DER GROSSE THEOLOGE ERNST TROELTSCH - FRIEDRICH WILHELM GRAFS MEISTERHAFTE BIOGRAPHIE
Ernst Troeltsch (1865 - 1923) ist einer jener Riesen, auf deren Schultern so viele Gelehrte stehen, dass ihr eigenes Bild unscharf wird. Der renommierte Theologe, Historiker und Troeltsch-Experte Friedrich Wilhelm Graf verleiht in seiner meisterhaft geschriebenen Biographie einem Theologen, Soziologen, liberalen Politiker und Zeitdiagnostiker scharfe Konturen, den die Frage umtrieb, wie sich Religion und Moderne - trotz aller Widerstände von beiden Seiten - in ein zeitgemäßes Verhältnis zueinander setzen lassen. Weit über Leben und Werk Ernst Troeltschs hinaus ist seine Biographie ein bestechend klarer Beitrag zu einem bis heute virulenten Problem.
Als Religionssoziologe und Historiker steht Ernst Troeltsch im Schatten seines Heidelberger Freundes und Kollegen Max Weber. Konnte er als Theologe überhaupt ein «wertneutraler» Sozialwissenschaftler sein? Oder war er gar kein richtiger Theologe? Beides zusammenzubringen irritiert bis heute und war doch, wie Friedrich Wilhelm Graf zeigt, Troeltschs ureigenes Anliegen, das für ihn politische Bedeutung hatte. Troeltsch erforschte die Kulturbedeutung der Religion, um den Protestantismus aus traditionellen kirchlichen und dogmatischen Bindungen zu befreien. Nach dem Ersten Weltkrieg trat er als liberaler Politiker für die Weimarer Republik ein und rückte in seinen berühmten zeitdiagnostischen Kommentaren die Probleme der Gegenwart in einen «Welthorizont». Graf rekonstruiert die lebens- und werkgeschichtlichen Konstellationen, die den liberalen Protestanten prägten, und erhärtet damit auf brillante Weise Ernst Troeltschs Überzeugung, dass sich die eigentliche Bedeutung einer Person oder Sache erst in ihrer konsequenten Historisierung erschließt.
100. Todestag am 1. Februar 2023 Standardwerk: Die erste umfassende Biographie über Ernst Troeltsch aus der Feder des führenden Kenners
Ernst Troeltsch (1865 - 1923) ist einer jener Riesen, auf deren Schultern so viele Gelehrte stehen, dass ihr eigenes Bild unscharf wird. Der renommierte Theologe, Historiker und Troeltsch-Experte Friedrich Wilhelm Graf verleiht in seiner meisterhaft geschriebenen Biographie einem Theologen, Soziologen, liberalen Politiker und Zeitdiagnostiker scharfe Konturen, den die Frage umtrieb, wie sich Religion und Moderne - trotz aller Widerstände von beiden Seiten - in ein zeitgemäßes Verhältnis zueinander setzen lassen. Weit über Leben und Werk Ernst Troeltschs hinaus ist seine Biographie ein bestechend klarer Beitrag zu einem bis heute virulenten Problem.
Als Religionssoziologe und Historiker steht Ernst Troeltsch im Schatten seines Heidelberger Freundes und Kollegen Max Weber. Konnte er als Theologe überhaupt ein «wertneutraler» Sozialwissenschaftler sein? Oder war er gar kein richtiger Theologe? Beides zusammenzubringen irritiert bis heute und war doch, wie Friedrich Wilhelm Graf zeigt, Troeltschs ureigenes Anliegen, das für ihn politische Bedeutung hatte. Troeltsch erforschte die Kulturbedeutung der Religion, um den Protestantismus aus traditionellen kirchlichen und dogmatischen Bindungen zu befreien. Nach dem Ersten Weltkrieg trat er als liberaler Politiker für die Weimarer Republik ein und rückte in seinen berühmten zeitdiagnostischen Kommentaren die Probleme der Gegenwart in einen «Welthorizont». Graf rekonstruiert die lebens- und werkgeschichtlichen Konstellationen, die den liberalen Protestanten prägten, und erhärtet damit auf brillante Weise Ernst Troeltschs Überzeugung, dass sich die eigentliche Bedeutung einer Person oder Sache erst in ihrer konsequenten Historisierung erschließt.
100. Todestag am 1. Februar 2023 Standardwerk: Die erste umfassende Biographie über Ernst Troeltsch aus der Feder des führenden Kenners
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.11.2022Mit Blick auf die Anarchie der Werte
Friedrich Wilhelm Grafs exzellente Biographie des Theologen und Politikers Ernst Troeltsch
Diese Biographie beginnt mit einer Trauerfeier im Krematorium Berlin-Wilmersdorf am 3. Februar 1923. Zwei Tage zuvor war der protestantische Theologe Ernst Troeltsch überraschend im Alter von 57 Jahren verstorben. Er galt als einer der Bedeutendsten unter den Gelehrten des wilhelminischen Kaiserreichs weit über sein ursprüngliches Fach hinaus. Seine Berliner Professur für "Religions-, Sozial- und Geschichtsphilosophie und christliche Religionsgeschichte" lag außerhalb der Theologischen Fakultät. Spätestens seit Beginn des Ersten Weltkriegs war er zudem als charismatischer öffentlicher Redner und durch zahlreiche Veröffentlichungen in Kulturzeitschriften auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. In den Wirren von Revolution und Nachkriegszeit erwies er sich als scharfsinniger politischer Kommentator. Er wurde zu einem führenden Politiker des linksliberalen Bürgertums, das eine Verständigung mit der proletarisch geprägten Sozialdemokratie für dringend nötig hielt. Als 1919 der erste Reichspräsident gewählt wurde, überlegte die liberale DDP, Troeltsch als ihren Kandidaten aufzustellen.
