führt er diese Themen weiter und entfaltet sie in Langgedichten und Zyklen.
Das poe tologische Titelgedicht, das auf ein Schönbergsches Orchesterstück anspielt, beschreibt als Movens das Fortschreiten in Oppositionen zwischen magischen und rationalen Definitionen der Poesie und beschließt den Band mit einem vorläufigen Fazit.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.03.2002Ein Seestern tröstet besser als der Stoizismus
Durs Grünbein zieht eine Zwischenbilanz / Von Lorenz Jäger
Dies sind Gedichte, die sich an einzelne wenden. Sie sind dem inneren Lesen zugedacht; das Lied, der Spruch, das Auswendiglernen liegen außerhalb ihres Bereichs. Noch für Brecht war die Lage anders, weil der Kommunismus - und darin mag seine Attraktion bestanden haben - ein Volk fingierte, an das der Dichter sich wenden konnte. Grünbein schreibt Kunstgedichte; wer sie liest, sollte sich für die antiken Stoffe den "Kleinen Pauly" zurechtlegen und für die italienischen Ansichten Jacob Burckhardts "Cicerone".
Zauberhaft leicht und sicher ist Grünbein in den Rhythmen seiner langen Zeilen. Musikalische und tänzerische Anspielungen geben den poetologischen Rahmen: Im ersten Gedicht - "Was ist das, Frühling" - erinnert Grünbein an Strawinskys "Sacre du printemps", im letzten, das der Sammlung den Titel gegeben hat, an Arnold Schönbergs Orchesterstück "Verklärte Nacht", eine der schönsten Kompositionen der Jahrhundertwende, die ihrerseits auf ein Gedicht von Richard Dehmel geantwortet hatte. Dazwischen findet man die lieblichere oder schärfere Sprach-Musik der Vögel in Umbrien.
Es sind Blicke nicht nur auf die Musik, sondern ebenso auf die Geschichte und die Philosophie, die die Gedichte charakterisieren: Einmal werden diese geradezu als "Philosophie in Metren, Musik der Freudensprünge von Wort zu Ding" definiert. Aber die offensichtliche Anspielung, wie hier auf Schönberg, ist vor allem, wo sie einem ganzen Band den Titel gibt, eine problematische rhetorische Figur. Wenn sie nicht im bloßen Effekt der Sekunde verpuffen soll, muß sie abgearbeitet werden. Dann legt sie dem Dichter eine Verpflichtung auf - er muß sich nun bei jedem seiner Schritte an der Tradition messen -, andererseits wird sich auch das künstlerische Selbstbewußtsein steigern. Diese widersprüchliche Bewegung, die im Titel "Erklärte Nacht" angelegt ist, entfaltet sich in den Gedichten.
Zum dichterischen Selbstbewußtsein gehört die Geschichte der poetischen Sozialisation in mehreren Schritten. Einmal ist es die Erkenntnis der Laute und ihrer Bedeutungen, die, wer weiß, vielleicht der Lautfolge des eigenen Namens abgewonnen ist. Das Gurgeln und das unterweltlich-katakombenhafte des Kehlkopfes beschäftigen Grünbein mehr als einmal. Die erste Prüfung der Welt findet im Mund statt: "Nichts, was die Lippen verwarfen, wurde geglaubt. / Flinker als Lidschlag sortierte die Zunge. / Die ersten Worte, erbeutet als Talisman, / Klebten lange am Gaumen, Nougat und Kieselstein."
Zum Mund tritt das Auge. Wenn man von einem Thema dieser Gedichte vereinfachend sprechen will, dann ist es der Ort des Unheimlichen in der Zivilisation - die Bildungswelt Rudolf Borchardts, gesehen von der Kamera Alfred Hitchcocks. Grünbein wurde 1962 in der DDR geboren, "mitten im Kältesten Krieg", als man sich durch Zielfernrohre ansah. Als Kind, "sehr früh schon, zu früh" bildet er den anderen Blick aus: "Mit Augen, die hätten jede Mutter erschreckt." Der Blick durch Gitter und Türspione, der hier geschildert wird, könnte aus Hitchcocks Ost-West-Spionenfilm "Der zerrissene Vorhang" stammen. Und schließlich ist es die Schrift, die er in der denkbar schönsten, geschütztesten Weise von seiner Mutter lernt: "Still rührte sie den Teig, und schnitt vom Rand / Schriftzeichen aus, ein eßbares I Ging."
