»Der größte Taschenbuch-Verleger Europas.« Joachim Kaiser
Heinz Friedrich (1922-2004) war ein Grandseigneur unter den deutschen Verlegern und Essayisten. Nicht weniger als sieben Berufe übte er erfolgreich aus, ohne Studium oder Berufsausbildung.
In seiner Autobiographie schildert er seine Jugendzeit in einem kleinen hessischen Dorf, Gymnasium und Kulturleben in Darmstadt, die prägenden Kriegserlebnisse als Soldat an der Ostfront mit lebensgefährlichen Verwundungen, die »Stunde Null« auf dem Trümmerfeld Europa und seine existentielle Sehnsucht nach Bildung und Humanität.
Ausführlich wird der kulturelle Wiederaufbau beschrieben, an dem sich Heinz Friedrich intensiv beteiligte - als Journalist, Schriftsteller, Gründer einer Künstlervereinigung, Redakteur beim Hessischen Rundfunk, Mitglied der »Gruppe 47«, Cheflektor im S. Fischer Verlag, Programmdirektor von Radio Bremen und Verleger des Deutschen Taschenbuch Verlags. Damit ist diese Lebensgeschichte zugleich eine hochrangige Dokumentation der Kultur-und Geistesgeschichte der Nachkriegszeit.
»Ein Mann, der - als Kritiker, Redakteur, Verlagsherr und Präsident - ein Leben lang Schlösser aufgesperrt hat: Schlösser zum Reich der Literatur.« Walter Jens
»Der größte Taschenbuch Verleger Europas.« Joachim Kaiser
»Ich habe gegen meine Verleger allerlei einzuwenden, auch ich fühle mich nicht selten arg vernachlässigt, aber nicht von Heinz Friedrich. Er hat sich immer wieder bewährt als humaner Verleger, aufmerksamer Gesprächspartner und, vor allem, als Freund und Kollege.« Marcel Reich-Ranicki
Heinz Friedrich (1922-2004) war ein Grandseigneur unter den deutschen Verlegern und Essayisten. Nicht weniger als sieben Berufe übte er erfolgreich aus, ohne Studium oder Berufsausbildung.
In seiner Autobiographie schildert er seine Jugendzeit in einem kleinen hessischen Dorf, Gymnasium und Kulturleben in Darmstadt, die prägenden Kriegserlebnisse als Soldat an der Ostfront mit lebensgefährlichen Verwundungen, die »Stunde Null« auf dem Trümmerfeld Europa und seine existentielle Sehnsucht nach Bildung und Humanität.
Ausführlich wird der kulturelle Wiederaufbau beschrieben, an dem sich Heinz Friedrich intensiv beteiligte - als Journalist, Schriftsteller, Gründer einer Künstlervereinigung, Redakteur beim Hessischen Rundfunk, Mitglied der »Gruppe 47«, Cheflektor im S. Fischer Verlag, Programmdirektor von Radio Bremen und Verleger des Deutschen Taschenbuch Verlags. Damit ist diese Lebensgeschichte zugleich eine hochrangige Dokumentation der Kultur-und Geistesgeschichte der Nachkriegszeit.
»Ein Mann, der - als Kritiker, Redakteur, Verlagsherr und Präsident - ein Leben lang Schlösser aufgesperrt hat: Schlösser zum Reich der Literatur.« Walter Jens
»Der größte Taschenbuch Verleger Europas.« Joachim Kaiser
»Ich habe gegen meine Verleger allerlei einzuwenden, auch ich fühle mich nicht selten arg vernachlässigt, aber nicht von Heinz Friedrich. Er hat sich immer wieder bewährt als humaner Verleger, aufmerksamer Gesprächspartner und, vor allem, als Freund und Kollege.« Marcel Reich-Ranicki
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2006Von der Kunst, andere zu begeistern
Zwei Jahre nach seinem Tod erscheinen die Lebenserinnerungen des dtv-Verlegers Heinz Friedrich
Mit Darmstadt fängt es an, dieses Leben. Dieses Leben eines Buchbegeisterten, eines Kulturvermittlers und Lesemannes, wie es nicht viele gab im Deutschland des letzten Jahrhunderts. Das Leben von Heinz Friedrich, Gründungsmitglied der Gruppe 47, jüngster Feuilletonchef in Deutschland nach dem Krieg, Gründungsverleger des Verlagshauses, das binnen kürzester Zeit unter seiner Führung zum größten europäischen Taschenbuchverlag werden sollte, von dtv. Er hat sein Leben aufgeschrieben, das Buch, das er nicht mehr vollenden konnte, erscheint jetzt, zwei Jahre nach seinem Tod, unter dem zurückhaltenden Titel "Erlernter Beruf: Keiner", in seinem Verlag.