Es ist deshalb kein Wunder, dass bei der Trauerfeier für ihn sowohl wichtige Politiker anwesend waren wie die bedeutendsten Vertreter der Wissenschaft: Friedrich Meinecke und Otto Hintze, Albert Einstein und Gustav Radbruch, aus der jüngeren Generation Erich Auerbach, Paul Tillich und Hans Jonas. Umso überraschender mutet es an, dass Troeltsch nach seinem Tod außerhalb der Theologie rasch und anhaltend in Vergessenheit geriet.
Vergleicht man seine Wirkungsgeschichte mit der Max Webers, der bis zu einem dramatischen Zerwürfnis 1915 sein enger Kollege und Freund, ja zeitweise sogar Hausgenosse war, dann wird der Kontrast unübersehbar. Auf Webers Bedeutung können sich heute alle einigen; nach ihm sind Institute und Förderprogramme benannt. Troeltsch dagegen wird häufig nur als abhängig von Weber gesehen, ohne die radikale Unterschiedlichkeit der Erkenntnisinteressen wahrzunehmen. Die Abkehr der protestantischen Theologie vom Historismus und die schleichende Entwicklung der Soziologie zu einer "Gegenwartswissenschaft" haben einen Denker an den Rand gedrängt, der sich um ein soziologisch aufgeklärtes Verständnis der Religionsgeschichte, insbesondere der des Christentums, bemühte. Das ist ein gravierendes ideengeschichtliches Versäumnis.
Niemand hat in den letzten Jahrzehnten so viel zu dessen Überwindung geleistet wie der Verfasser der jetzt vorliegenden neuen Biographie. Friedrich Wilhelm Graf ist selbst als äußerst produktiver Religionsintellektueller bekannt, hat aber immer auch die Edition von Troeltschs Schriften in einer "Kritischen Gesamtausgabe" maßgeblich betrieben. Ohne die Sammlung der über 250 Rezensionen aus Troeltschs Feder und der oft unter Pseudonym erschienenen politischen Kommentare, die eine wahre Goldgrube darstellen, ohne die neue dreibändige Ausgabe von Troeltschs tausendseitiger Geschichte des Christentums, die den Reichtum der Weiterführungen aus dem Handexemplar des Verfassers zugänglich gemacht hat, gäbe es die Grundlagen für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem großen Denker heute gar nicht.
Grafs Biographie wird durch ihren Kenntnisreichtum und die Plastizität ihrer Schilderungen für lange Zeit ein Standardwerk sein. Von Troeltsch übernimmt Graf die methodische Leitlinie, die Entwicklung religiöser und philosophischer Ideen im engsten Zusammenhang mit ihren Verwendungsweisen und Produktionsformen zu sehen. Mit großer Wärme, vielleicht sogar ein wenig distanzlos schildert der Verfasser zunächst das Milieu des protestantischen Bildungsbürgertums, dem der Augsburger Arztsohn Troeltsch entstammt. Den Militärdienst nach der Schulzeit erlebte er entsprechend "als schockierende Konfrontation mit kirchenfernen, in seinen Augen amoralischen Gleichaltrigen".
Im Theologiestudium entwickelte Troeltsch seine Ablehnung eines christlichen Denkens, das sich vom modernen intellektuellen Leben und insbesondere von der Relativierung aller Geltungsansprüche durch konsequent historisches Denken isoliert. Die rasche akademische Karriere des glänzend Begabten führte ihn bald nach Heidelberg, wo nicht nur die Universität selbst ein Magnet für den ehrgeizigen Nachwuchs war, sondern sich in elitären Arbeitskreisen und Salons epochale Konstellationen intellektueller Begegnung ergaben. Wir erfahren durch dieses Buch Genaues über die Motive für die intensiven Versuche, die Geschichte des Protestantismus und die Entstehung der "modernen Welt" miteinander in Beziehung zu setzen. Gerade Troeltsch war es, der dabei allen Kontinuitätsmythen hinsichtlich Protestantismus und Moderne entgegentrat und sich auch dem zeitgenössischen "Nationalprotestantismus" entzog. Die Nation könne für die Christen nie der höchste Kulturwert sein.