Aber die Zeichen werden nicht nur vom Auge gelesen, der Körper erfährt sie, und so ist die Geschichte dieser dichterischen Berufung auch eine Geschichte der Schrecken und der Schweißausbrüche, die aus der Welt des Märchens stammen, wo es am dunkelsten ist. Drei unheimliche Zeichen begegnen dem Knaben, dreimal wird er angesprochen. Ein Katzenkadaver sagt ihm: "Schuld bist auch du. Der das hier tat, war deinesgleichen." Der Verkrüppelte, der in Stalingrad den Verstand verlor, ist der zweite: "Was wißt ihr schon. So bald verdorrt ist euer freches Grün." Eine gichtige Alte schließlich erscheint ihm als Märchenhexe: "Ich bin die Leich vor eurer Tür. Ihr werdet an mich denken." Im Leben des Erwachsenen enträtseln sich die üblen Orakel im Herzklopfen, im Lärm der Panzerketten, im Gestank von Kantinen.
Durs Grünbein steht im vierzigsten Jahr, einem Alter, das erste Bilanzen und Vergänglichkeitsreflexionen nahelegt. Man findet sie vielfach in diesem Band, auch im antikisierenden dritten Teil, der "Neue Historien" überschrieben ist. Das erste Gedicht - "Schwacher Trost" - gilt der Unsterblichkeitslehre des Stoikers Chrysippus, die, wenig attraktiv, auf ein den Philosophen vorbehaltenes Seelenarchiv hinausläuft: "Niemals vergessen zu werden lautet ihr Fluch." Besser ist ein Seestern, den die Kinder gefunden haben: "Welcher Trost meinem Auge, dies kleine obszöne Tier." Episoden aus dem Leben Senecas schließen sich an, sie dienen Grünbein dazu, Fragen an die stoische Philosophie zu formulieren. Um die vernünftige Einstellung zum Tod war es dieser Schule vor allem gegangen. Hält sie stand? "In Ägypten" heißt das Gedicht, in dem Seneca gesteht: "Unheimlich ist sie, die Eile der Zeit, blickt man zurück." Auch das folgende Gedicht - "Julia Livilla" - behandelt einen Stoff aus der Lebengeschichte des Philosophen. Julia, die Verbannte, schreibt ihm, dem einstigen Geliebten, und erinnert an die Versäumnisse der Vernunft: "Denn so ist Liebe - / Sie übersteigt, was immer du an Argumenten hast. / Nicht daß ich einsam wär, allein mit meinen Diatriben. / Mir scheint nur, Freund, wir hätten zuviel Zeit verpaßt, / Indem wir das Intime mieden." Verfremdet-schön ist diese Antike im Blankvers, die direkt aus Wielands Horaz-Übertragungen zu stammen scheint.
Die Gedichte um Seneca und die Lage der Philosophie angesichts des Zynismus des kaiserlichen Rom sind in die Komposition des Ganzen verflochten. Man hört ihr Echo in den "September-Elegien", die nach den New Yorker Anschlägen verfaßt wurden: "Keiner ist Stoiker hier. Palavernd vor Schwellen und Türen, / Von Terminen und Schulden gejagt, durcheilt man die Stadt. / Wer hat schon Zeit gehabt, etwas wie Seelenruhe zu destillieren / Aus der Gewißheit des Todes und daß alles ein Ende hat?"
Manchmal scheint Grünbein sich selbst, angesichts der staunenswerten Geschichte seines Ruhms, stoische Lebensweisheit anzuempfehlen: "Vergiß das Lob, das dir schmeichelt", heißt es in "Das pessimistische Alter". Einem der schönsten Gedichte dieses Bandes - "Herrscherin der todgeweihten Stadt" - gelingt es, die Bildungswelt ganz in Erkenntnis zu verwandeln. "Tyche" ist Zufall, Geschick, Glück und Unglück, und zugleich die personifizierte, unberechenbare Göttin dieses Bereichs. "Eutychides" war der Künstler - man kennt ihn nur unter diesem Beinamen -, der die schönste Figur der Göttin schuf. Warum? Dort, wo er lebte, herrschte sie ja buchstäblich, und nur dort, wo einzig Trümmer geblieben sind, konnte sie ihre verbindliche Gestalt gewinnen: "Inmitten der Erdbebenzone lebte ihr Schöpfer."
Durs Grünbein: "Erklärte Nacht". Gedichte. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2002. 149 S., geb., 18,-.
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Durs Grünbein zieht eine Zwischenbilanz / Von Lorenz Jäger
Dies sind Gedichte, die sich an einzelne wenden. Sie sind dem inneren Lesen zugedacht; das Lied, der Spruch, das Auswendiglernen liegen außerhalb ihres Bereichs. Noch für Brecht war die Lage anders, weil der Kommunismus - und darin mag seine Attraktion bestanden haben - ein Volk fingierte, an das der Dichter sich wenden konnte. Grünbein schreibt Kunstgedichte; wer sie liest, sollte sich für die antiken Stoffe den "Kleinen Pauly" zurechtlegen und für die italienischen Ansichten Jacob Burckhardts "Cicerone".