Mit Darmstadt also: "Meine Stadt - was war sie, wer war sie? Darmstadt, die Residenzstadt, am Rande des Odenwaldes und am Beginn der Bergstraße gelegen, hatte urbanes Gemüt und musischen Stil. Provinz fand hier nicht statt. Darmstadt mußte nicht protzen mit seinen Vorzügen, es hatte sie. Und diese Vorzüge sprachen für sich." Es ist seine Heimat, seine Lebensgrundlage. Und wenn er über den letzten regierenden Großherzog von Hessen und bei Rhein, über Ernst Ludwig, schreibt, dann klingt es ein wenig, als würde er auch, in aller Bescheidenheit, ein wenig über sich selbst schreiben, über das Darmstädterische in ihm: "Er war ein musischer Mensch, weltoffen und vielseitig interessiert, begeisterungsfähig und intelligent auf jene gewitzte Weise, die den gebürtigen Darmstädter auszeichnet."
Friedrich selbst wuchs knapp neben Darmstadt auf, in dem kleinen Städtchen Roßdorf, ganz in der Nähe. Darmstadt war die große Stadt, das Gymnasium, die Bücher, das Theater. Im Alter von sechs Jahren macht er, zusammen mit seiner Volksschulklasse, seinen ersten Theaterausflug, mit dem Zug, hinein in die Stadt, ins prächtige Landestheater. Es gibt "Peterchens Mondfahrt", und als Peterchen am Ende des Stücks, täuschend echt, mit einer Kanone auf den Mond geschossen wird, ist der kleine Heinz Friedrich für diese Welt verloren. Er träumt sich auf den Mond hinauf, auf die Theaterbühne, in das Stück hinein, in eine neue Welt. Er träumt und träumt, bis schließlich ein Logendiener zu ihm sagt: "Jetzt mach awwer, daß de zu de annern kimmst." Denn er ist längst allein im Saal. Seine Klasse ist fort, längst schon am Bahnhof. Was für ein Schock. Ein Kulturschock für immer. Zauberwelt und Einsamkeit. Sich verlieren im Theater, in den Büchern - aber nicht zu lange, nicht zu tief, sonst sitzt man ganz allein.
Schlau wie Willi
So geht das Leben weiter. Sein Zentrum ist die Landesbibliothek im Darmstädter Schloß, seine Mutter macht sich Sorgen, ihr Sohn könne wunderlich werden, mit all der Leserei, und hält ihm immer einen Verwandten als warnendes Beispiel vor Augen, der, als Hallodri verschrien, ohne Geld, nur ganz dem Geiste lebt: "Du werst wie de Onkel Willi!" war ihr steter Warnruf an den Sohn. Doch der las weiter. Als die Nazis die Macht übernehmen, ist er noch nicht mal elf. Die Welt um ihn herum verändert sich langsam, und etwas später erzählt er von einem eleganten Herrn, dem er täglich in der Bibliothek begegnet, wo dieser eifrig in den Katalogen blättert. Er fragt die Bibliothekarin, wer das sei, und sie erklärt flüsternd, das sei der frühere Direktor des Hauses, Herr Eppelsheimer, der 1933 entlassen worden sei und der nun an einer Weltgeschichte der Literatur arbeite. "Nachdem ich dies wußte, begegnete ich ihm mit besonderer Höflichkeit", schreibt Friedrich.
Mit achtzehn muß er in den Krieg, nach Osten. Er kommt nach Warschau, sieht das Getto, das seine Kameraden unbedingt besichtigen wollen. Sie reißen "Stürmer-Witze über die traurigen Gestalten, die sich hier wie eine Menschenherde am Gatter drängten". Friedrich fühlt sich ohnmächtig. Was kann er tun. "Schließlich hatte man mich auch gegen meinen Willen in eine Uniform gesteckt und mich zum Exerzieren und zum Marschieren und zum Schießen gezwungen." Sein Mitgefühl solidarisiert sich mit den Geschundenen, schreibt er, "aber ich war nun einmal auf der anderen Seite und mußte tun, was diese Seite von mir erwartete". Friedrich ist kein Held. Der Schriftsteller Alfred Andersch, der im Sommer 1944 aus der Wehrmacht desertiert war, hat ihn nach dem Krieg einmal gefragt: "Haben Sie jemals im Krieg daran gedacht zu desertieren?" Und Friedrich, der damals von Anderschs eigener Desertion noch nichts wußte, antwortete: "Der Gedanke ist mir nie gekommen. Ich hatte ja auch gar keine Alternative. Auf der anderen Seite lagen die Russen. Und zu denen überzulaufen, erschien uns schlimmer als die Todesgefahr in den eigenen Reihen. Nicht zuletzt aber beschämte mich allein schon der Gedanke, mich aus der Verantwortung für die Gemeinschaft gleichsam hinauszustehlen." Und Andersch, überlegen, freundlich resigniert, antwortet ihm: "Man merkt, Sie sind acht Jahre jünger als ich. Sie kommen aus einer anderen Welt. Sie dachten nicht nach."