Äußerst differenziert schildert der Biograph die Folgen von Troeltschs Wechsel "aus dem Heidelberger kleinstaatlichen Idyll auf das Berliner Schlachtfeld" im Jahr 1915 und die Ambivalenzen seiner Kriegspublizistik. Urteilssicher weist er die Beschuldigung zurück, auch Troeltsch habe antisemitisch gedacht; vom Vorwurf eines "volksdeutschen Kulturchauvinismus" spricht er ihn aber nicht frei. Einen Höhepunkt erreichte Troeltschs Entwicklung in seinem späten Versuch, "westliche" Demokratie und Menschenrechte mit einer "deutschen" Tradition des Individualitätsdenkens zu synthetisieren. Thomas Manns bekannte Wende zur Demokratie wurde davon direkt beeinflusst.
Vor dem Epilog zu Troeltschs Verständnis des Christentums als einer "personalistischen" Gegenkraft zu den "depersonalisierenden" Kräften von Bürokratie, Militarismus und Kapitalismus lesen wir noch etwas über Schildbürgerstreiche der heutigen Berliner Verwaltung einschließlich der Verweigerung einer Gedenktafel am einstigen Wohnhaus.
Es ist Graf gelungen, seinen Helden umfassend zu schildern, ohne ihn zum allzeit irrtumslosen Genie zu stilisieren. Überraschend ist nur, dass er dem zweiten umfangreichen Hauptwerk Troeltschs nicht dieselbe Sorgfalt zukommen lässt wie dem ersten. Während die "Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen" souverän zusammengefasst werden, bleibt "Der Historismus und seine Probleme" etwas konturlos. Hat Troeltsch nun das Problem der "Anarchie der Werte", zu dessen Lösung er in Berlin angetreten war, tatsächlich gelöst oder nicht? Damit bleibt auch das Scharnier zu den zahlreichen ideengeschichtlichen Arbeiten offen, die Troeltsch noch zum Ganzen einer "europäischen Kultursynthese" zusammenschmieden wollte.
Ein Leitmotiv für Grafs Darstellung ist die Frage nach einem "liberalen Protestantismus". Auch hierzu enthält das Buch viel Kluges. Troeltsch sah sich selbst keineswegs immer eindeutig als Liberalen, weder im politischen noch im theologischen Sinn. Sosehr ihm die "Zusammenbestehbarkeit" von christlichem Glauben und moderner Welt ein Anliegen war, sosehr er annahm, dass die Religionsferne der gebildeten Schichten kein irreversibler Zustand sei, so wenig hatte er doch einen simplen Begriff von Moderne. Die Rede von einem "modernitätskompatiblen" Christentum ging ihm weniger leicht über die Lippen als seinem Biographen. Vielleicht ist deshalb die Charakterisierung seines Denkens, die von Eduard Spranger stammt, nämlich als "existentiellen Historismus", besser geeignet als die Rede vom liberalen Protestantismus. Man muss ja weder Protestant noch Liberaler sein, um Troeltschs Lebenswerk als imponierend und inspirierend zu erleben. HANS JOAS
Friedrich Wilhelm Graf: "Ernst Troeltsch". Theologe im Welthorizont.
C. H. Beck Verlag, München 2022. 638 S., Abb., geb.,
38,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Friedrich Wilhelm Grafs exzellente Biographie des Theologen und Politikers Ernst Troeltsch
Diese Biographie beginnt mit einer Trauerfeier im Krematorium Berlin-Wilmersdorf am 3. Februar 1923. Zwei Tage zuvor war der protestantische Theologe Ernst Troeltsch überraschend im Alter von 57 Jahren verstorben. Er galt als einer der Bedeutendsten unter den Gelehrten des wilhelminischen Kaiserreichs weit über sein ursprüngliches Fach hinaus. Seine Berliner Professur für "Religions-, Sozial- und Geschichtsphilosophie und christliche Religionsgeschichte" lag außerhalb der Theologischen Fakultät. Spätestens seit Beginn des Ersten Weltkriegs war er zudem als charismatischer öffentlicher Redner und durch zahlreiche Veröffentlichungen in Kulturzeitschriften auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. In den Wirren von Revolution und Nachkriegszeit erwies er sich als scharfsinniger politischer Kommentator. Er wurde zu einem führenden Politiker des linksliberalen Bürgertums, das eine Verständigung mit der proletarisch geprägten Sozialdemokratie für dringend nötig hielt. Als 1919 der erste Reichspräsident gewählt wurde, überlegte die liberale DDP, Troeltsch als ihren Kandidaten aufzustellen.
Es ist deshalb kein Wunder, dass bei der Trauerfeier für ihn sowohl wichtige Politiker anwesend waren wie die bedeutendsten Vertreter der Wissenschaft: Friedrich Meinecke und Otto Hintze, Albert Einstein und Gustav Radbruch, aus der jüngeren Generation Erich Auerbach, Paul Tillich und Hans Jonas. Umso überraschender mutet es an, dass Troeltsch nach seinem Tod außerhalb der Theologie rasch und anhaltend in Vergessenheit geriet.
