Ernst Jünger - der umstrittenste Schriftsteller des 20. Jahrhunderts
Der Schriftsteller Ernst Jünger war eine Jahrhundertgestalt. Geboren im Kaiserreich und gestorben erst nach der Wiedervereinigung , spiegelt sein Leben wie kaum ein zweites die zentralen Wendungen und Widersprüche der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Zehn Jahre nach Jüngers Tod schildert Helmuth Kiesel lebendig und kenntnisreich Jüngers Leben und Werk im Kontext seiner Zeit.
Ernst Jünger (1895-1998) hat stets polarisiert und fasziniert, weil er sich in kein Schema fügt: Er war ein typischer Bildungsbürger und zugleich ein Feind des Bürgertums. Er war ein unermüdlicher Arbeiter und experimentierte mit Drogen. Er galt als der Exponent des rechten Konservatismus und wurde trotzdem für manche Achtundsechziger "eine Art Geheimtipp, umgeben von der Aura des intellektuell Obszönen", wie Joschka Fischer einmal bemerkte.
Berühmt und berüchtigt sind Jüngers ästhetisierende Darstellungen von Krieg und Gewalt, die ihm den Ruf einbrachten, ein Militarist zu sein und dem Nationalsozialismus den Weg bereitet zu haben. In der Tat vertrat Jünger in den zwanziger Jahren extreme nationalistische und anti-liberale Positionen, vom NS-Regime distanzierte er sich jedoch schon vor Hitlers Machtübernahme im Jahr 1933. In seiner Biographie entwirft Helmuth Kiesel ein neues Bild dieser großen Reizfigur des 20. Jahrhunderts. Er führt die intellektuelle und ästhetische Reichhaltigkeit seiner Schriften vor Augen, ohne deren brisante politische Implikationen zu unterschlagen. Die erste Biographie, die den umstrittensten deutschen Autor weder hofiert noch verteufelt - sondern ihm im wahrsten Sinne des Wortes gerecht wird.
Der Schriftsteller Ernst Jünger war eine Jahrhundertgestalt. Geboren im Kaiserreich und gestorben erst nach der Wiedervereinigung , spiegelt sein Leben wie kaum ein zweites die zentralen Wendungen und Widersprüche der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Zehn Jahre nach Jüngers Tod schildert Helmuth Kiesel lebendig und kenntnisreich Jüngers Leben und Werk im Kontext seiner Zeit.
Ernst Jünger (1895-1998) hat stets polarisiert und fasziniert, weil er sich in kein Schema fügt: Er war ein typischer Bildungsbürger und zugleich ein Feind des Bürgertums. Er war ein unermüdlicher Arbeiter und experimentierte mit Drogen. Er galt als der Exponent des rechten Konservatismus und wurde trotzdem für manche Achtundsechziger "eine Art Geheimtipp, umgeben von der Aura des intellektuell Obszönen", wie Joschka Fischer einmal bemerkte.
Berühmt und berüchtigt sind Jüngers ästhetisierende Darstellungen von Krieg und Gewalt, die ihm den Ruf einbrachten, ein Militarist zu sein und dem Nationalsozialismus den Weg bereitet zu haben. In der Tat vertrat Jünger in den zwanziger Jahren extreme nationalistische und anti-liberale Positionen, vom NS-Regime distanzierte er sich jedoch schon vor Hitlers Machtübernahme im Jahr 1933. In seiner Biographie entwirft Helmuth Kiesel ein neues Bild dieser großen Reizfigur des 20. Jahrhunderts. Er führt die intellektuelle und ästhetische Reichhaltigkeit seiner Schriften vor Augen, ohne deren brisante politische Implikationen zu unterschlagen. Die erste Biographie, die den umstrittensten deutschen Autor weder hofiert noch verteufelt - sondern ihm im wahrsten Sinne des Wortes gerecht wird.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2007Risse, Küsse, Bisse
Bringt das Leid der Dichter das Glück der Buchmesse?
Wem auf Erden nicht zu helfen ist, der wird auch auf der Buchmesse nicht glücklich. Wenn wir uns Heinrich von Kleist nur für eine Sekunde in einer der Messehallen vorstellen, fällt uns sofort jener berühmte Satz ein, den Kleist an seinen Schwager schrieb: "Ich bitte Gott um den Tod und dich um Geld." Kürzer und drastischer ist das Künstlerdrama der zwischen Erlösungssehnsucht und Verarmungsangst, zwischen Transzendenz und schnödem Diesseits hin und her geworfenen Dichterseele nicht auf den Punkt zu bringen. Gleich drei Biographien versuchen in diesem Bücherherbst das Phänomen Kleist zu erhellen. Knapp und solide tut dies Herbert Kraft ("Kleist". Leben und Werk, Aschendorff Verlag), während Jens Bisky mit Leidenschaft und feuilletonistischem Schwung Kleist zum "größten politischen Dichter der Deutschen" ausruft und nachzeichnet, welch heikle Konstellationen die Ideale der Aufklärung und der Französischen Revolution in Kleists Leben und Werk eingingen ("Kleist". Rowohlt Berlin). Mehr dem Leben als dem Werk gilt das Interesse von Gerhard Schulz ("Kleist". Eine Biographie, C. H. Beck), der manches Rätsel auf dem Lebensweg des Dichters, etwa die nebulöse Würzburg-Reise, wie einen Luftballon behandelt: Leichthändig lässt er die Luft heraus. Bei aller kalten Logik im Lebensdetail wahrt Schulz aber den Respekt vor dem Rätselhaften der Gesamtexistenz.
Wenn Kleist es überhaupt auf einer Buchmesse aushalten könnte, dann also auf dieser. Allerdings müsste er ertragen, dass es noch weitere Dichterbiographien gibt: Helmuth Kiesel ("Ernst Jünger. Die Biographie", Siedler-Verlag) hat sich ebenso wie Heimo Schwilk ("Ernst Jünger", Piper) einer Jahrhundertfigur gewidmet, Holger Hof schildert Gottfried Benns "Leben in Bildern und Texten" (Klett-Cotta), und Thomas Karlaufs vielbeachtete Biographie eines charismatischen Charakters ("Stefan George", Blessing) setzt in der George-Forschung neue Maßstäbe. Die wichtigste Neuausgabe eines Klassikers gilt Stendhal: Elisabeth Edl hat "Die Kartause von Parma" (Hanser) glanzvoll neu übersetzt.
Dass man kein Dichter sein muss, um am Leben zu scheitern, beschreibt eindrucksvoll Katja Lange-Müller. Sie hat mit "Böse Schafe" (Kiepenheuer & Witsch) eine bitterzarte Liebesgeschichte geschrieben, von der schnoddrigsten Sentimentalität, mit geradezu selbstmörderischer Furchtlosigkeit vor Klischees und von großer Glaubwürdigkeit und Würde. Der Roman spielt im Berliner Sozialhilfe- und Fixermilieu der Vorwendezeit, und selten erschien das alte West-Berlin so klein, kaputt und reizlos wie hier. Umso erstaunlicher, welche Kraft Katja Lange-Müller in diese Liebesgeschichte zu legen vermag, von der bis zum Schluss nicht deutlich wird, ob es sich nicht doch nur um die mit Zähnen und Klauen verteidigte kleine Illusion eines großen Herzens handelt.
Derart realistische Schilderungen sozialer Milieus sind selten geworden in der deutschen Gegenwartsliteratur. Vor allem die Arbeitswelt jenseits schicker Werbeagenturen und polierter Redaktionsräume in den Hochglanzmagazinen kommt kaum noch vor. Das Romanpersonal der Gegenwart führt hauptberuflich ein Privatleben, der Job ist allenfalls Nebenbeschäftigung, gerade noch geeignet, die Figur in einem bestimmten Milieu zu verorten. Annette Pehnt stößt jetzt mit einer beklemmenden Charakterstudie von großer Virtuosität in diese Lücke. Ihr Roman "Mobbing" schildert mit der Intensität des Kammerspiels einen Fall, wie er sich im deutschen Büroalltag unzählige Male ereignet: Ein Angestellter kommt nicht mehr klar, nicht mit seiner Vorgesetzten, nicht mit seinen Kollegen. Er fühlt sich ausgebremst, geschnitten, kujoniert, erniedrigt, gedemütigt. Annette Pehnts entscheidender Kunstgriff liegt in der Wahl der Perspektive. Sie beschränkt sich allein auf die Ich-Erzählerin, die alles, was sie erfährt, von dem Opfer weiß. Und sie kann nichts relativieren oder in Frage stellen, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, sie würde dem Ehemann das verweigern, was er gerade jetzt am nötigsten braucht: die unbedingte Loyalität seiner Frau.