Zauberhaft leicht und sicher ist Grünbein in den Rhythmen seiner langen Zeilen. Musikalische und tänzerische Anspielungen geben den poetologischen Rahmen: Im ersten Gedicht - "Was ist das, Frühling" - erinnert Grünbein an Strawinskys "Sacre du printemps", im letzten, das der Sammlung den Titel gegeben hat, an Arnold Schönbergs Orchesterstück "Verklärte Nacht", eine der schönsten Kompositionen der Jahrhundertwende, die ihrerseits auf ein Gedicht von Richard Dehmel geantwortet hatte. Dazwischen findet man die lieblichere oder schärfere Sprach-Musik der Vögel in Umbrien.
Es sind Blicke nicht nur auf die Musik, sondern ebenso auf die Geschichte und die Philosophie, die die Gedichte charakterisieren: Einmal werden diese geradezu als "Philosophie in Metren, Musik der Freudensprünge von Wort zu Ding" definiert. Aber die offensichtliche Anspielung, wie hier auf Schönberg, ist vor allem, wo sie einem ganzen Band den Titel gibt, eine problematische rhetorische Figur. Wenn sie nicht im bloßen Effekt der Sekunde verpuffen soll, muß sie abgearbeitet werden. Dann legt sie dem Dichter eine Verpflichtung auf - er muß sich nun bei jedem seiner Schritte an der Tradition messen -, andererseits wird sich auch das künstlerische Selbstbewußtsein steigern. Diese widersprüchliche Bewegung, die im Titel "Erklärte Nacht" angelegt ist, entfaltet sich in den Gedichten.
Zum dichterischen Selbstbewußtsein gehört die Geschichte der poetischen Sozialisation in mehreren Schritten. Einmal ist es die Erkenntnis der Laute und ihrer Bedeutungen, die, wer weiß, vielleicht der Lautfolge des eigenen Namens abgewonnen ist. Das Gurgeln und das unterweltlich-katakombenhafte des Kehlkopfes beschäftigen Grünbein mehr als einmal. Die erste Prüfung der Welt findet im Mund statt: "Nichts, was die Lippen verwarfen, wurde geglaubt. / Flinker als Lidschlag sortierte die Zunge. / Die ersten Worte, erbeutet als Talisman, / Klebten lange am Gaumen, Nougat und Kieselstein."
Zum Mund tritt das Auge. Wenn man von einem Thema dieser Gedichte vereinfachend sprechen will, dann ist es der Ort des Unheimlichen in der Zivilisation - die Bildungswelt Rudolf Borchardts, gesehen von der Kamera Alfred Hitchcocks. Grünbein wurde 1962 in der DDR geboren, "mitten im Kältesten Krieg", als man sich durch Zielfernrohre ansah. Als Kind, "sehr früh schon, zu früh" bildet er den anderen Blick aus: "Mit Augen, die hätten jede Mutter erschreckt." Der Blick durch Gitter und Türspione, der hier geschildert wird, könnte aus Hitchcocks Ost-West-Spionenfilm "Der zerrissene Vorhang" stammen. Und schließlich ist es die Schrift, die er in der denkbar schönsten, geschütztesten Weise von seiner Mutter lernt: "Still rührte sie den Teig, und schnitt vom Rand / Schriftzeichen aus, ein eßbares I Ging."
Aber die Zeichen werden nicht nur vom Auge gelesen, der Körper erfährt sie, und so ist die Geschichte dieser dichterischen Berufung auch eine Geschichte der Schrecken und der Schweißausbrüche, die aus der Welt des Märchens stammen, wo es am dunkelsten ist. Drei unheimliche Zeichen begegnen dem Knaben, dreimal wird er angesprochen. Ein Katzenkadaver sagt ihm: "Schuld bist auch du. Der das hier tat, war deinesgleichen." Der Verkrüppelte, der in Stalingrad den Verstand verlor, ist der zweite: "Was wißt ihr schon. So bald verdorrt ist euer freches Grün." Eine gichtige Alte schließlich erscheint ihm als Märchenhexe: "Ich bin die Leich vor eurer Tür. Ihr werdet an mich denken." Im Leben des Erwachsenen enträtseln sich die üblen Orakel im Herzklopfen, im Lärm der Panzerketten, im Gestank von Kantinen.