Vergleicht man seine Wirkungsgeschichte mit der Max Webers, der bis zu einem dramatischen Zerwürfnis 1915 sein enger Kollege und Freund, ja zeitweise sogar Hausgenosse war, dann wird der Kontrast unübersehbar. Auf Webers Bedeutung können sich heute alle einigen; nach ihm sind Institute und Förderprogramme benannt. Troeltsch dagegen wird häufig nur als abhängig von Weber gesehen, ohne die radikale Unterschiedlichkeit der Erkenntnisinteressen wahrzunehmen. Die Abkehr der protestantischen Theologie vom Historismus und die schleichende Entwicklung der Soziologie zu einer "Gegenwartswissenschaft" haben einen Denker an den Rand gedrängt, der sich um ein soziologisch aufgeklärtes Verständnis der Religionsgeschichte, insbesondere der des Christentums, bemühte. Das ist ein gravierendes ideengeschichtliches Versäumnis.
Niemand hat in den letzten Jahrzehnten so viel zu dessen Überwindung geleistet wie der Verfasser der jetzt vorliegenden neuen Biographie. Friedrich Wilhelm Graf ist selbst als äußerst produktiver Religionsintellektueller bekannt, hat aber immer auch die Edition von Troeltschs Schriften in einer "Kritischen Gesamtausgabe" maßgeblich betrieben. Ohne die Sammlung der über 250 Rezensionen aus Troeltschs Feder und der oft unter Pseudonym erschienenen politischen Kommentare, die eine wahre Goldgrube darstellen, ohne die neue dreibändige Ausgabe von Troeltschs tausendseitiger Geschichte des Christentums, die den Reichtum der Weiterführungen aus dem Handexemplar des Verfassers zugänglich gemacht hat, gäbe es die Grundlagen für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit diesem großen Denker heute gar nicht.
Grafs Biographie wird durch ihren Kenntnisreichtum und die Plastizität ihrer Schilderungen für lange Zeit ein Standardwerk sein. Von Troeltsch übernimmt Graf die methodische Leitlinie, die Entwicklung religiöser und philosophischer Ideen im engsten Zusammenhang mit ihren Verwendungsweisen und Produktionsformen zu sehen. Mit großer Wärme, vielleicht sogar ein wenig distanzlos schildert der Verfasser zunächst das Milieu des protestantischen Bildungsbürgertums, dem der Augsburger Arztsohn Troeltsch entstammt. Den Militärdienst nach der Schulzeit erlebte er entsprechend "als schockierende Konfrontation mit kirchenfernen, in seinen Augen amoralischen Gleichaltrigen".
Im Theologiestudium entwickelte Troeltsch seine Ablehnung eines christlichen Denkens, das sich vom modernen intellektuellen Leben und insbesondere von der Relativierung aller Geltungsansprüche durch konsequent historisches Denken isoliert. Die rasche akademische Karriere des glänzend Begabten führte ihn bald nach Heidelberg, wo nicht nur die Universität selbst ein Magnet für den ehrgeizigen Nachwuchs war, sondern sich in elitären Arbeitskreisen und Salons epochale Konstellationen intellektueller Begegnung ergaben. Wir erfahren durch dieses Buch Genaues über die Motive für die intensiven Versuche, die Geschichte des Protestantismus und die Entstehung der "modernen Welt" miteinander in Beziehung zu setzen. Gerade Troeltsch war es, der dabei allen Kontinuitätsmythen hinsichtlich Protestantismus und Moderne entgegentrat und sich auch dem zeitgenössischen "Nationalprotestantismus" entzog. Die Nation könne für die Christen nie der höchste Kulturwert sein.
Äußerst differenziert schildert der Biograph die Folgen von Troeltschs Wechsel "aus dem Heidelberger kleinstaatlichen Idyll auf das Berliner Schlachtfeld" im Jahr 1915 und die Ambivalenzen seiner Kriegspublizistik. Urteilssicher weist er die Beschuldigung zurück, auch Troeltsch habe antisemitisch gedacht; vom Vorwurf eines "volksdeutschen Kulturchauvinismus" spricht er ihn aber nicht frei. Einen Höhepunkt erreichte Troeltschs Entwicklung in seinem späten Versuch, "westliche" Demokratie und Menschenrechte mit einer "deutschen" Tradition des Individualitätsdenkens zu synthetisieren. Thomas Manns bekannte Wende zur Demokratie wurde davon direkt beeinflusst.
Vor dem Epilog zu Troeltschs Verständnis des Christentums als einer "personalistischen" Gegenkraft zu den "depersonalisierenden" Kräften von Bürokratie, Militarismus und Kapitalismus lesen wir noch etwas über Schildbürgerstreiche der heutigen Berliner Verwaltung einschließlich der Verweigerung einer Gedenktafel am einstigen Wohnhaus.
Es ist Graf gelungen, seinen Helden umfassend zu schildern, ohne ihn zum allzeit irrtumslosen Genie zu stilisieren. Überraschend ist nur, dass er dem zweiten umfangreichen Hauptwerk Troeltschs nicht dieselbe Sorgfalt zukommen lässt wie dem ersten. Während die "Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen" souverän zusammengefasst werden, bleibt "Der Historismus und seine Probleme" etwas konturlos. Hat Troeltsch nun das Problem der "Anarchie der Werte", zu dessen Lösung er in Berlin angetreten war, tatsächlich gelöst oder nicht? Damit bleibt auch das Scharnier zu den zahlreichen ideengeschichtlichen Arbeiten offen, die Troeltsch noch zum Ganzen einer "europäischen Kultursynthese" zusammenschmieden wollte.