Annette Pehnts Buch gehört zu den seltenen Fällen, in denen eine Familiengeschichte ganz in der Gegenwart angesiedelt ist. Oft geht der Blick in diesem Bücherherbst zurück in die Vergangenheit. Michael Lentz leiht den deutschen Emigranten an der amerikanischen Westküste seine Stimme ("Pazifik Exil", S. Fischer), Erich Hackl spürt dem Schicksal Gisela Tenenbaums nach, die 1977 in der argentinischen Militärdiktatur spurlos verschwand ("Als ob ein Engel", Diogenes), und auch Julia Franck nimmt eine reale Begebenheit zum Anlass ihres neuen Buches: Der Vater der Autorin wurde 1945 als Kind von der eigenen Mutter verlassen. Im Zentrum ihres Romans "Die Mittagsfrau" (S. Fischer) steht aber nicht das unglückliche Kind, sondern die Mutter. Über etwa vier Jahrzehnte hinweg schildert die siebenunddreißigjährige Autorin das Schicksal ihrer Hauptfigur, um spürbar werden zu lassen, wie es zu einer solchen unerhörten Handlung kommen konnte. Helenes Gefühle sind ausgelöscht, und Julia Franck erkundet behutsam, mit viel Geduld und großer erzählerischer Sorgfalt, wie es zu dieser Auslöschung kam.
Das große Geschichtspanorama hat Julia Franck, anders als der schon mit dem Titel ("Abendland", Hanser) weit ausgreifende Michael Köhlmeier, nicht im Sinn. Köhlmeier erweist sich als glänzender Erzähler, dem es jedoch leider erheblich an Ökonomie gebricht. Dass große Bücher Schwächen und Mängel aufweisen dürfen und dennoch große Bücher bleiben können, weiß jeder Leser. Und wer es nicht weiß, dem ist auf Erden und auf dieser Buchmesse leicht zu helfen. Er lese nur "Day" (Wagenbach), einen Roman über einen englischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg, geschrieben von der schottischen Autorin A. L. Kennedy, die 1965 das Licht der Welt erblickt hat, zweiundzwanzig Jahre nachdem Männer wie Alfred Day Städte wie Hamburg bombardiert und ein Loch in den Himmel gebrannt haben, das sich nie wieder schließen sollte.
HUBERT SPIEGEL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bringt das Leid der Dichter das Glück der Buchmesse?
Wem auf Erden nicht zu helfen ist, der wird auch auf der Buchmesse nicht glücklich. Wenn wir uns Heinrich von Kleist nur für eine Sekunde in einer der Messehallen vorstellen, fällt uns sofort jener berühmte Satz ein, den Kleist an seinen Schwager schrieb: "Ich bitte Gott um den Tod und dich um Geld." Kürzer und drastischer ist das Künstlerdrama der zwischen Erlösungssehnsucht und Verarmungsangst, zwischen Transzendenz und schnödem Diesseits hin und her geworfenen Dichterseele nicht auf den Punkt zu bringen. Gleich drei Biographien versuchen in diesem Bücherherbst das Phänomen Kleist zu erhellen. Knapp und solide tut dies Herbert Kraft ("Kleist". Leben und Werk, Aschendorff Verlag), während Jens Bisky mit Leidenschaft und feuilletonistischem Schwung Kleist zum "größten politischen Dichter der Deutschen" ausruft und nachzeichnet, welch heikle Konstellationen die Ideale der Aufklärung und der Französischen Revolution in Kleists Leben und Werk eingingen ("Kleist". Rowohlt Berlin). Mehr dem Leben als dem Werk gilt das Interesse von Gerhard Schulz ("Kleist". Eine Biographie, C. H. Beck), der manches Rätsel auf dem Lebensweg des Dichters, etwa die nebulöse Würzburg-Reise, wie einen Luftballon behandelt: Leichthändig lässt er die Luft heraus. Bei aller kalten Logik im Lebensdetail wahrt Schulz aber den Respekt vor dem Rätselhaften der Gesamtexistenz.
Wenn Kleist es überhaupt auf einer Buchmesse aushalten könnte, dann also auf dieser. Allerdings müsste er ertragen, dass es noch weitere Dichterbiographien gibt: Helmuth Kiesel ("Ernst Jünger. Die Biographie", Siedler-Verlag) hat sich ebenso wie Heimo Schwilk ("Ernst Jünger", Piper) einer Jahrhundertfigur gewidmet, Holger Hof schildert Gottfried Benns "Leben in Bildern und Texten" (Klett-Cotta), und Thomas Karlaufs vielbeachtete Biographie eines charismatischen Charakters ("Stefan George", Blessing) setzt in der George-Forschung neue Maßstäbe. Die wichtigste Neuausgabe eines Klassikers gilt Stendhal: Elisabeth Edl hat "Die Kartause von Parma" (Hanser) glanzvoll neu übersetzt.
Dass man kein Dichter sein muss, um am Leben zu scheitern, beschreibt eindrucksvoll Katja Lange-Müller. Sie hat mit "Böse Schafe" (Kiepenheuer & Witsch) eine bitterzarte Liebesgeschichte geschrieben, von der schnoddrigsten Sentimentalität, mit geradezu selbstmörderischer Furchtlosigkeit vor Klischees und von großer Glaubwürdigkeit und Würde. Der Roman spielt im Berliner Sozialhilfe- und Fixermilieu der Vorwendezeit, und selten erschien das alte West-Berlin so klein, kaputt und reizlos wie hier. Umso erstaunlicher, welche Kraft Katja Lange-Müller in diese Liebesgeschichte zu legen vermag, von der bis zum Schluss nicht deutlich wird, ob es sich nicht doch nur um die mit Zähnen und Klauen verteidigte kleine Illusion eines großen Herzens handelt.
Derart realistische Schilderungen sozialer Milieus sind selten geworden in der deutschen Gegenwartsliteratur. Vor allem die Arbeitswelt jenseits schicker Werbeagenturen und polierter Redaktionsräume in den Hochglanzmagazinen kommt kaum noch vor. Das Romanpersonal der Gegenwart führt hauptberuflich ein Privatleben, der Job ist allenfalls Nebenbeschäftigung, gerade noch geeignet, die Figur in einem bestimmten Milieu zu verorten. Annette Pehnt stößt jetzt mit einer beklemmenden Charakterstudie von großer Virtuosität in diese Lücke. Ihr Roman "Mobbing" schildert mit der Intensität des Kammerspiels einen Fall, wie er sich im deutschen Büroalltag unzählige Male ereignet: Ein Angestellter kommt nicht mehr klar, nicht mit seiner Vorgesetzten, nicht mit seinen Kollegen. Er fühlt sich ausgebremst, geschnitten, kujoniert, erniedrigt, gedemütigt. Annette Pehnts entscheidender Kunstgriff liegt in der Wahl der Perspektive. Sie beschränkt sich allein auf die Ich-Erzählerin, die alles, was sie erfährt, von dem Opfer weiß. Und sie kann nichts relativieren oder in Frage stellen, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, sie würde dem Ehemann das verweigern, was er gerade jetzt am nötigsten braucht: die unbedingte Loyalität seiner Frau.