Arrogant wie Andersch
Was für eine erstaunliche Arroganz des kühlen Intellektuellen, der mit seinem Aufbruchs- und Abräumerpathos nach dem Krieg mit dafür verantwortlich war, daß die emigrierten Schriftsteller in Westdeutschland keine Chance mehr bekamen. Friedrich hat ihn aus der Ferne bewundert, oft mit ihm gestritten. Er verdankte Andersch viel, seine erste Anstellung beim Hessischen Rundfunk, seine Einladung zum ersten Treffen der Gruppe 47, als die noch gar nicht so hieß, als die jungen Schriftsteller gemeinsam nackt badeten und den Worten des greisen Rudolf Alexander Schröder lauschten, wie Worten aus einer anderen Welt, die sie nicht mehr verstanden und nicht mehr verstehen wollten.
Das Leben von Heinz Friedrich nach dem Krieg liest sich wie die Geschichte von "Heinz im Glück". Sie hatten ihn schon aus dem Zug werfen wollen, auf der Fahrt zurück in die Heimat, weil sie ihn für tot hielten. So schwer verwundet und abgemagert war er gewesen. Aber er kam heim, ins ausradierte Darmstadt, nach Roßdorf, und wurde gesund. Gründete nach kürzester Zeit zusammen mit seiner jungen Frau die "Freie Darmstädter Künstlervereinigung", wurde Feuilletonchef der "Epoche", ging zum Rundfunk und stieg schließlich als Leiter der Fischer-Bücherei in die Verlagswelt ein. Er war ein Genie der Begeisterung und der Kunst, andere zu begeistern. Der Auftrag, der erste Verleger des Deutschen Taschenbuchverlages zu werden, wurde sein Lebensauftrag. Er hat diesen Verlag zu einer unverzichtbaren Institution des deutschen Geisteslebens gemacht. Schon vor der Auslieferung des ersten Programmes liefen eine Million Bestellungen ein. Es war Pionierzeit, damals, Anfang der 60er Jahre, und Friedrich war einer der mutigsten und weitsichtigsten jener Pioniere. Leider endet sein Buch hier, kurz vor der Zeit, in der er dtv aufbaute. Friedrich starb, einen Tag vor seinem zweiundachtzigsten Geburtstag, und konnte sein Lebensbuch nicht mehr vollenden.
Die Darmstädter Lebenszuversicht hat er sich bis zum Schluß bewahrt. Ganz am Ende dichtet er über das Alter: "Kürzer die Jahre / länger die Tage. / Sie zu leben, / ohne Zukunft, / aber vertrauend / auf Ewigkeiten / - das genügt."
VOLKER WEIDERMANN
Heinz Friedrich: "Erlernter Beruf: Keiner". Erinnerungen an das 20. Jahrhundert. dtv, 464 Seiten, 16 Euro
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Zwei Jahre nach seinem Tod erscheinen die Lebenserinnerungen des dtv-Verlegers Heinz Friedrich
Mit Darmstadt fängt es an, dieses Leben. Dieses Leben eines Buchbegeisterten, eines Kulturvermittlers und Lesemannes, wie es nicht viele gab im Deutschland des letzten Jahrhunderts. Das Leben von Heinz Friedrich, Gründungsmitglied der Gruppe 47, jüngster Feuilletonchef in Deutschland nach dem Krieg, Gründungsverleger des Verlagshauses, das binnen kürzester Zeit unter seiner Führung zum größten europäischen Taschenbuchverlag werden sollte, von dtv. Er hat sein Leben aufgeschrieben, das Buch, das er nicht mehr vollenden konnte, erscheint jetzt, zwei Jahre nach seinem Tod, unter dem zurückhaltenden Titel "Erlernter Beruf: Keiner", in seinem Verlag.