Ein Leitmotiv für Grafs Darstellung ist die Frage nach einem "liberalen Protestantismus". Auch hierzu enthält das Buch viel Kluges. Troeltsch sah sich selbst keineswegs immer eindeutig als Liberalen, weder im politischen noch im theologischen Sinn. Sosehr ihm die "Zusammenbestehbarkeit" von christlichem Glauben und moderner Welt ein Anliegen war, sosehr er annahm, dass die Religionsferne der gebildeten Schichten kein irreversibler Zustand sei, so wenig hatte er doch einen simplen Begriff von Moderne. Die Rede von einem "modernitätskompatiblen" Christentum ging ihm weniger leicht über die Lippen als seinem Biographen. Vielleicht ist deshalb die Charakterisierung seines Denkens, die von Eduard Spranger stammt, nämlich als "existentiellen Historismus", besser geeignet als die Rede vom liberalen Protestantismus. Man muss ja weder Protestant noch Liberaler sein, um Troeltschs Lebenswerk als imponierend und inspirierend zu erleben. HANS JOAS
Friedrich Wilhelm Graf: "Ernst Troeltsch". Theologe im Welthorizont.
C. H. Beck Verlag, München 2022. 638 S., Abb., geb.,
38,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Friedrich Wilhelm Grafs Biografie über den Religionssoziologen Ernst Troeltsch füllt für den Rezensenten Marko Martin so manche historische Leerstelle. Der Theologe Graf, schreibt Martin, habe ein "ausgereiftes Standardwerk" über den Lehrer vieler deutscher Geistesgrößen vorgelegt, der bis zu seinem Tod 1923 für Liberalität und Völkerverständigung geworben hatte. Weil es in der deutschen Akademikerwelt durchaus kein Standard sei, lobt der Rezensent die gute Lesbarkeit des Buches, freut sich darüber, dass Graf auf eigene Statements zu Leben und Werk von Troeltsch verzichtet und dabei dennoch tiefschürfend nachvollzieht, was den Intellektuellen Troeltsch umtrieb. Für Martin ist es ein echter Zugewinn, dass er durch diese Biografie einen klugen und sensiblen Moralisten des wilhelminischen Deutschlands und der Weimarer Republik kennenlernen durfte, auf den sich Erich Kästner aus guten Grund berief.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.12.2022Nicht bloß eine neue Theologie
Friedrich Wilhelm Grafs eindrucksvolle Biografie des streitbaren Religionsphilosophen und gelehrten Unruhestifters Ernst Troeltsch
Diese Biografie beginnt mit dem Ende. Keine andere Szene könnte Leben und Charakter des liberalen Theologen, Philosophen, Publizisten und Politikers Ernst Troeltsch so plastisch zeigen wie ausgerechnet seine Beerdigung. Mit nur 57 Jahren war er am 1. Februar 1923 in Berlin an den Folgen einer Grippe gestorben. Auch chronische Überanstrengung und Verzweiflung über Deutschland dürften zu seinem frühen Ende beigetragen haben. Schon zwei Tage danach versammelte sich eine riesige Trauergemeinde in und vor der Haupthalle des Wilmersdorfers Krematoriums. Gekommen waren berühmte Gelehrte, unter anderem Albert Einstein, Künstler und Intellektuelle, politische Weggefährten wie Theodor Heuss, nicht nur Schüler, sondern auch Schülerinnen, was damals für einen evangelischen Theologen ebenso ungewöhnlich war wie die vielen Freundinnen und Freunde mit jüdischer Familiengeschichte. Die Predigt hielt der bedeutendste Theologe und Wissenschaftspolitiker dieser Zeit, Adolf von Harnack. Parallel erschienen über 140 Nachrufe. Den eindrucksvollsten schrieb der letzte Assistent, Ludwig Marcuse. Sogar in ehemals verfeindeten Ländern wie Großbritannien und den USA wurde Troeltschs gedacht. Dieser Tod war auch ein Medienereignis.
In seiner großartigen Troeltsch-Biografie zeichnet der Münchner Theologe Friedrich Wilhelm Graf diese Szene mit Meisterhand. Sensibel schildert er die Atmosphäre, intensiv analysiert er Reden und Artikel. Überraschende Details haben sein Team und er recherchiert: etwa, dass Troeltschs Frau Marta und der neunjährige Sohn Ernst Eberhard ausgerechnet in Paul von Hindenburgs Wagen vorgefahren wurden. Vor allem aber kann Graf hier die zentralen Aspekte seiner Lebensdeutung vorstellen. Nämlich erstens, dass Troeltsch – für einen damaligen Gelehrten ungewöhnlich – ein Leben in Beziehungen geführt hat. Zweitens wird in der Erschütterung der Trauergemeinde wie in einem Spiegel Troeltschs ungeheure Vitalität sichtbar. Denn der Kontrast zwischen dem kraftstrotzenden Vielleser, -schreiber und -redner und seinem vorzeitigen Verlöschen hätte nicht krasser sein können. Drittens war Troeltsch einer, der nicht fertig wurde. Unabgeschlossenheit war Teil seines intellektuellen Charismas, jetzt zeigte sich darin eine Tragik.