Annette Pehnts Buch gehört zu den seltenen Fällen, in denen eine Familiengeschichte ganz in der Gegenwart angesiedelt ist. Oft geht der Blick in diesem Bücherherbst zurück in die Vergangenheit. Michael Lentz leiht den deutschen Emigranten an der amerikanischen Westküste seine Stimme ("Pazifik Exil", S. Fischer), Erich Hackl spürt dem Schicksal Gisela Tenenbaums nach, die 1977 in der argentinischen Militärdiktatur spurlos verschwand ("Als ob ein Engel", Diogenes), und auch Julia Franck nimmt eine reale Begebenheit zum Anlass ihres neuen Buches: Der Vater der Autorin wurde 1945 als Kind von der eigenen Mutter verlassen. Im Zentrum ihres Romans "Die Mittagsfrau" (S. Fischer) steht aber nicht das unglückliche Kind, sondern die Mutter. Über etwa vier Jahrzehnte hinweg schildert die siebenunddreißigjährige Autorin das Schicksal ihrer Hauptfigur, um spürbar werden zu lassen, wie es zu einer solchen unerhörten Handlung kommen konnte. Helenes Gefühle sind ausgelöscht, und Julia Franck erkundet behutsam, mit viel Geduld und großer erzählerischer Sorgfalt, wie es zu dieser Auslöschung kam.
Das große Geschichtspanorama hat Julia Franck, anders als der schon mit dem Titel ("Abendland", Hanser) weit ausgreifende Michael Köhlmeier, nicht im Sinn. Köhlmeier erweist sich als glänzender Erzähler, dem es jedoch leider erheblich an Ökonomie gebricht. Dass große Bücher Schwächen und Mängel aufweisen dürfen und dennoch große Bücher bleiben können, weiß jeder Leser. Und wer es nicht weiß, dem ist auf Erden und auf dieser Buchmesse leicht zu helfen. Er lese nur "Day" (Wagenbach), einen Roman über einen englischen Soldaten im Zweiten Weltkrieg, geschrieben von der schottischen Autorin A. L. Kennedy, die 1965 das Licht der Welt erblickt hat, zweiundzwanzig Jahre nachdem Männer wie Alfred Day Städte wie Hamburg bombardiert und ein Loch in den Himmel gebrannt haben, das sich nie wieder schließen sollte.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.01.2008Der unfreiwillige Sieg des bürgerlichen Individuums
Das ist der Stoff aus Vaters Apotheke! Helmuth Kiesel und Heimo Schwilk betrachten Ernst Jünger aus der biographischen Enkelperspektive
Zeitlebens wünschte Ernst Jünger kein Bürger zu sein. Wohin das abenteuerliche Herz auch flüchtete – in den afrikanischen Dschungel der Fremdenlegion, in den Grabenkampf des Krieges oder in den Rausch des Drogenexperiments –, am Anfang stand stets der Auszug aus der bürgerlichen Welt. Zwar widerrief Ernst Jünger in seinen späten Aussteiger-Schriften, was der aktive Nihilist in der Zwischenkriegszeit so kräftig herbei geschrieben hatte – die „Totale Mobilmachung”; aber die Helden und Figuren, mit denen er sich im Laufe seines langen Lebens panzerte, blieben Typen jenseits der Bürgerlichkeit.
Mit „Stolz” hält der Nationalbolschewist Jünger – „rückblickend auf ein Jahrhundert deutscher Geschichte” – auf den ersten Seiten seines Theorie-Opus über den „Arbeiter” 1932 fest, „daß wir schlechte Bürger gewesen sind”. Der politische Publizist zog einen „Schlussstrich” unter das 19. Jahrhundert. An die Stelle des „Individuums”, der Zentralfigur der liberalen Gesellschaft, treten bei Jünger die „Gestalt” und der „Typus” des „Arbeiters”. Dieser Herold der Moderne erkennt das „höchste Glück” im Selbstopfer, spricht die „Elementarsprache” der Technik und ist so der technischen Mobilmachung gewachsen.
Am Vorabend seines zehnten Todestages (am 17. Februar 2008) kehrt der große Anti-Bürger nun zurück in „Gestalt” zweier voluminöser Biographien – ausgerechnet also in jener Gattung, die wie keine andere um das „Individuum” kreist. Der Triumph der Biographien auf dem Buchmarkt kündet vom zähen Fortleben jener bürgerlichen Gesellschaft, der Jünger in seiner aggressiven politischen Publizistik unaufhörlich den Totenschein ausstellte. Wie lässt sich Jüngers Gestaltwandel vom soldatischen „Typus” des literarischen „Arbeiters” zum exemplarischen großen Individuum und „Jahrhundertleben” lesen? Drückt sich darin das Fehlschlagen von Jüngers kühnen planetarischen Diagnosen aus – der unverhoffte Sieg des „Individuums” über den „Typus” –, oder müssen wir darin auch ein Zeichen für Jüngers eigene unfreiwillige Verbürgerlichung in der Rezeptionsgeschichte erkennen?
Jüngers neue Biographen, der Heidelberger Literaturwissenschaftler Helmuth Kiesel, Jahrgang 1947, und der Berliner Publizist Heimo Schwilk, Jahrgang 1952, schreiben aus der Enkelperspektive. Man hat in ersten Kritiken die beiden Biographen scharf gegenübergestellt – hier der mitreißende Publizist Schwilk, der Jüngers „Jahrhundertleben” in szenisch anschauungsreichen Kapiteln entfalte, dort der reservierte Professor Kiesel, der sich stupide Jüngers Werk widme und sich in akademischen Forschungskontexten verliere. Ohne Frage zeichnet Schwilk das schärfere Charakterprofil. Er folgt Jünger nicht nur auf dem literarisch stilisierten Hauptweg seines Werkes, sondern auch auf den abgeschatteten Seitenpfaden, in die Bordelle des Krieges oder in den Drogenrausch.
Schwilk verschweigt an keiner Stelle seine starke Sympathie für Jünger. Aber die vor dem bürgerlichen Wertehimmel „verkrachte” Existenz Jünger tritt auch bei ihm deutlich hervor – das uneheliche Kind, der für sein Leben lang traumatisierte Schüler, der elfmal die Schule wechseln muss, der Studienabbrecher und umherschweifende Haschrebell der zwanziger Jahre, der sich in Vaters Apotheke mit Stoff versorgt.
Kiesel hält sich strenger an Jüngers Werk. Worauf er sich glänzend versteht, ist die Arbeit am Text. Der Philologe deckt Jüngers „Metaphernsysteme” auf und zeigt, wie Jünger in seiner „Bearbeitungsmanie” immer wieder seine Schriften retuschierte. Deutlich wird Kiesels Bemühen, Jünger fest in der literarischen Moderne zu verorten. Man kann sicher sein, dass auf jedes noch so anstößige nationalistische oder antiliberale Jünger-Zitat im gleichen Atemzug ein sinnverwandtes Zitat von Benjamin, Brecht oder einem anderen klassischen Modernen folgt – das Jünger wieder in den ästhetischen Verfassungsbogen einfängt. Hier übt sich ein um „sachliche Würdigung” bemühter Literaturwissenschaftler, der schnelle Urteile scheut und Einseitigkeiten unbedingt zu vermeiden versucht, am „stereoskopischen” Blick seines Helden.
Kiesels Biographie ist ganz aus der akademischen Jünger-Forschung der letzten Jahre erwachsen. Ein wenig meint er es immer zu gut mit seinem Helden. Recht anachronistisch verteilt er seine akademischen Prämien. Ausgerechnet in der allegorisch verschwiemelten Thematisierung der Judenverfolgung in dem „Weltroman” „Heliopolis”, den berühmten „Parsen”, die den uneinsichtigen Carl Schmitt so erregten, sieht Kiesel bei Jünger schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit den „universalistischen” Ansatz der neuen deutschen Weltbürgerkriegshistoriker vorweggenommen.