Mit Darmstadt also: "Meine Stadt - was war sie, wer war sie? Darmstadt, die Residenzstadt, am Rande des Odenwaldes und am Beginn der Bergstraße gelegen, hatte urbanes Gemüt und musischen Stil. Provinz fand hier nicht statt. Darmstadt mußte nicht protzen mit seinen Vorzügen, es hatte sie. Und diese Vorzüge sprachen für sich." Es ist seine Heimat, seine Lebensgrundlage. Und wenn er über den letzten regierenden Großherzog von Hessen und bei Rhein, über Ernst Ludwig, schreibt, dann klingt es ein wenig, als würde er auch, in aller Bescheidenheit, ein wenig über sich selbst schreiben, über das Darmstädterische in ihm: "Er war ein musischer Mensch, weltoffen und vielseitig interessiert, begeisterungsfähig und intelligent auf jene gewitzte Weise, die den gebürtigen Darmstädter auszeichnet."
Friedrich selbst wuchs knapp neben Darmstadt auf, in dem kleinen Städtchen Roßdorf, ganz in der Nähe. Darmstadt war die große Stadt, das Gymnasium, die Bücher, das Theater. Im Alter von sechs Jahren macht er, zusammen mit seiner Volksschulklasse, seinen ersten Theaterausflug, mit dem Zug, hinein in die Stadt, ins prächtige Landestheater. Es gibt "Peterchens Mondfahrt", und als Peterchen am Ende des Stücks, täuschend echt, mit einer Kanone auf den Mond geschossen wird, ist der kleine Heinz Friedrich für diese Welt verloren. Er träumt sich auf den Mond hinauf, auf die Theaterbühne, in das Stück hinein, in eine neue Welt. Er träumt und träumt, bis schließlich ein Logendiener zu ihm sagt: "Jetzt mach awwer, daß de zu de annern kimmst." Denn er ist längst allein im Saal. Seine Klasse ist fort, längst schon am Bahnhof. Was für ein Schock. Ein Kulturschock für immer. Zauberwelt und Einsamkeit. Sich verlieren im Theater, in den Büchern - aber nicht zu lange, nicht zu tief, sonst sitzt man ganz allein.
Schlau wie Willi
So geht das Leben weiter. Sein Zentrum ist die Landesbibliothek im Darmstädter Schloß, seine Mutter macht sich Sorgen, ihr Sohn könne wunderlich werden, mit all der Leserei, und hält ihm immer einen Verwandten als warnendes Beispiel vor Augen, der, als Hallodri verschrien, ohne Geld, nur ganz dem Geiste lebt: "Du werst wie de Onkel Willi!" war ihr steter Warnruf an den Sohn. Doch der las weiter. Als die Nazis die Macht übernehmen, ist er noch nicht mal elf. Die Welt um ihn herum verändert sich langsam, und etwas später erzählt er von einem eleganten Herrn, dem er täglich in der Bibliothek begegnet, wo dieser eifrig in den Katalogen blättert. Er fragt die Bibliothekarin, wer das sei, und sie erklärt flüsternd, das sei der frühere Direktor des Hauses, Herr Eppelsheimer, der 1933 entlassen worden sei und der nun an einer Weltgeschichte der Literatur arbeite. "Nachdem ich dies wußte, begegnete ich ihm mit besonderer Höflichkeit", schreibt Friedrich.
Mit achtzehn muß er in den Krieg, nach Osten. Er kommt nach Warschau, sieht das Getto, das seine Kameraden unbedingt besichtigen wollen. Sie reißen "Stürmer-Witze über die traurigen Gestalten, die sich hier wie eine Menschenherde am Gatter drängten". Friedrich fühlt sich ohnmächtig. Was kann er tun. "Schließlich hatte man mich auch gegen meinen Willen in eine Uniform gesteckt und mich zum Exerzieren und zum Marschieren und zum Schießen gezwungen." Sein Mitgefühl solidarisiert sich mit den Geschundenen, schreibt er, "aber ich war nun einmal auf der anderen Seite und mußte tun, was diese Seite von mir erwartete". Friedrich ist kein Held. Der Schriftsteller Alfred Andersch, der im Sommer 1944 aus der Wehrmacht desertiert war, hat ihn nach dem Krieg einmal gefragt: "Haben Sie jemals im Krieg daran gedacht zu desertieren?" Und Friedrich, der damals von Anderschs eigener Desertion noch nichts wußte, antwortete: "Der Gedanke ist mir nie gekommen. Ich hatte ja auch gar keine Alternative. Auf der anderen Seite lagen die Russen. Und zu denen überzulaufen, erschien uns schlimmer als die Todesgefahr in den eigenen Reihen. Nicht zuletzt aber beschämte mich allein schon der Gedanke, mich aus der Verantwortung für die Gemeinschaft gleichsam hinauszustehlen." Und Andersch, überlegen, freundlich resigniert, antwortet ihm: "Man merkt, Sie sind acht Jahre jünger als ich. Sie kommen aus einer anderen Welt. Sie dachten nicht nach."