Fachleute haben lange auf die Troeltsch-Biografie von Graf gewartet. Kein anderer hätte sie so schreiben können. Sein ganzes Berufsleben hat sich Graf mit Troeltsch beschäftigt. Mit Kollegen hat er dessen verstreute Texte gesammelt und in einer auf 26 Bänden angelegten, bald abgeschlossenen Werkausgabe ediert. Hinzu kamen Aufsätze und Tagungsbände. Niemand verfügt in Sachen Troeltsch über Grafs Quellen- und Detailkenntnis, niemand kann so erhellend wissenschaftliche, politische und kulturelle Bezüge darlegen. Und dann ist es ihm auch noch gelungen, dass diese Biografie keineswegs nur für Fachleute von Interesse ist.
Interessant ist Troeltsch zum Beispiel, weil man an seinem Beispiel diskutieren kann, ob das Wilhelminische Kaiserreich ein reaktionäres System war oder eine Epoche des Fortschritts. So wie Graf dessen Weg bis 1914 nachzeichnet, muss man sagen: beides! Aufgewachsen und verwurzelt war Troeltsch in einer „Welt von gestern“: humanistisch gebildet, kaisertreu, bürgerlich-protestantisch. Zugleich war er ein Unruhestifter. Er erschütterte die Dogmatiken konservativer Theologen, aber auch die Selbstgewissheiten des fortschrittlichen Lagers. Dadurch wurde er zur Leitfigur und zugleich zum Außenseiter. Was er 1900 in einem Brief an Harnack als seine Grundüberzeugung beschrieb, musste viele befremden: „Das Christentum ist in der modernen Welt eine neue Religion geworden, weil es ganz neue Inhalte und Weltsichten in sich hineingezogen hat. Es ist nicht bloß eine neue Theologie, was wir vertreten, sondern überhaupt eine neue Phase des Christentums.“
Im „Weltdorf“ Heidelberg fand er eine ideale Wirkungsstätte und in Marianne und Max Weber inspirierende Hausgenossen. Hier schrieb er programmatische Aufsätze zur Religionsphilosophie, zur kulturwissenschaftlichen Öffnung und konsequenten Historisierung der Theologie, zum Protestantismus, zur Soziologie. Dabei gelangen ihm die kurzen Texte am besten, während er bei Versuchen, das eine große Buch zu schreiben, scheiterte. Wer ihn kennenlernen will, sollte seine Buchbesprechungen lesen.
Als Vertreter der Universität im badischen Landtag hatte Troeltsch erfahren, wie soziale und politische Wirklichkeiten aussehen. Diese Lehre kam ihm zugute, als er 1914 auf einen religionsphilosophischen Lehrstuhl nach Berlin kam, – kurz bevor der Erste Weltkrieg begann. Wie gerade erst wieder zu erleben war, sind Kriegsausbrüche Gelegenheiten, bei denen öffentliche Intellektuelle mitunter aufgedrehten Unfug von sich geben. Auch aus dieser Perspektive ist die Biografie hochinteressant. Denn Graf zeigt, welche Wege und Umwege Troeltsch gehen musste, bis er zu einer ethisch klaren und politisch mündigen Einstellung fand, sich außen- wie innenpolitisch für Frieden und Verständigung einsetzte. Dabei verschweigt Graf Fehleinschätzungen und Ressentiments nicht.
Nach 1918 intensivierte Troeltsch sein politisches Engagement. Er betrieb Wahlkampf für die linksliberale Deutsche demokratische Partei und legte als Abgeordneter sowie als parlamentarischer Staatssekretär mit die Grundlagen für eine demokratische Ordnung des Verhältnisses von Religion und Staat. Als Publizist versuchte er, mit Leidenschaft und Argumenten, das protestantische Bildungsbürgertum, also seine eigene Schicht für die junge Demokratie zu gewinnen. Hier führte er einen zunehmend verzweifelten Kampf. Am Tag, als sein Freund Rathenau ermordet wurde, begann er seine Vorlesung mit den Worten: „Der Feind steht rechts.“ Ob man in der heutigen FDP noch von diesem tragischen Vorkämpfer einer liberalen und sozialen Demokratie in Deutschland weiß?
Es ist dem Biografen hoch anzurechnen, dass er trotz der Überfülle an wissenschaftlichen und politischen Leistungen den „inneren Menschen“ nicht vergisst. Fein beschreibt Graf auch die schwierigen Aspekte von Troeltschs Persönlichkeit, vor allem aber geht er auf dessen Frömmigkeit ein. Diese war – das mag paradox anmuten – erstaunlich einfach, auf das für ihn Wesentliche konzentriert: Gottvertrauen und Nächstenliebe. So gilt für den sterbenden Ernst Troeltsch, was er selbst als Student in einem Brief über sich geschrieben hat: „Inzwischen bin ich theoretisch Skeptiker, praktisch ein gewöhnlich Frommer.“
JOHANN HINRICH CLAUSSEN
Sein Tod 1923 war ein
Medienereignis, Albert
Einstein kam zur
Trauerfeier
Friedrich Wilhelm Graf: Ernst Troeltsch.