Auch wenn der Publizist Schwilk an vielen Stellen Jüngers „Rabaukenton” besser trifft, sollten wir die beiden Biographien aber nicht für den billigen antiintellektuellen Affekt nutzen, um einmal mehr Jüngers Leben gegen das Werk auszuspielen. „Sie wird ersetzen das Wort durch die Tat, die Tinte durch das Blut, die Phrase durch das Opfer, die Feder durch das Schwert” – skandierte Jünger 1923 in einem Revolutionsbekenntnis im Völkischen Beobachter. Bis heute gefällt sich der Pop-Diskurs mit abenteuerlichen Posen darin, diese alte Front auf kleiner friedlicher Flamme in immer neuen Schleifen nachzuplappern. Was Kiesel und Schwilk dagegen bei allem unterschiedlichen rhetorischen Temperament verbindet, ist der Versuch, eine Biographie ganz aus den Quellen und neueren Forschungen zu schreiben, die sich stark unterscheidet von dem ideologisch überhitzten Jünger-Gespräch der alten Bundesrepublik. In beiden Büchern ist Jünger nicht mehr länger eine Waffe im Literaturkampf. Vorbei sind die Zeiten, in der man sich mit Jüngers bösen Federn schmückte – wie Karl Heinz Bohrer 1978 in seiner Bielefelder Habilitation, um sich den „Schrecken” der Literatursoziologie im Besonderen und des bundesrepublikanischen Moralismus im Allgemeinen ästhetisch vom Leib zu halten.
Nach all den Debatten scheint die Jünger-Forschung heute in einem Interregnum angekommen zu sein. Es ist die Zeit des Ordnens und Sichtens der Bestände. Die neuen Biographien zeichnen sich weniger durch eine steile These als durch ihre ungeheure Materialfülle aus. Die ungeschminkte Rohmasse des Lebens tritt hinter der literarischen Gestalt wieder hervor. Ausgerechnet die wissenschaftlich rational geordnete Apothekerwelt seines Vaters, gegen die Ernst Jünger sein ganzes Leben innerlich rebellierte, scheint in den Annäherungen der intellektuellen Enkel wieder zu obsiegen: Der alte „magische Realist” liegt in der Hand der Positivisten.
Die neuen Detailstudien tragen zur Privatisierung und Entpolitisierung Jüngers bei. Wo man sich noch ein paar Jahrzehnte zuvor auf die verschiedenen Fassungen seines Kriegsepos „In Stahlgewittern” stürzte oder die Retuschen des „Arbeiters” aufspürte – mit denen Jünger nach dem giftigen Urteil seines alten Sekretärs „Arminius” Mohler sich den demokratischen Nachkriegssitten anzupassen versuchte –, da konzentriert man sich nun etwa auf die vielen Pseudonyme, mit denen Jünger, um den Ehefrieden zu retten, seine Pariser Geliebte Sophie Ravoux in den „Strahlungen” zum Verschwinden zu bringen versuchte.
Sogar vor der berüchtigten „Burgunderszene” – Jüngers nächtlicher Beobachtung eines Luftangriffes auf Paris vom Dach des Hotel „Raphael” mit einem „Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen, in der Hand” – wird nicht Halt gemacht. „Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in gewaltiger Schönheit, gleich einem Kelche, der zur tödlichen Befruchtung überflogen wird.” Handelt es sich etwa hier auch weniger um das Kriegsprotokoll eines ästhetischen Genüsslings – als um die „Symbolisierung” der gefährlich sich zuspitzenden Liebesaffäre mit seiner Pariser Freundin? In seinen Glossen und Aufzeichnungen zu Jünger, die nun in einem hübschen Suhrkamp-Bändchen gesammelt vorliegen, steckt der große Philosoph Hans Blumenberg mit dem „Ärgernis” dieser vielzitierten Tagebuchaufzeichnung vom 27. Mai 1944 die „Grenze der absoluten Metapher” ab.
Vor dem Hintergrund des alten militant moralisch aufgeladenen Jünger-Gespräches wirken die privaten Funde, die die neuere Philologie auf ihren subtilen Jagden zu Tage fördert, ein wenig putzig. Mit so einem Jünger ist jedenfalls keine „selbstbewusste Nation” zu machen. Fünfundzwanzig Jahre nach der Verleihung der Goethe-Medaille in der Frankfurter Paulskirche, die noch einmal alle Protestenergien der alten Republik mobilisierte, hat sich der Sturm gelegt. Im Rückblick scheint der leidenschaftliche Käfersammler und „Waldgänger” Ernst Jünger – der in seinem Spätwerk die Moderne als „Deponie” in schwarze apokalyptische Bilder eintauchte – viel „grüner” zu sein als seine alten Frankfurter Kritiker. Denn Ernst Jünger ist auch ein Öko der ersten Stunde. Mit einem Zitat von Joschka Fischer auf der Klappe bewirbt der Siedler-Verlag Helmuth Kiesels Biographie. In der Szenepostille „Pflasterstrand” hatte der alte Frankfurter Street-Fighter Fischer sich 1982 als früher Jünger-Leser erkennen gegeben. „Je militanter sich die Revolte gestaltete, je mehr der ‚Kämpfer‘, der ‚Fighter‘ in den Vordergrund trat, desto sinnfälliger wurden die Parallelen. Später, als längst die ‚Subjektivität‘, die ‚Politik der ersten Person‘ angesagt war, da las man wiederum Ernst Jünger, diesmal den Drogen-Jünger. Und noch später, als der Klassenkampf endgültig Don Juan oder fernöstlicher Erleuchtung gewichen war, da starrte das neulinke Dritte Auge auf den kosmischen Jünger, von Jüngers Affinität zur vorindustriellen Welt und seiner Zivilisationskritik ganz zu schweigen.”
Bei all dem neulinken Sympathisantentum für den Kulturkritiker Jünger ist das letzte Wort über seinen ästhetischen Rang noch nicht gesprochen. Sicher „überstrahlt” das Jüngersche Werk nicht die gesamte deutsche Nachkriegsliteratur, wie Botho Strauß mit Fanfare vor ein paar Jahren behauptete. Auch war es nicht allein Jüngers vornehmer Verzicht auf den „Argot” – die „four letter words” – die sein Ankommen in der Literatur nach 1945 erschwerten. Schon Jüngers Deutschlehrer erkannte in dem übertriebenen „Schmuck” seiner Rede, dem hohen gestelzten Ton, den vielen Manierismen eine „bedenkliche Gefahr für seinen Stil”. Gottfried Benn urteilte nach dem Krieg gnadenlos über die Kitschliteratur des schnell wieder erfolgreichen Kollegen: „weichlich, eingebildet und wichtigtuerisch”.
Meist vergriff Jünger sich im Ton, wenn er sich auf allzu menschliches oder gar erotisches Terrain begab. Im Pariser Kino grabscht der Besatzungsoffizier 1941 nach dem Busen seiner Gespielin – und notiert darauf in sein Journal: „Ein heißer Eisberg, ein Hügel im Frühling, in den Myriaden von Lebenskeimen, etwa von weißen Anemonen, eingebettet sind.” Auch in Jüngers hierarchisch und streng aufgebauten Thesenromanen der Nachkriegszeit schleppt schwer die alte Zeit nach. „In Heliopolis lebt gleichsam das Stabshotel Majestic fort”, schreibt Kiesel prägnant. Wie erratische Blöcke ragen Jüngers „Staatsromane” hinein in die „Gesellschaft” der Bundesrepublik.
Im vierten Band seiner „Gesellschaftsgeschichte” bezeichnet der Bielefelder Veteran Hans-Ulrich Wehler Ernst Jünger als „eine der Unheilsfiguren der neueren deutschen Geschichte”. Von diesen Verdammungsflüchen aus der untergegangenen Welt der kritischen Sozialgeschichte ist heute wenig übrig geblieben. Zehn Jahre nach seinem Tod scheint Jünger die polarisierende Kraft verloren zu haben. Man kann diesen Zustand sicher als neue postheroische Gelassenheit begrüßen. Andererseits lauert in der Gelassenheit auch immer die Langeweile – der Hauptschrecken aller abenteuerlichen Herzen. STEPHAN SCHLAK
HELMUTH KIESEL: Ernst Jünger. Die Biographie. Siedler Verlag, München 2007. 720 Seiten, 24,95 Euro.
HEIMO SCHWILK: Ernst Jünger. Ein Jahrhundertleben. Piper Verlag, München 2007. 624 Seiten, 24,90 Euro.
HANS BLUMENBERG: Der Mann vom Mond. Über Ernst Jünger. Hrsg. von Alexander Schmitz und Marcel Lepper, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 186 Seiten, 19,80 Euro.
