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Produktdetails
  • Verlag: Kuo-Tykve
  • 1996.
  • Seitenzahl: 427
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 554g
  • ISBN-13: 9783925434877
  • ISBN-10: 3925434879
  • Artikelnr.: 06899348
  • Herstellerkennzeichnung
  • Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.09.1996

Anweisungen aus der Kaffeedose
BND-Pensionär "Marx" berichtet, soweit es möglich ist

Waldemar Markwardt: Erlebter BND. Kritisches Plädoyer eines Insiders. Anita Tykve Verlag Berlin 1996, 427 Seiten, 39,80 Mark.

Napoleon wird das Wort zugeschrieben, daß er den Verrat schätzte, nicht aber den Verräter. Und doch soll Napoleon sehr viel Zeit dafür verwendet haben, Verräter zu finden, die seine Genialität bei der Führung seiner Feldzüge effektiv unterstützen konnten. Spionage, nach der Prostitution mutmaßlich das zweitälteste Gewerbe der Welt, wird wohl auch zukünftigen Generationen nicht entbehrlich erscheinen. Doch Spione haben es nicht leicht. Wenn sie erfolgreich im Einsatz waren, dürfen sie es niemandem erzählen. Haben sie aber versagt, sehen sie sich wehrlos der Kritik ausgesetzt. Das ärgert auch die Pensionäre des Bundesnachrichtendienstes. Eigentlich hätten sie Zeit, die während ihres Arbeitslebens gesammelten Geheimnisse niederzuschreiben, als Buch zu veröffentlichen und damit den Schleier, der die Spionagewelt umgibt, ein wenig zu lüften. Doch ein Nachrichtendienst wäre den Namen nicht wert, wenn er früheren Mitarbeitern Redseligkeit gestatten würde. So ist von vornherein klar, daß Bücher früherer BND-Mitarbeiter jeden auf Enthüllungen wartenden Leser enttäuschen müssen. Trotzdem gibt es immer wieder Lesenswertes von früheren Geheimdienstmitarbeitern. Dazu gehört das Buch von Waldemar Markwardt, Deckname "Marx".

Markwardt diente von 1952 bis 1985 jener Pullacher Behörde, die Kritiker gern verächtlich mit "Schlapphüten" in Verbindung bringen. Er lobt seinen Berufsstand nicht über alle Maßen, im Gegenteil: "Spione, Agenten, Überläufer, Verräter, Doppelagenten und Maulwürfe, ob Überzeugungstäter oder Abenteurer - die Arbeit mit ihnen ist bis heute ein zwielichtiges Geschäft geblieben."

Geheimdienstmann "Marx" beschreibt anschaulich, wie im Kalten Krieg Kaffeedosen, Kakao- und Milchpulverbeutel vor dem Versand nach Polen und in die frühere DDR mit geheimen Anweisungen präpariert wurden, wie in Polen verbliebene Deutsche angeworben und aus der Ferne geführt wurden. "Marx" erinnert aber auch schmunzelnd an jene längst vergangenen Zeiten, als die Zufahrt zur Heilmannstraße in Pullach - dem Sitz des BND - noch weiträumig abgesperrt war und Warntafeln in deutsch und englisch Kraftfahrern geboten, "bei Dunkelheit das Licht aus- und im Wageninnern einzuschalten". Wehmütig gedenkt er der Tage, in denen im BND noch nicht Parteibücher, sondern Leistung über die Neubesetzung von Spitzenpositionen entschied. "Marx" schreibt: "Diese ganze unerfreuliche Entwicklung wurde - das muß um der Wahrheit willen festgehalten werden - durch Ehmke als Amtschef im Bundeskanzleramt eingeleitet. Und es bedurfte keiner prophetischen Gaben, um vorauszusagen, daß die Quittung beim nächsten Machtwechsel . . . prompt präsentiert werden würde . . . Die neue Koalition in Bonn wechselte die Spitzenpositionen nach parteipolitischen Gesichtspunkten aus . . ."

"Marx" arbeitete nicht nur in der Pullacher Zentrale des BND. Wenige Jahre vor dem Sturz des Schahs in Persien lebte er als Mitarbeiter der Residentur des BND in Teheran. Der Leiter des berüchtigten Schah-Geheimdienstes Savak forderte ihn auf, Erkenntnisse über in der Bundesrepublik lebende persische Oppositionelle zu beschaffen. Ebenso wie heute der Nachfolgeorganisation des Savak, der Savama, die immer wieder ähnliche Wünsche an den BND heranträgt, war es den Iranern wohl auch damals nicht klar, daß der BND ausschließlich für die Auslandsaufklärung zuständig ist und vom Kölner Verfassungsschutz Erkenntnisse nicht abfragen und an Dritte weiterleiten darf. So ist "Marx" der Aufenthalt in Teheran in unrühmlicher Erinnerung geblieben. Unangenehm berührt war er, wenn er als Gastgeber eines Empfanges in Teheran von einem verspäteten Gast die Entschuldigung hören mußte, er habe noch in Evin zu tun gehabt. Im berüchtigten Evin-Gefängnis des Savak wurden die Gegner des Schahs zu Tode gefoltert. Seine Frau warf ihm daher vor: "Bisher waren wir so stolz darauf, daß über unsere Schwelle nur Menschen kamen, die uns beiden sympathisch waren. Und hier zwingst du mich, zu Leuten nett zu sein, die ich nicht einmal mit der Kneifzange anfassen möchte."

"Marx" ist sich darüber im klaren, daß er in seinen 34 Dienstjahren nicht nur Rühmliches vollbracht hat: "Was die Politik offen zu tun nicht in der Lage ist oder auch nicht tun will, legt sie mit mehr oder weniger Vertrauen auf eine Erledigung in ihrem Sinne in die Hände ihrer Geheimdienste." Für die Zukunft wünscht sich "Marx" vom BND die Reduzierung von Legenden und Tarnnamen auf das Notwendige und von der Öffentlichkeit "ein wenig mehr Anerkennung . . ., ein wenig mehr Verständnis für die Notwendigkeit, Konspiration zu wahren, und ein wenig mehr Vertrauen in das Funktionieren der Kontrolle durch die damit befaßten Verfassungsorgane".

UDO ULFKOTTE

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