Theologe im Welt-
horizont.
Eine Biographie,
C.H. Beck,
München 2022,
640 Seiten, 38 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Friedrich Wilhelm Grafs eindrucksvolle Biografie des streitbaren Religionsphilosophen und gelehrten Unruhestifters Ernst Troeltsch
Diese Biografie beginnt mit dem Ende. Keine andere Szene könnte Leben und Charakter des liberalen Theologen, Philosophen, Publizisten und Politikers Ernst Troeltsch so plastisch zeigen wie ausgerechnet seine Beerdigung. Mit nur 57 Jahren war er am 1. Februar 1923 in Berlin an den Folgen einer Grippe gestorben. Auch chronische Überanstrengung und Verzweiflung über Deutschland dürften zu seinem frühen Ende beigetragen haben. Schon zwei Tage danach versammelte sich eine riesige Trauergemeinde in und vor der Haupthalle des Wilmersdorfers Krematoriums. Gekommen waren berühmte Gelehrte, unter anderem Albert Einstein, Künstler und Intellektuelle, politische Weggefährten wie Theodor Heuss, nicht nur Schüler, sondern auch Schülerinnen, was damals für einen evangelischen Theologen ebenso ungewöhnlich war wie die vielen Freundinnen und Freunde mit jüdischer Familiengeschichte. Die Predigt hielt der bedeutendste Theologe und Wissenschaftspolitiker dieser Zeit, Adolf von Harnack. Parallel erschienen über 140 Nachrufe. Den eindrucksvollsten schrieb der letzte Assistent, Ludwig Marcuse. Sogar in ehemals verfeindeten Ländern wie Großbritannien und den USA wurde Troeltschs gedacht. Dieser Tod war auch ein Medienereignis.
In seiner großartigen Troeltsch-Biografie zeichnet der Münchner Theologe Friedrich Wilhelm Graf diese Szene mit Meisterhand. Sensibel schildert er die Atmosphäre, intensiv analysiert er Reden und Artikel. Überraschende Details haben sein Team und er recherchiert: etwa, dass Troeltschs Frau Marta und der neunjährige Sohn Ernst Eberhard ausgerechnet in Paul von Hindenburgs Wagen vorgefahren wurden. Vor allem aber kann Graf hier die zentralen Aspekte seiner Lebensdeutung vorstellen. Nämlich erstens, dass Troeltsch – für einen damaligen Gelehrten ungewöhnlich – ein Leben in Beziehungen geführt hat. Zweitens wird in der Erschütterung der Trauergemeinde wie in einem Spiegel Troeltschs ungeheure Vitalität sichtbar. Denn der Kontrast zwischen dem kraftstrotzenden Vielleser, -schreiber und -redner und seinem vorzeitigen Verlöschen hätte nicht krasser sein können. Drittens war Troeltsch einer, der nicht fertig wurde. Unabgeschlossenheit war Teil seines intellektuellen Charismas, jetzt zeigte sich darin eine Tragik.
Fachleute haben lange auf die Troeltsch-Biografie von Graf gewartet. Kein anderer hätte sie so schreiben können. Sein ganzes Berufsleben hat sich Graf mit Troeltsch beschäftigt. Mit Kollegen hat er dessen verstreute Texte gesammelt und in einer auf 26 Bänden angelegten, bald abgeschlossenen Werkausgabe ediert. Hinzu kamen Aufsätze und Tagungsbände. Niemand verfügt in Sachen Troeltsch über Grafs Quellen- und Detailkenntnis, niemand kann so erhellend wissenschaftliche, politische und kulturelle Bezüge darlegen. Und dann ist es ihm auch noch gelungen, dass diese Biografie keineswegs nur für Fachleute von Interesse ist.
Interessant ist Troeltsch zum Beispiel, weil man an seinem Beispiel diskutieren kann, ob das Wilhelminische Kaiserreich ein reaktionäres System war oder eine Epoche des Fortschritts. So wie Graf dessen Weg bis 1914 nachzeichnet, muss man sagen: beides! Aufgewachsen und verwurzelt war Troeltsch in einer „Welt von gestern“: humanistisch gebildet, kaisertreu, bürgerlich-protestantisch. Zugleich war er ein Unruhestifter. Er erschütterte die Dogmatiken konservativer Theologen, aber auch die Selbstgewissheiten des fortschrittlichen Lagers. Dadurch wurde er zur Leitfigur und zugleich zum Außenseiter. Was er 1900 in einem Brief an Harnack als seine Grundüberzeugung beschrieb, musste viele befremden: „Das Christentum ist in der modernen Welt eine neue Religion geworden, weil es ganz neue Inhalte und Weltsichten in sich hineingezogen hat. Es ist nicht bloß eine neue Theologie, was wir vertreten, sondern überhaupt eine neue Phase des Christentums.“
Im „Weltdorf“ Heidelberg fand er eine ideale Wirkungsstätte und in Marianne und Max Weber inspirierende Hausgenossen. Hier schrieb er programmatische Aufsätze zur Religionsphilosophie, zur kulturwissenschaftlichen Öffnung und konsequenten Historisierung der Theologie, zum Protestantismus, zur Soziologie. Dabei gelangen ihm die kurzen Texte am besten, während er bei Versuchen, das eine große Buch zu schreiben, scheiterte. Wer ihn kennenlernen will, sollte seine Buchbesprechungen lesen.