Der Sturm hat sich gelegt – Jünger ist nicht mehr länger eine Waffe im Literaturkampf
In der Rohmasse des Lebens wird Jünger, ein Öko der ersten Stunde, privatisiert und entpolitisiert
Der Schriftsteller Ernst Jünger (1895-1998) war Haschrebell, Busengrabscher und Kitschliterat – unter anderem. Mit Nato-General Hans Speidel im Wilfinger Garten (oben links), daneben 1985 mit Geburtstagsgratulant Helmut Kohl. In der unteren Reihe: 1960 in geneigter, 1913 als Fremdenlegionär in strammer Haltung. Fotos: dpa (3), B. Megele
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Das ist der Stoff aus Vaters Apotheke! Helmuth Kiesel und Heimo Schwilk betrachten Ernst Jünger aus der biographischen Enkelperspektive
Zeitlebens wünschte Ernst Jünger kein Bürger zu sein. Wohin das abenteuerliche Herz auch flüchtete – in den afrikanischen Dschungel der Fremdenlegion, in den Grabenkampf des Krieges oder in den Rausch des Drogenexperiments –, am Anfang stand stets der Auszug aus der bürgerlichen Welt. Zwar widerrief Ernst Jünger in seinen späten Aussteiger-Schriften, was der aktive Nihilist in der Zwischenkriegszeit so kräftig herbei geschrieben hatte – die „Totale Mobilmachung”; aber die Helden und Figuren, mit denen er sich im Laufe seines langen Lebens panzerte, blieben Typen jenseits der Bürgerlichkeit.
Mit „Stolz” hält der Nationalbolschewist Jünger – „rückblickend auf ein Jahrhundert deutscher Geschichte” – auf den ersten Seiten seines Theorie-Opus über den „Arbeiter” 1932 fest, „daß wir schlechte Bürger gewesen sind”. Der politische Publizist zog einen „Schlussstrich” unter das 19. Jahrhundert. An die Stelle des „Individuums”, der Zentralfigur der liberalen Gesellschaft, treten bei Jünger die „Gestalt” und der „Typus” des „Arbeiters”. Dieser Herold der Moderne erkennt das „höchste Glück” im Selbstopfer, spricht die „Elementarsprache” der Technik und ist so der technischen Mobilmachung gewachsen.
Am Vorabend seines zehnten Todestages (am 17. Februar 2008) kehrt der große Anti-Bürger nun zurück in „Gestalt” zweier voluminöser Biographien – ausgerechnet also in jener Gattung, die wie keine andere um das „Individuum” kreist. Der Triumph der Biographien auf dem Buchmarkt kündet vom zähen Fortleben jener bürgerlichen Gesellschaft, der Jünger in seiner aggressiven politischen Publizistik unaufhörlich den Totenschein ausstellte. Wie lässt sich Jüngers Gestaltwandel vom soldatischen „Typus” des literarischen „Arbeiters” zum exemplarischen großen Individuum und „Jahrhundertleben” lesen? Drückt sich darin das Fehlschlagen von Jüngers kühnen planetarischen Diagnosen aus – der unverhoffte Sieg des „Individuums” über den „Typus” –, oder müssen wir darin auch ein Zeichen für Jüngers eigene unfreiwillige Verbürgerlichung in der Rezeptionsgeschichte erkennen?
Jüngers neue Biographen, der Heidelberger Literaturwissenschaftler Helmuth Kiesel, Jahrgang 1947, und der Berliner Publizist Heimo Schwilk, Jahrgang 1952, schreiben aus der Enkelperspektive. Man hat in ersten Kritiken die beiden Biographen scharf gegenübergestellt – hier der mitreißende Publizist Schwilk, der Jüngers „Jahrhundertleben” in szenisch anschauungsreichen Kapiteln entfalte, dort der reservierte Professor Kiesel, der sich stupide Jüngers Werk widme und sich in akademischen Forschungskontexten verliere. Ohne Frage zeichnet Schwilk das schärfere Charakterprofil. Er folgt Jünger nicht nur auf dem literarisch stilisierten Hauptweg seines Werkes, sondern auch auf den abgeschatteten Seitenpfaden, in die Bordelle des Krieges oder in den Drogenrausch.
Schwilk verschweigt an keiner Stelle seine starke Sympathie für Jünger. Aber die vor dem bürgerlichen Wertehimmel „verkrachte” Existenz Jünger tritt auch bei ihm deutlich hervor – das uneheliche Kind, der für sein Leben lang traumatisierte Schüler, der elfmal die Schule wechseln muss, der Studienabbrecher und umherschweifende Haschrebell der zwanziger Jahre, der sich in Vaters Apotheke mit Stoff versorgt.
Kiesel hält sich strenger an Jüngers Werk. Worauf er sich glänzend versteht, ist die Arbeit am Text. Der Philologe deckt Jüngers „Metaphernsysteme” auf und zeigt, wie Jünger in seiner „Bearbeitungsmanie” immer wieder seine Schriften retuschierte. Deutlich wird Kiesels Bemühen, Jünger fest in der literarischen Moderne zu verorten. Man kann sicher sein, dass auf jedes noch so anstößige nationalistische oder antiliberale Jünger-Zitat im gleichen Atemzug ein sinnverwandtes Zitat von Benjamin, Brecht oder einem anderen klassischen Modernen folgt – das Jünger wieder in den ästhetischen Verfassungsbogen einfängt. Hier übt sich ein um „sachliche Würdigung” bemühter Literaturwissenschaftler, der schnelle Urteile scheut und Einseitigkeiten unbedingt zu vermeiden versucht, am „stereoskopischen” Blick seines Helden.
Kiesels Biographie ist ganz aus der akademischen Jünger-Forschung der letzten Jahre erwachsen. Ein wenig meint er es immer zu gut mit seinem Helden. Recht anachronistisch verteilt er seine akademischen Prämien. Ausgerechnet in der allegorisch verschwiemelten Thematisierung der Judenverfolgung in dem „Weltroman” „Heliopolis”, den berühmten „Parsen”, die den uneinsichtigen Carl Schmitt so erregten, sieht Kiesel bei Jünger schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit den „universalistischen” Ansatz der neuen deutschen Weltbürgerkriegshistoriker vorweggenommen.
Auch wenn der Publizist Schwilk an vielen Stellen Jüngers „Rabaukenton” besser trifft, sollten wir die beiden Biographien aber nicht für den billigen antiintellektuellen Affekt nutzen, um einmal mehr Jüngers Leben gegen das Werk auszuspielen. „Sie wird ersetzen das Wort durch die Tat, die Tinte durch das Blut, die Phrase durch das Opfer, die Feder durch das Schwert” – skandierte Jünger 1923 in einem Revolutionsbekenntnis im Völkischen Beobachter. Bis heute gefällt sich der Pop-Diskurs mit abenteuerlichen Posen darin, diese alte Front auf kleiner friedlicher Flamme in immer neuen Schleifen nachzuplappern. Was Kiesel und Schwilk dagegen bei allem unterschiedlichen rhetorischen Temperament verbindet, ist der Versuch, eine Biographie ganz aus den Quellen und neueren Forschungen zu schreiben, die sich stark unterscheidet von dem ideologisch überhitzten Jünger-Gespräch der alten Bundesrepublik. In beiden Büchern ist Jünger nicht mehr länger eine Waffe im Literaturkampf. Vorbei sind die Zeiten, in der man sich mit Jüngers bösen Federn schmückte – wie Karl Heinz Bohrer 1978 in seiner Bielefelder Habilitation, um sich den „Schrecken” der Literatursoziologie im Besonderen und des bundesrepublikanischen Moralismus im Allgemeinen ästhetisch vom Leib zu halten.
Nach all den Debatten scheint die Jünger-Forschung heute in einem Interregnum angekommen zu sein. Es ist die Zeit des Ordnens und Sichtens der Bestände. Die neuen Biographien zeichnen sich weniger durch eine steile These als durch ihre ungeheure Materialfülle aus. Die ungeschminkte Rohmasse des Lebens tritt hinter der literarischen Gestalt wieder hervor. Ausgerechnet die wissenschaftlich rational geordnete Apothekerwelt seines Vaters, gegen die Ernst Jünger sein ganzes Leben innerlich rebellierte, scheint in den Annäherungen der intellektuellen Enkel wieder zu obsiegen: Der alte „magische Realist” liegt in der Hand der Positivisten.
