»Schreiben von Gedichten / ist Übersetzen / aus einer Sprache / die es nicht gibt«, so heißt es einmal bei Fabjan Hafner, der sich in der Reibung zwischen zwei Sprachen bewegte. Hafner, kärntnerslowenischer Dichter, Übersetzer und Literaturwissenschaftler, schrieb in beiden Kärntner Landessprachen und war »eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen der slowenischen und der deutschsprachigen Kultur«, wie die NZZ befand.
Erste und letzte Gedichte (1982-2016) versammelt eine repräsentative Auswahl aus Hafners lyrischem Werk, lakonisch verdichtete Zeilen eines stockenden Ichs. Es sind »Anrufungen des Dunkels, der Stummheit, der Sprachlosigkeit, der Verlassenheit, des Ekels und des Grausens«, darin »herzlich-herzöffnend ernst« und von »menschensuchender, weltoffener Angst«, meisterhaft übertragen und mit einleitenden Worten versehen von Peter Handke.
Erste und letzte Gedichte (1982-2016) versammelt eine repräsentative Auswahl aus Hafners lyrischem Werk, lakonisch verdichtete Zeilen eines stockenden Ichs. Es sind »Anrufungen des Dunkels, der Stummheit, der Sprachlosigkeit, der Verlassenheit, des Ekels und des Grausens«, darin »herzlich-herzöffnend ernst« und von »menschensuchender, weltoffener Angst«, meisterhaft übertragen und mit einleitenden Worten versehen von Peter Handke.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Tilman Spreckelsen entdeckt in Fabjan Hafners Gedichten Verbindungslinien zwischen Früh- und Spätwerk. Die von Peter Handke übersetzten Texte kreisen laut Spreckelsen um den Ort des lyrischen Ichs in der Welt und seine Beziehung zu den anderen. Spreckelsen erkennt ferner den Wunsch, die Isolation zu überwinden. Formal sprechen ihn die verdichtete Musikalität der Texte, ihr Formwille an, auch wenn die Bildlichkeit der frühen Texte, die laut Schimmang den wesentlichen Teil der Sammlung ausmacht, den Rezensenten nicht eben in neue Sphären katapultiert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2020Puppe ohne Fäden
Fabjan Hafners frühe und späte Lyrik
"Gern würde ich mit dir, nicht zu lange, / wärs möglich, / wenn es nach und nach sich ergibt, / schweigen" - so behutsam, beinahe zögerlich fängt das Gedicht an, um dann die erwünschte Situation auf entscheidende Weise zu präzisieren: "Würde nicht fragen nach deiner Narbe / (das hieße die Zweiheit zerstören), / nicht mich selber und / schon gar nicht dich." Denn an die "Beredsamkeit des Schweigens" glaube er nicht, so der Sprecher dieses Gedichts, nicht daran, dass sich die Sprache noch einen vermittelten Weg bahne durch die Stille. Warum dann aber diese stille Zusammenkunft?
Fabjan Hafner, geboren 1966 und vor viereinhalb Jahren, am 10. Mai 2016, gestorben, war Literaturwissenschaftler und Übersetzer, der sich der Vermittlung zwischen dem Slowenischen und dem Deutschen verschrieben hatte wie kaum ein Zweiter seiner Generation. Er übertrug Lyrik zwischen den Sprachen, gab Gedichtanthologien heraus und analysierte präzise die Rolle, die das Konstrukt eines sehnsüchtig erträumten Sloweniens für das literarische Werk Peter Handkes einnahm.
Handke ist es auch, der nun die Sammlung "Erste und letzte Gedichte" des gebürtigen und zweisprachigen Klagenfurters Hafner aus dem Slowenischen ins Deutsche übertragen und bei Suhrkamp herausgegeben hat. Sie umfasst 33 Texte, dazu ein Vorwort Handkes, ein aufschlussreiches Nachwort von Dominik Srienc, der wie ehedem Hafner am Klagenfurter Robert-Musil-Institut arbeitet, und ein Gedicht für Hafner von Gustav Janus. Dabei ist das Frühwerk des Autors, entstanden etwa zwischen 1982 und 1987, mit 25 Gedichten deutlich umfangreicher vertreten als die "Letzten Gedichte" von 2008 bis 2016.
Zwei Werkteile also, getrennt durch einen Abstand von 21 Jahren. Und doch weisen von Hafners Jugendlyrik erstaunlich deutliche Linien zu jenen Gedichten, die er bis kurz vor seinem Tod schrieb. Zentral ist in ihnen die Frage nach der Position des Einzelnen in der Welt und nach der Kommunikation mit denen, die ihn umgeben: "Starre Figuren sind wir / hilflos zurückgelassen / in dieser leeren Ebene", Figuren, deren Worte "halbausgesprochen" und deren Tränen "alt" und "vereist" sind.
Es sind nicht unbedingt originelle Bilder, die der junge Mann findet, aber in ihrer Verdichtung wird der Wille des Autors zur Form deutlich und die Entschlossenheit, das Gesagte bei aller Musikalität der Texte aufs unbedingt Notwendige zu reduzieren. Und die Gedichte dienen als Spiegel, als Medien zur Erkenntnis der eigenen Situation: "Besinnungslos lebst du / stumpf / im Alleinsein", so beginnt eines, das zugleich aufscheinen lässt, dass diese Isolation nicht das letzte Wort sein muss. Und ein anderes, "Vereinsamung", spielt mit dem Janusgesicht dieses Zustands: "Weißt nicht mehr / was träumen / die Drähte sind unterbrochen / niemand führt dich / bist dir zur Puppe / geworden allein / ausgeliefert dem Zwang / deiner Gedanken".