Als Vertreter der Universität im badischen Landtag hatte Troeltsch erfahren, wie soziale und politische Wirklichkeiten aussehen. Diese Lehre kam ihm zugute, als er 1914 auf einen religionsphilosophischen Lehrstuhl nach Berlin kam, – kurz bevor der Erste Weltkrieg begann. Wie gerade erst wieder zu erleben war, sind Kriegsausbrüche Gelegenheiten, bei denen öffentliche Intellektuelle mitunter aufgedrehten Unfug von sich geben. Auch aus dieser Perspektive ist die Biografie hochinteressant. Denn Graf zeigt, welche Wege und Umwege Troeltsch gehen musste, bis er zu einer ethisch klaren und politisch mündigen Einstellung fand, sich außen- wie innenpolitisch für Frieden und Verständigung einsetzte. Dabei verschweigt Graf Fehleinschätzungen und Ressentiments nicht.
Nach 1918 intensivierte Troeltsch sein politisches Engagement. Er betrieb Wahlkampf für die linksliberale Deutsche demokratische Partei und legte als Abgeordneter sowie als parlamentarischer Staatssekretär mit die Grundlagen für eine demokratische Ordnung des Verhältnisses von Religion und Staat. Als Publizist versuchte er, mit Leidenschaft und Argumenten, das protestantische Bildungsbürgertum, also seine eigene Schicht für die junge Demokratie zu gewinnen. Hier führte er einen zunehmend verzweifelten Kampf. Am Tag, als sein Freund Rathenau ermordet wurde, begann er seine Vorlesung mit den Worten: „Der Feind steht rechts.“ Ob man in der heutigen FDP noch von diesem tragischen Vorkämpfer einer liberalen und sozialen Demokratie in Deutschland weiß?
Es ist dem Biografen hoch anzurechnen, dass er trotz der Überfülle an wissenschaftlichen und politischen Leistungen den „inneren Menschen“ nicht vergisst. Fein beschreibt Graf auch die schwierigen Aspekte von Troeltschs Persönlichkeit, vor allem aber geht er auf dessen Frömmigkeit ein. Diese war – das mag paradox anmuten – erstaunlich einfach, auf das für ihn Wesentliche konzentriert: Gottvertrauen und Nächstenliebe. So gilt für den sterbenden Ernst Troeltsch, was er selbst als Student in einem Brief über sich geschrieben hat: „Inzwischen bin ich theoretisch Skeptiker, praktisch ein gewöhnlich Frommer.“
JOHANN HINRICH CLAUSSEN
Sein Tod 1923 war ein
Medienereignis, Albert
Einstein kam zur
Trauerfeier
Friedrich Wilhelm Graf: Ernst Troeltsch.
Theologe im Welt-
horizont.
Eine Biographie,
C.H. Beck,
München 2022,
640 Seiten, 38 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
"Grafs meisterliche Biografie holt Troeltsch verdientermaßen zurück in den unabgeschlossenen Diskurs um Herkunft und Bedeutung der Moderne."
Der Tagesspiegel, Bernhard Schulz
"Grafs Biographie wird durch ihren Kenntnisreichtum und die Plastizität ihrer Schilderungen für lange Zeit ein Standardwerk sein."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Hans Joas
Es wird die narrative Stärke des Verfassers deutlich, durch die es ihm gelingt, Troeltsch seinen Lesern als lebendigen Denker und Menschen vor Augen zu malen."
Die Tagespost, Tilman Asmus Fischer
"Eine glänzend geschriebene Biografie "
Die Furche, Christian Danz
"Empfehlenswert auch, weil Troeltsch und Graf etwas gemeinsam haben: Sie können beide schreiben."
WELT am Sonntag, Matthias Heine
"Ein ausgereiftes Standardwerk ... flüssig geschrieben und souverän changierend zwischen biografischer Nachzeichnung und Werkgenese."
Deutschlandfunk Kultur, Marko Martin
Der Tagesspiegel, Bernhard Schulz
"Grafs Biographie wird durch ihren Kenntnisreichtum und die Plastizität ihrer Schilderungen für lange Zeit ein Standardwerk sein."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Hans Joas
Es wird die narrative Stärke des Verfassers deutlich, durch die es ihm gelingt, Troeltsch seinen Lesern als lebendigen Denker und Menschen vor Augen zu malen."
Die Tagespost, Tilman Asmus Fischer
"Eine glänzend geschriebene Biografie "
Die Furche, Christian Danz
"Empfehlenswert auch, weil Troeltsch und Graf etwas gemeinsam haben: Sie können beide schreiben."
WELT am Sonntag, Matthias Heine
"Ein ausgereiftes Standardwerk ... flüssig geschrieben und souverän changierend zwischen biografischer Nachzeichnung und Werkgenese."
Deutschlandfunk Kultur, Marko Martin