Die neuen Detailstudien tragen zur Privatisierung und Entpolitisierung Jüngers bei. Wo man sich noch ein paar Jahrzehnte zuvor auf die verschiedenen Fassungen seines Kriegsepos „In Stahlgewittern” stürzte oder die Retuschen des „Arbeiters” aufspürte – mit denen Jünger nach dem giftigen Urteil seines alten Sekretärs „Arminius” Mohler sich den demokratischen Nachkriegssitten anzupassen versuchte –, da konzentriert man sich nun etwa auf die vielen Pseudonyme, mit denen Jünger, um den Ehefrieden zu retten, seine Pariser Geliebte Sophie Ravoux in den „Strahlungen” zum Verschwinden zu bringen versuchte.
Sogar vor der berüchtigten „Burgunderszene” – Jüngers nächtlicher Beobachtung eines Luftangriffes auf Paris vom Dach des Hotel „Raphael” mit einem „Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen, in der Hand” – wird nicht Halt gemacht. „Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in gewaltiger Schönheit, gleich einem Kelche, der zur tödlichen Befruchtung überflogen wird.” Handelt es sich etwa hier auch weniger um das Kriegsprotokoll eines ästhetischen Genüsslings – als um die „Symbolisierung” der gefährlich sich zuspitzenden Liebesaffäre mit seiner Pariser Freundin? In seinen Glossen und Aufzeichnungen zu Jünger, die nun in einem hübschen Suhrkamp-Bändchen gesammelt vorliegen, steckt der große Philosoph Hans Blumenberg mit dem „Ärgernis” dieser vielzitierten Tagebuchaufzeichnung vom 27. Mai 1944 die „Grenze der absoluten Metapher” ab.
Vor dem Hintergrund des alten militant moralisch aufgeladenen Jünger-Gespräches wirken die privaten Funde, die die neuere Philologie auf ihren subtilen Jagden zu Tage fördert, ein wenig putzig. Mit so einem Jünger ist jedenfalls keine „selbstbewusste Nation” zu machen. Fünfundzwanzig Jahre nach der Verleihung der Goethe-Medaille in der Frankfurter Paulskirche, die noch einmal alle Protestenergien der alten Republik mobilisierte, hat sich der Sturm gelegt. Im Rückblick scheint der leidenschaftliche Käfersammler und „Waldgänger” Ernst Jünger – der in seinem Spätwerk die Moderne als „Deponie” in schwarze apokalyptische Bilder eintauchte – viel „grüner” zu sein als seine alten Frankfurter Kritiker. Denn Ernst Jünger ist auch ein Öko der ersten Stunde. Mit einem Zitat von Joschka Fischer auf der Klappe bewirbt der Siedler-Verlag Helmuth Kiesels Biographie. In der Szenepostille „Pflasterstrand” hatte der alte Frankfurter Street-Fighter Fischer sich 1982 als früher Jünger-Leser erkennen gegeben. „Je militanter sich die Revolte gestaltete, je mehr der ‚Kämpfer‘, der ‚Fighter‘ in den Vordergrund trat, desto sinnfälliger wurden die Parallelen. Später, als längst die ‚Subjektivität‘, die ‚Politik der ersten Person‘ angesagt war, da las man wiederum Ernst Jünger, diesmal den Drogen-Jünger. Und noch später, als der Klassenkampf endgültig Don Juan oder fernöstlicher Erleuchtung gewichen war, da starrte das neulinke Dritte Auge auf den kosmischen Jünger, von Jüngers Affinität zur vorindustriellen Welt und seiner Zivilisationskritik ganz zu schweigen.”
Bei all dem neulinken Sympathisantentum für den Kulturkritiker Jünger ist das letzte Wort über seinen ästhetischen Rang noch nicht gesprochen. Sicher „überstrahlt” das Jüngersche Werk nicht die gesamte deutsche Nachkriegsliteratur, wie Botho Strauß mit Fanfare vor ein paar Jahren behauptete. Auch war es nicht allein Jüngers vornehmer Verzicht auf den „Argot” – die „four letter words” – die sein Ankommen in der Literatur nach 1945 erschwerten. Schon Jüngers Deutschlehrer erkannte in dem übertriebenen „Schmuck” seiner Rede, dem hohen gestelzten Ton, den vielen Manierismen eine „bedenkliche Gefahr für seinen Stil”. Gottfried Benn urteilte nach dem Krieg gnadenlos über die Kitschliteratur des schnell wieder erfolgreichen Kollegen: „weichlich, eingebildet und wichtigtuerisch”.
Meist vergriff Jünger sich im Ton, wenn er sich auf allzu menschliches oder gar erotisches Terrain begab. Im Pariser Kino grabscht der Besatzungsoffizier 1941 nach dem Busen seiner Gespielin – und notiert darauf in sein Journal: „Ein heißer Eisberg, ein Hügel im Frühling, in den Myriaden von Lebenskeimen, etwa von weißen Anemonen, eingebettet sind.” Auch in Jüngers hierarchisch und streng aufgebauten Thesenromanen der Nachkriegszeit schleppt schwer die alte Zeit nach. „In Heliopolis lebt gleichsam das Stabshotel Majestic fort”, schreibt Kiesel prägnant. Wie erratische Blöcke ragen Jüngers „Staatsromane” hinein in die „Gesellschaft” der Bundesrepublik.
Im vierten Band seiner „Gesellschaftsgeschichte” bezeichnet der Bielefelder Veteran Hans-Ulrich Wehler Ernst Jünger als „eine der Unheilsfiguren der neueren deutschen Geschichte”. Von diesen Verdammungsflüchen aus der untergegangenen Welt der kritischen Sozialgeschichte ist heute wenig übrig geblieben. Zehn Jahre nach seinem Tod scheint Jünger die polarisierende Kraft verloren zu haben. Man kann diesen Zustand sicher als neue postheroische Gelassenheit begrüßen. Andererseits lauert in der Gelassenheit auch immer die Langeweile – der Hauptschrecken aller abenteuerlichen Herzen. STEPHAN SCHLAK
HELMUTH KIESEL: Ernst Jünger. Die Biographie. Siedler Verlag, München 2007. 720 Seiten, 24,95 Euro.
HEIMO SCHWILK: Ernst Jünger. Ein Jahrhundertleben. Piper Verlag, München 2007. 624 Seiten, 24,90 Euro.
HANS BLUMENBERG: Der Mann vom Mond. Über Ernst Jünger. Hrsg. von Alexander Schmitz und Marcel Lepper, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007. 186 Seiten, 19,80 Euro.