Durs Grünbein steht im vierzigsten Jahr, einem Alter, das erste Bilanzen und Vergänglichkeitsreflexionen nahelegt. Man findet sie vielfach in diesem Band, auch im antikisierenden dritten Teil, der "Neue Historien" überschrieben ist. Das erste Gedicht - "Schwacher Trost" - gilt der Unsterblichkeitslehre des Stoikers Chrysippus, die, wenig attraktiv, auf ein den Philosophen vorbehaltenes Seelenarchiv hinausläuft: "Niemals vergessen zu werden lautet ihr Fluch." Besser ist ein Seestern, den die Kinder gefunden haben: "Welcher Trost meinem Auge, dies kleine obszöne Tier." Episoden aus dem Leben Senecas schließen sich an, sie dienen Grünbein dazu, Fragen an die stoische Philosophie zu formulieren. Um die vernünftige Einstellung zum Tod war es dieser Schule vor allem gegangen. Hält sie stand? "In Ägypten" heißt das Gedicht, in dem Seneca gesteht: "Unheimlich ist sie, die Eile der Zeit, blickt man zurück." Auch das folgende Gedicht - "Julia Livilla" - behandelt einen Stoff aus der Lebengeschichte des Philosophen. Julia, die Verbannte, schreibt ihm, dem einstigen Geliebten, und erinnert an die Versäumnisse der Vernunft: "Denn so ist Liebe - / Sie übersteigt, was immer du an Argumenten hast. / Nicht daß ich einsam wär, allein mit meinen Diatriben. / Mir scheint nur, Freund, wir hätten zuviel Zeit verpaßt, / Indem wir das Intime mieden." Verfremdet-schön ist diese Antike im Blankvers, die direkt aus Wielands Horaz-Übertragungen zu stammen scheint.
Die Gedichte um Seneca und die Lage der Philosophie angesichts des Zynismus des kaiserlichen Rom sind in die Komposition des Ganzen verflochten. Man hört ihr Echo in den "September-Elegien", die nach den New Yorker Anschlägen verfaßt wurden: "Keiner ist Stoiker hier. Palavernd vor Schwellen und Türen, / Von Terminen und Schulden gejagt, durcheilt man die Stadt. / Wer hat schon Zeit gehabt, etwas wie Seelenruhe zu destillieren / Aus der Gewißheit des Todes und daß alles ein Ende hat?"
Manchmal scheint Grünbein sich selbst, angesichts der staunenswerten Geschichte seines Ruhms, stoische Lebensweisheit anzuempfehlen: "Vergiß das Lob, das dir schmeichelt", heißt es in "Das pessimistische Alter". Einem der schönsten Gedichte dieses Bandes - "Herrscherin der todgeweihten Stadt" - gelingt es, die Bildungswelt ganz in Erkenntnis zu verwandeln. "Tyche" ist Zufall, Geschick, Glück und Unglück, und zugleich die personifizierte, unberechenbare Göttin dieses Bereichs. "Eutychides" war der Künstler - man kennt ihn nur unter diesem Beinamen -, der die schönste Figur der Göttin schuf. Warum? Dort, wo er lebte, herrschte sie ja buchstäblich, und nur dort, wo einzig Trümmer geblieben sind, konnte sie ihre verbindliche Gestalt gewinnen: "Inmitten der Erdbebenzone lebte ihr Schöpfer."
Durs Grünbein: "Erklärte Nacht". Gedichte. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt am Main 2002. 149 S., geb., 18,-
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Spricht das für einen Gedichtband, das man sich ihm nur mit dem Kleinen Pauly oder Jakob Burckhardts "Cicerone" nähern kann? Solches nämlich empfiehlt Lorenz Jäger hinsichtlich Durs Grünbeins jüngster "Kunstgedichte", wie er sie nennt. Schon der Titel spielt auf Schönberg an, erklärt Jäger, für ihn insofern problematisch, als der Dichter sich in einem solchen Fall auch dem hohen selbstgestellten Anspruch stellen muss. Haben wir uns also auch Grünbein mit dem Kleinen Pauly in der Hand vorzustellen? Seine Gedichte sind Anspielungen und Auseinandersetzung mit Musik, Philosophiegeschichte, der eigenen poetischen Sozialisation, erfahren wir, weiter auch, dass Grünbein "im vierzigsten Jahr steht" und sich darum zu ersten Bilanzen und Vergänglichkeitsreflexionen berufen fühlt. Gerade letztere finden sich im dritten "antikisierenden" Teil des Buches, sagt Jäger, der um Seneca, Rom und New York kreist und "verfremdend-schöne" Bilder der Antike, teilweise im Blankvers, überliefert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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