Arrogant wie Andersch
Was für eine erstaunliche Arroganz des kühlen Intellektuellen, der mit seinem Aufbruchs- und Abräumerpathos nach dem Krieg mit dafür verantwortlich war, daß die emigrierten Schriftsteller in Westdeutschland keine Chance mehr bekamen. Friedrich hat ihn aus der Ferne bewundert, oft mit ihm gestritten. Er verdankte Andersch viel, seine erste Anstellung beim Hessischen Rundfunk, seine Einladung zum ersten Treffen der Gruppe 47, als die noch gar nicht so hieß, als die jungen Schriftsteller gemeinsam nackt badeten und den Worten des greisen Rudolf Alexander Schröder lauschten, wie Worten aus einer anderen Welt, die sie nicht mehr verstanden und nicht mehr verstehen wollten.
Das Leben von Heinz Friedrich nach dem Krieg liest sich wie die Geschichte von "Heinz im Glück". Sie hatten ihn schon aus dem Zug werfen wollen, auf der Fahrt zurück in die Heimat, weil sie ihn für tot hielten. So schwer verwundet und abgemagert war er gewesen. Aber er kam heim, ins ausradierte Darmstadt, nach Roßdorf, und wurde gesund. Gründete nach kürzester Zeit zusammen mit seiner jungen Frau die "Freie Darmstädter Künstlervereinigung", wurde Feuilletonchef der "Epoche", ging zum Rundfunk und stieg schließlich als Leiter der Fischer-Bücherei in die Verlagswelt ein. Er war ein Genie der Begeisterung und der Kunst, andere zu begeistern. Der Auftrag, der erste Verleger des Deutschen Taschenbuchverlages zu werden, wurde sein Lebensauftrag. Er hat diesen Verlag zu einer unverzichtbaren Institution des deutschen Geisteslebens gemacht. Schon vor der Auslieferung des ersten Programmes liefen eine Million Bestellungen ein. Es war Pionierzeit, damals, Anfang der 60er Jahre, und Friedrich war einer der mutigsten und weitsichtigsten jener Pioniere. Leider endet sein Buch hier, kurz vor der Zeit, in der er dtv aufbaute. Friedrich starb, einen Tag vor seinem zweiundachtzigsten Geburtstag, und konnte sein Lebensbuch nicht mehr vollenden.
Die Darmstädter Lebenszuversicht hat er sich bis zum Schluß bewahrt. Ganz am Ende dichtet er über das Alter: "Kürzer die Jahre / länger die Tage. / Sie zu leben, / ohne Zukunft, / aber vertrauend / auf Ewigkeiten / - das genügt."
VOLKER WEIDERMANN
Heinz Friedrich: "Erlernter Beruf: Keiner". Erinnerungen an das 20. Jahrhundert. dtv, 464 Seiten, 16 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Überaus lobend äußert sich Klaus G. Saur über diese Autobiografie Heinz Friedrichs, des Gründers des Deutschen Taschenbuch Verlags, die der 2004 verstorbene Verleger aber nicht mehr ganz abschließen konnte. Wie er berichtet, stammt der Hauptteil des Buchs, die Schilderung von Friedrichs Leben bis in die fünfziger Jahre, vom Autor selbst. Ergänzt werde das Buch von drei Kapiteln, die auf seinen Aufzeichnungen basieren, und die unter anderem seine Rolle als Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste von 1983 bis 1995 beleuchten. Saur zeigt sich vor allem von der Schilderung der Kriegs- und Nachkriegszeit berührt. Instruktiv findet er Friedrichs Beschreibung seiner ersten Begegnungen mit Gottfried Benn, Ludwig Klages und Alfred Andersch sowie der Gründung des Deutschen Taschenbuch Verlags. Insgesamt schätzt er das Werk als "wunderbar geschriebenes Buch", das ein "halbes Jahrhundert Geistesgeschichte" mit "großen Personenporträts" verbindet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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