Der Sturm hat sich gelegt – Jünger ist nicht mehr länger eine Waffe im Literaturkampf
In der Rohmasse des Lebens wird Jünger, ein Öko der ersten Stunde, privatisiert und entpolitisiert
Der Schriftsteller Ernst Jünger (1895-1998) war Haschrebell, Busengrabscher und Kitschliterat – unter anderem. Mit Nato-General Hans Speidel im Wilfinger Garten (oben links), daneben 1985 mit Geburtstagsgratulant Helmut Kohl. In der unteren Reihe: 1960 in geneigter, 1913 als Fremdenlegionär in strammer Haltung. Fotos: dpa (3), B. Megele
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nicht als erster bespricht Stephan Schlak die beiden neuen Jünger-Biografien von Heimo Schwilk und Helmuth Kiesel im Vergleich miteinander. Ausdrücklich warnt er aber davor, die eine - wie es mitunter geschah - gegen die andere auszuspielen. Die Verdienste des gelegentlich als allzu trocken gescholtenen Germanisten Helmuth Kiesel dürfe man nämlich keinesfalls unterschätzen. In Kenntnis der jüngeren Forschungsliteratur, aber auch in der Fähigkeit, das Werk in die literarischen und politischen Kontexte seiner Zeit einzuordnen, mache Kiesel niemand etwas vor. Recht symptomatisch für die inzwischen eingetretene Befriedung einstiger heftiger Kämpfe um Jünger will Schlak das Verfahren Kiesels erscheinen, zu jeder skandalisierenden Äußerung des Autors eine nicht unähnliche Fundstelle bei weniger - jedenfalls des Rechtsextremismus - verdächtigen Autoren wie Walter Benjamin oder Bert Brecht zu finden. Glänzend immer wieder, lobt der Rezensent, Kiesels "Arbeit am Text", überzeugend sein Porträt des apodiktischen Autors als ständiger Textretuscheur. Ein bisschen anstrengend findet Schlak es ingesamt zwar schon, dass der Verfasser es "immer ein wenig zu gut mit seinem Helden" meint. Das darf man aber wohl als eher lässliche Sünde eines Biografen begreifen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"Was in Biographien zumeist aufgesetzt wirkt: die Einbettung des betrachteten Lebens in die Zusammenhänge, in denen es sich entfaltete - in Kiesels Buch ist es meisterhaft gelungen. Indem Kiesel die Perspektive Benjamins übernimmt, gelangt er zu erstaunlichen Vorstößen in noch unbetretenes Gebiet, zeichnet in einigen brillanten Abschnitten das noch kaum eingelöste Programm einer Forschung, die es zu unternehmen hätte, mit dem Mut zur Reduktion das 20. Jahrhundert in seiner in das Handeln jedes einzelnen hineinwirkenden Grundkonstellation zu begreifen. Es zeigt sich immerhin, daß auch die vollkommenste Biographie - und Kiesels Buch wird, so der erste, noch frische Eindruck, tatsächlich, und wahrscheinlich auf lange Sicht, dem Anspruch des Untertitels gerecht, die Biographie zu sein - nicht das letzte Wort sein kann, das über das Werk Ernst Jüngers zu sprechen ist." Marburger Forum
"Mit Erleichterung liest man dagegen die wohltuend sachliche, elegant geschriebene Biographie des renommierten Jünger-Forschers Helmuth Kiesel. Mit profunder Textkenntnis und unter Auswertung bislang wenig beachteter Quellen stellt der Heidelberger Philologe vor allem den jeweils notwendigen historisch-politischen, soziologischen und geistesgeschichtlichen Kontext her, in dem Jüngers Auffassungen und Prägungen entstehen." Deutschlandradio
"Helmuth Kiesels brillante Jünger-Biografie meidet jede Kumpanei mit ihrem Gegenstand, hält sich aber mit vorschneller Besserwisserei zurück." Abendzeitung
"Dass er schreiben kann, erst das macht ihn gefährlich." Klaus Mann über Ernst Jünger, 1930
"In Stahlgewittern [...] ist unstreitig das schönste Kriegsbuch, das ich kenne; vollständig gutgläubig, wahrheitsgemäß, ehrlich." André Gide, 1942
"Bedenke ich meine eigene linksradikale Biographie, so kreuzte Jünger mehrmals meinen Weg. Sowohl Ernst Jünger als auch Carl Schmitt galten bereits während der Studentenrevolte im SDS als eine Art intellektueller Geheimtip, umgeben von der Aura des intellektuell Obszönen. Denn es waren Faschisten, zweifellos, und dennoch las man sie mit großem Interesse. Je militanter sich die Revolte gestaltete, je mehr der ›Kämpfer‹, der ›Fighter‹ in den Vordergrund trat, desto sinnfälliger wurden die Parallelen. Später, als längst die ›Subjektivität‹, die ›Politik der ersten Person‹ angesagt war, da las man wiederum Ernst Jünger, diesmal den Drogen-Jünger. Und noch später, als der Klassenkampf endgültig Don Juan oder fernöstlicher Erleuchtung gewichen war, da starrte das neulinke Dritte Auge auf den kosmischen Jünger, von Jüngers Affinität zur vorindustriellen Welt und seiner Zivilisationskritik ganz zu schweigen." Joschka Fischer, 1982
"Stärker als Schwilk schöpft Kiesel aus dem akademisch-philologischem Fundus der Jünger-Forschung, rekonstruiert Kontroversen, ordnet und ordnet ein, arbeitet Listen von Anregern wie Nietzsche, Hamann, Huysmans "Und Goethe" ab. ...Kiesels Analysen der intellektuellen Vita werden der akademischen Erschließung gute Dienste tun." Die Zeit
"Kontrovers bleibt das Jünger-Bild selbst nach der Lektüre des 720 Seiten starken Buches. Doch zweifelsohne hat Kiesel eine hervorragende Studie geliefert." Alt-Neuöttinger Anzeiger
"Helmuth Kiesel hat eine bemerkenswerte Biografie über den Mann geschrieben, der in Deutschland das Böse nährte.Seine Darstellung erklärt das schwer Erklärliche, macht Kontext sichtbar." Welt am Sonntag
"Es geht auch ohne Süffigkeit: Helmuth Kiesels Biographie zeigt Ernst Jünger als Arbeiter der Literatur." Frankfurter Rundschau
"Kiesels Biografie ist zwar eher eine Werkanalyse, doch dafür sicher im Urteil. Vor allem regt sein Buch zum Jünger-Lesen an. Und das wird sich der Autor gerne vorwerfen lassen." Kölner Stadt-Anzeiger
"Zu den wichtigsten Neuerscheinungen dieses Bücherherbstes zählt der Titel "Ernst Jünger. Die Biographie". Der Heidelberger Literaturwissenschaftler Helmuth Kiesel, der zu den besten Jünger-Kennern zählt, porträtiert in dem voluminösen Band den umstrittensten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, dessen 10. Todestag im Februar 2008 bevorsteht." Rhein-Neckar-Zeitung
"Helmuth Kiesel ist es gelungen, eine Gesamtdarstellung zu schreiben, respektabel und redlich, nicht auslassend, vieles erhellend...Kiesels Buch ist das eines Mannes, der sich durch und durch als Literaturwissenschaftler versteht." FAZ
"Helmuth Kiesel bleibt als Jünger-Biograph ohne Fazit." Mittelbayerische Zeitung
"Vor allem ... beweist der Literaturhistoriker in allen Lebenslagen Jüngers ein scharfes Auge für Objektivität..." Rhein-Neckar-Zeitung
"Das Buch von Kiesel verleugnet an keiner Stelle den Literaturwissenschafter. Es erzählt weniger, liefert dafür jedoch ausgiebige Informationen zum Werk; etwa über die Metaphernsysteme, die Jünger in seinem wohl bekanntesten Buch, den "Stahlgewittern", verwendet, oder über die verschiedenen Fassungen, die er von diesem Text - und nicht nur von diesem - angefertigt hat. Dabei wird nichts geglättet und beschönigt. Mit Bezug auf "Der Kampf als inneres Erlebnis" spricht Kiesel von einem skandalösen Text, der in seinem "perversen] Bekenntnis zur Lust des massenweise Tötens mit dem Maschinengewehr""erschreckend und abstoßend" sei; er nennt den Nationalismus der zwanziger Jahre eine "grandiose Verfehlung", die aus heutiger Sicht nicht zu verteidigen sei, wie er auch den Vorwurf des Antisemitismus gegen den Artikel "Über Nationalismus und Judenfrage" (1930) für berechtigt erklärt. Dies alles geschieht jedoch auf eine sachliche, nicht stigmatisierende Weise, die auch die Relativierungen und Revisionen kenntlich macht, die Jünger schon in den dreißiger Jahren vorgenommen hat. Auch bei der Behandlung anderer als anstößig empfundener Passagen, etwa der Hinrichtungsszene in den Pariser Tagebüchern, erweist sich Kiesel als umsichtiger Interpret, der politisch-moralische und ästhetische Gesichtspunkte gegeneinander abwägt. " NZZ