Der Weg ist gar nicht weit von hier bis zu dem späten Gedicht "Gern würde ich mit dir", das vom gemeinsamen unberedten Schweigen handelt. Was bleibt da noch an Kommunikation? "Unser schweigendes / Blickpaar als mögliche Parallelen, / welche einander berührt haben und / berühren werden dort irgendwo / in der Unendlichkeit". Wo die Gegenwart keinen Austausch zulässt, so mag man sich das deuten, begründen Vergangenheit und Zukunft die Hoffnung darauf, die Isolation des Einzelnen zu überwinden.
TILMAN SPRECKELSEN
Fabjan Hafner: "Erste und letzte Gedichte".
Aus dem Slowenischen von Peter Handke. Zweisprachige Ausgabe. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 119 S., geb., 20,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Fabjan Hafners frühe und späte Lyrik
"Gern würde ich mit dir, nicht zu lange, / wärs möglich, / wenn es nach und nach sich ergibt, / schweigen" - so behutsam, beinahe zögerlich fängt das Gedicht an, um dann die erwünschte Situation auf entscheidende Weise zu präzisieren: "Würde nicht fragen nach deiner Narbe / (das hieße die Zweiheit zerstören), / nicht mich selber und / schon gar nicht dich." Denn an die "Beredsamkeit des Schweigens" glaube er nicht, so der Sprecher dieses Gedichts, nicht daran, dass sich die Sprache noch einen vermittelten Weg bahne durch die Stille. Warum dann aber diese stille Zusammenkunft?
Fabjan Hafner, geboren 1966 und vor viereinhalb Jahren, am 10. Mai 2016, gestorben, war Literaturwissenschaftler und Übersetzer, der sich der Vermittlung zwischen dem Slowenischen und dem Deutschen verschrieben hatte wie kaum ein Zweiter seiner Generation. Er übertrug Lyrik zwischen den Sprachen, gab Gedichtanthologien heraus und analysierte präzise die Rolle, die das Konstrukt eines sehnsüchtig erträumten Sloweniens für das literarische Werk Peter Handkes einnahm.
Handke ist es auch, der nun die Sammlung "Erste und letzte Gedichte" des gebürtigen und zweisprachigen Klagenfurters Hafner aus dem Slowenischen ins Deutsche übertragen und bei Suhrkamp herausgegeben hat. Sie umfasst 33 Texte, dazu ein Vorwort Handkes, ein aufschlussreiches Nachwort von Dominik Srienc, der wie ehedem Hafner am Klagenfurter Robert-Musil-Institut arbeitet, und ein Gedicht für Hafner von Gustav Janus. Dabei ist das Frühwerk des Autors, entstanden etwa zwischen 1982 und 1987, mit 25 Gedichten deutlich umfangreicher vertreten als die "Letzten Gedichte" von 2008 bis 2016.
Zwei Werkteile also, getrennt durch einen Abstand von 21 Jahren. Und doch weisen von Hafners Jugendlyrik erstaunlich deutliche Linien zu jenen Gedichten, die er bis kurz vor seinem Tod schrieb. Zentral ist in ihnen die Frage nach der Position des Einzelnen in der Welt und nach der Kommunikation mit denen, die ihn umgeben: "Starre Figuren sind wir / hilflos zurückgelassen / in dieser leeren Ebene", Figuren, deren Worte "halbausgesprochen" und deren Tränen "alt" und "vereist" sind.
Es sind nicht unbedingt originelle Bilder, die der junge Mann findet, aber in ihrer Verdichtung wird der Wille des Autors zur Form deutlich und die Entschlossenheit, das Gesagte bei aller Musikalität der Texte aufs unbedingt Notwendige zu reduzieren. Und die Gedichte dienen als Spiegel, als Medien zur Erkenntnis der eigenen Situation: "Besinnungslos lebst du / stumpf / im Alleinsein", so beginnt eines, das zugleich aufscheinen lässt, dass diese Isolation nicht das letzte Wort sein muss. Und ein anderes, "Vereinsamung", spielt mit dem Janusgesicht dieses Zustands: "Weißt nicht mehr / was träumen / die Drähte sind unterbrochen / niemand führt dich / bist dir zur Puppe / geworden allein / ausgeliefert dem Zwang / deiner Gedanken".
Der Weg ist gar nicht weit von hier bis zu dem späten Gedicht "Gern würde ich mit dir", das vom gemeinsamen unberedten Schweigen handelt. Was bleibt da noch an Kommunikation? "Unser schweigendes / Blickpaar als mögliche Parallelen, / welche einander berührt haben und / berühren werden dort irgendwo / in der Unendlichkeit". Wo die Gegenwart keinen Austausch zulässt, so mag man sich das deuten, begründen Vergangenheit und Zukunft die Hoffnung darauf, die Isolation des Einzelnen zu überwinden.
TILMAN SPRECKELSEN
Fabjan Hafner: "Erste und letzte Gedichte".
Aus dem Slowenischen von Peter Handke. Zweisprachige Ausgabe. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 119 S., geb., 20,- [Euro].
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»Gut nachvollziehbar ist bei der Lektüre Hafners Abwägen jedes einzelnen Worts vor dessen Festschreibung im Gedicht, auch sein Ringen um die richtige Entscheidung zwischen sparsamem Sprechen oder Schweigen, denn Hafner weiß um den Schatz des Schweigens. Was auffällt, ist die motivische Kontinuität, seine Auseinandersetzung mit dem Alleinsein, mit Einsamkeit und einer tief innewohnenden Angst, seinem Verlorensein in der Welt.« Monika Vasik poesiegalerie.at 20210126