Aus der Konstellation von Krise und Gewalt hat die Literatur der Jahrhundertwende ihre zentralen Themen gewonnen. Augenfällig ist zugleich die Vorliebe der Künstler und Schriftsteller für extreme, hochstilisierte Gewalt: für Hinrichtungen, Lustmorde und Martyrien, für mörderische Femmes fatales und grausame Dandys. Dieses Buch zeigt die Orientierung der vordergründig dekadenten Gewalt an Bildern und Funktionen des Opferrituals. Unter Rückgriff auf mythische Vorgaben haben Literatur und Ästhetik mit dem "Opfer" ein besonderes Modell sozialer und privater Krisenbewältigung herausgebildet. Als antirationales und antibürgerliches Ritual stand das Opfer gegen eine als profan empfundene Moderne und bot nach dem Verlust metaphysischer Gewissheiten Orientierung für das unstete religiöse Interesse vieler Zeitgenossen. Der Autor analysiert die Bedeutung des Opfermotivs in Werken von Hofmannsthal, Rilke, Borchardt, Flaubert, Wilde, George und D'Annunzio.