Das Buch des Literaturwissenschaftlers Helmut Kiesel wurde von manchen Kritikern vielleicht zu Unrecht nicht sonderlich gut besprochen. Die im Siedler-Verlag erschienene Biografie liefert einen sehr gediegenen Überblick auf Jüngers Leben und Werk sowie eine ausführliche Rezeptionsgeschichte. Sicher ein Muss für alle Germanistikstudenten." MDR-Figaro
"So spannend, ereignisreich und wechselvoll dessen Leben verlief, so interessant liest sich auch Kiesels von souveräner Kenntnis zeugende Biographie." Rhein-Neckar-Zeitung
"Helmuth Kiesel betrachtet Jünger in elf originell komponierten Kapiteln mit dem präzisen Vergrößerungsglas des Literaturwissenschaftlers, sieht ihn im Wettbewerb des Literaturbetriebs, zwischen Erfolg und Außenseitertum, zwischen Hochmut und Leutseligkeit." Rheinischer Merkur
"Endlich eine nicht-raunende Biografie über den radikalen Rechten und hochgebildeten Poeten." Die Welt am Sonntag
"Mit Erleichterung liest man dagegen die wohltuend sachliche, elegant geschriebene Biographie des renommierten Jünger-Forschers Helmuth Kiesel. Mit profunder Textkenntnis und unter Auswertung bislang wenig beachteter Quellen stellt der Heidelberger Philologe vor allem den jeweils notwendigen historisch-politischen, soziologischen und geistesgeschichtlichen Kontext her, in dem Jüngers Auffassungen und Prägungen entstehen." Deutschlandradio
"Helmuth Kiesels brillante Jünger-Biografie meidet jede Kumpanei mit ihrem Gegenstand, hält sich aber mit vorschneller Besserwisserei zurück." Abendzeitung
"Dass er schreiben kann, erst das macht ihn gefährlich." Klaus Mann über Ernst Jünger, 1930
"In Stahlgewittern [...] ist unstreitig das schönste Kriegsbuch, das ich kenne; vollständig gutgläubig, wahrheitsgemäß, ehrlich." André Gide, 1942
"Bedenke ich meine eigene linksradikale Biographie, so kreuzte Jünger mehrmals meinen Weg. Sowohl Ernst Jünger als auch Carl Schmitt galten bereits während der Studentenrevolte im SDS als eine Art intellektueller Geheimtip, umgeben von der Aura des intellektuell Obszönen. Denn es waren Faschisten, zweifellos, und dennoch las man sie mit großem Interesse. Je militanter sich die Revolte gestaltete, je mehr der ›Kämpfer‹, der ›Fighter‹ in den Vordergrund trat, desto sinnfälliger wurden die Parallelen. Später, als längst die ›Subjektivität‹, die ›Politik der ersten Person‹ angesagt war, da las man wiederum Ernst Jünger, diesmal den Drogen-Jünger. Und noch später, als der Klassenkampf endgültig Don Juan oder fernöstlicher Erleuchtung gewichen war, da starrte das neulinke Dritte Auge auf den kosmischen Jünger, von Jüngers Affinität zur vorindustriellen Welt und seiner Zivilisationskritik ganz zu schweigen." Joschka Fischer, 1982
"Stärker als Schwilk schöpft Kiesel aus dem akademisch-philologischem Fundus der Jünger-Forschung, rekonstruiert Kontroversen, ordnet und ordnet ein, arbeitet Listen von Anregern wie Nietzsche, Hamann, Huysmans "Und Goethe" ab. ...Kiesels Analysen der intellektuellen Vita werden der akademischen Erschließung gute Dienste tun." Die Zeit
"Kontrovers bleibt das Jünger-Bild selbst nach der Lektüre des 720 Seiten starken Buches. Doch zweifelsohne hat Kiesel eine hervorragende Studie geliefert." Alt-Neuöttinger Anzeiger
"Helmuth Kiesel hat eine bemerkenswerte Biografie über den Mann geschrieben, der in Deutschland das Böse nährte.Seine Darstellung erklärt das schwer Erklärliche, macht Kontext sichtbar." Welt am Sonntag
"Es geht auch ohne Süffigkeit: Helmuth Kiesels Biographie zeigt Ernst Jünger als Arbeiter der Literatur." Frankfurter Rundschau
"Kiesels Biografie ist zwar eher eine Werkanalyse, doch dafür sicher im Urteil. Vor allem regt sein Buch zum Jünger-Lesen an. Und das wird sich der Autor gerne vorwerfen lassen." Kölner Stadt-Anzeiger
"Zu den wichtigsten Neuerscheinungen dieses Bücherherbstes zählt der Titel "Ernst Jünger. Die Biographie". Der Heidelberger Literaturwissenschaftler Helmuth Kiesel, der zu den besten Jünger-Kennern zählt, porträtiert in dem voluminösen Band den umstrittensten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, dessen 10. Todestag im Februar 2008 bevorsteht." Rhein-Neckar-Zeitung
"Helmuth Kiesel ist es gelungen, eine Gesamtdarstellung zu schreiben, respektabel und redlich, nicht auslassend, vieles erhellend...Kiesels Buch ist das eines Mannes, der sich durch und durch als Literaturwissenschaftler versteht." FAZ
"Helmuth Kiesel bleibt als Jünger-Biograph ohne Fazit." Mittelbayerische Zeitung
"Vor allem ... beweist der Literaturhistoriker in allen Lebenslagen Jüngers ein scharfes Auge für Objektivität..." Rhein-Neckar-Zeitung
"Das Buch von Kiesel verleugnet an keiner Stelle den Literaturwissenschafter. Es erzählt weniger, liefert dafür jedoch ausgiebige Informationen zum Werk; etwa über die Metaphernsysteme, die Jünger in seinem wohl bekanntesten Buch, den "Stahlgewittern", verwendet, oder über die verschiedenen Fassungen, die er von diesem Text - und nicht nur von diesem - angefertigt hat. Dabei wird nichts geglättet und beschönigt. Mit Bezug auf "Der Kampf als inneres Erlebnis" spricht Kiesel von einem skandalösen Text, der in seinem "perversen] Bekenntnis zur Lust des massenweise Tötens mit dem Maschinengewehr""erschreckend und abstoßend" sei; er nennt den Nationalismus der zwanziger Jahre eine "grandiose Verfehlung", die aus heutiger Sicht nicht zu verteidigen sei, wie er auch den Vorwurf des Antisemitismus gegen den Artikel "Über Nationalismus und Judenfrage" (1930) für berechtigt erklärt. Dies alles geschieht jedoch auf eine sachliche, nicht stigmatisierende Weise, die auch die Relativierungen und Revisionen kenntlich macht, die Jünger schon in den dreißiger Jahren vorgenommen hat. Auch bei der Behandlung anderer als anstößig empfundener Passagen, etwa der Hinrichtungsszene in den Pariser Tagebüchern, erweist sich Kiesel als umsichtiger Interpret, der politisch-moralische und ästhetische Gesichtspunkte gegeneinander abwägt. " NZZ
Das Buch des Literaturwissenschaftlers Helmut Kiesel wurde von manchen Kritikern vielleicht zu Unrecht nicht sonderlich gut besprochen. Die im Siedler-Verlag erschienene Biografie liefert einen sehr gediegenen Überblick auf Jüngers Leben und Werk sowie eine ausführliche Rezeptionsgeschichte. Sicher ein Muss für alle Germanistikstudenten." MDR-Figaro
"So spannend, ereignisreich und wechselvoll dessen Leben verlief, so interessant liest sich auch Kiesels von souveräner Kenntnis zeugende Biographie." Rhein-Neckar-Zeitung
"Helmuth Kiesel betrachtet Jünger in elf originell komponierten Kapiteln mit dem präzisen Vergrößerungsglas des Literaturwissenschaftlers, sieht ihn im Wettbewerb des Literaturbetriebs, zwischen Erfolg und Außenseitertum, zwischen Hochmut und Leutseligkeit." Rheinischer Merkur
"Endlich eine nicht-raunende Biografie über den radikalen Rechten und hochgebildeten Poeten." Die Welt am Sonntag
"Helmuth Kiesels brillante Jünger-Biografie meidet jede Kumpanei mit ihrem Gegenstand, hält sich aber mit vorschneller Besserwisserei zurück." Abendzeitung
»Eine wohltuend sachliche, elegant geschriebene Biographie des renommierten Jünger-Forschers.« DeutschlandRadio