'Erschlagt die Armen!' ist Titel eines Prosagedichts von Charles Baudelaire, und die Protagonistin dieses Romans scheint ihn wörtlich genommen zu haben: Die junge Frau schlägt einem Migranten in der Metro eine Weinflasche über den Kopf und findet sich in Polizeigewahrsam wieder. Dort soll sie sich erklären: Was treibt eine Frau indischer Abstammung, die in der Asylbehörde als Dolmetscherin zwischen Asylbewerbern und Beamten vermittelt, zu einer solchen Tat? Täglich übersetzt sie das Jammern und die Lügen der Asylbewerber, deren offensichtliches Elend der Behörde nicht reicht - und ist angewidert vom System, deren Teil sie geworden ist. Als Migrantin bleibt sie fremd in den Augen der Beamten, aber auch für ihre ehemaligen Landsleute ist sie fremd - als eine, die es geschafft hat. Schließlich scheint es auch für sie in der menschengemachten Enge der Welt keine andere Begegnung als den Angriff zu geben.Ein zorniger Roman, der in kraftvoller, bilderreicher Sprache aufrüttelnde Fragenzu Identität und Zusammenleben in einer globalisierten Welt stellt.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Einen sehr zornigen Roman hat Shumona Sinha geschrieben, erklärt Claudia Kramatschek, die in ihrer Kritik Sympathie für die Autorin nur durchscheinen lässt. Sinha erzählt in "Erschlagt die Armen!" von einer Dolmetscherin in einer französischen Ausländerbehörde, die der Rassismus der Franzosen ebenso ankotzt wie die gefälschten Geschichten und der Chauvinismus der Asylsuchenden. Es ist auch Sinhas eigene Geschichte, die sie hier erzählt. Die Sprache ist provokant und manchmal "sehr verliebt in das eigene Wortspiel", so die Rezensentin. Eigentlich bekommen alle hier ihr Fett weg. Warum der Roman jedoch in Frankreich so viel Aufsehen erregte, dass Sinha in Folge ihren Dolmetscherjob verlor, versteht Kramatschek beim besten Willen nicht. Das sagt doch mehr über die französische Gesellschaft aus als über das Buch, findet sie.
© Perlentaucher Medien GmbH
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