Produktdetails
- Verlag: Ullstein Taschenbuch Verlag
- ISBN-13: 9783548261126
- ISBN-10: 3548261124
- Artikelnr.: 25127175
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.03.2011Zum Steinerweichen
Schuld ist wohl Benn. Seine Karyatiden-Anrufung verhallte wie alles expressionistisch Überkandidelte, ohne dass eine einzige Steinlady sich zerblühte oder Tempel stürzte. Doch dann kam der doppelte Klagenfurter Gert Jonke - tatsächlich geboren in diesem Nest und 1977 den Bachmann-Preis abgestaubt habend -, ein Neoexpressionist, der den Altbaufiguren 1982 Ähnliches nahelegte, allerdings mehr hintenrum. Karyatiden und Atlanten, das muss man wissen, kennen nämlich keinen Schlaf. Folglich fasziniert sie, wie Protagonist Burgmüller ihnen etwas vorschnarcht. Die Gefahr dämmert uns gleich: "Ja, wenn sie eines Tages doch noch einschliefen, und zwar absichtlich? Dann stürzte doch die halbe Stadt ein, und das wäre dann wie in einem unerklärt hereingebrochenen Krieg." Was die Stadt rettet, ist Jonkes Poetologie. Er glaube nur an Erzählungen, hat er einmal dekretiert, die durch andere Erzählungen unterbrochen werden. Und so werden nun mit viel Wortgeklingel drei Liebesabenteuer Burgmüllers eingeschachtelt, wobei die Damen allesamt nicht ganz knusper sind, dafür aber sehr kunstaffin: Die Erste geht ihm im Unterschied von "dorther" und "daher" flöten, die Zweite verschmilzt mit einer Stubenfliege, und die Dritte, eine selbsternannte Schriftstellerin, glaubt nicht an die Existenz der Welt, was für Burgmüller nachteilig ist: "wir könnten nur beschreiben, wie wir miteinander schlafen". Dann rumpelt es doch noch - "oder ist dies der brennende Schlaf des verzweifelt gleißend niedergeglüht aufgeheizten Nachmittagslichts, dessen Ruinen zerstäubt das ganze Land hinter ihm in diesem Staubrauchwetter aufquellen lassen"? Man weiß es nicht. (Gert Jonke: "Erwachen zum großen Schlafkrieg". Erzählung. Nachwort von Paul Jandl. Jung und Jung Verlag, Salzburg 2011. 271 S., geb., 22,- [Euro].) oju
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schuld ist wohl Benn. Seine Karyatiden-Anrufung verhallte wie alles expressionistisch Überkandidelte, ohne dass eine einzige Steinlady sich zerblühte oder Tempel stürzte. Doch dann kam der doppelte Klagenfurter Gert Jonke - tatsächlich geboren in diesem Nest und 1977 den Bachmann-Preis abgestaubt habend -, ein Neoexpressionist, der den Altbaufiguren 1982 Ähnliches nahelegte, allerdings mehr hintenrum. Karyatiden und Atlanten, das muss man wissen, kennen nämlich keinen Schlaf. Folglich fasziniert sie, wie Protagonist Burgmüller ihnen etwas vorschnarcht. Die Gefahr dämmert uns gleich: "Ja, wenn sie eines Tages doch noch einschliefen, und zwar absichtlich? Dann stürzte doch die halbe Stadt ein, und das wäre dann wie in einem unerklärt hereingebrochenen Krieg." Was die Stadt rettet, ist Jonkes Poetologie. Er glaube nur an Erzählungen, hat er einmal dekretiert, die durch andere Erzählungen unterbrochen werden. Und so werden nun mit viel Wortgeklingel drei Liebesabenteuer Burgmüllers eingeschachtelt, wobei die Damen allesamt nicht ganz knusper sind, dafür aber sehr kunstaffin: Die Erste geht ihm im Unterschied von "dorther" und "daher" flöten, die Zweite verschmilzt mit einer Stubenfliege, und die Dritte, eine selbsternannte Schriftstellerin, glaubt nicht an die Existenz der Welt, was für Burgmüller nachteilig ist: "wir könnten nur beschreiben, wie wir miteinander schlafen". Dann rumpelt es doch noch - "oder ist dies der brennende Schlaf des verzweifelt gleißend niedergeglüht aufgeheizten Nachmittagslichts, dessen Ruinen zerstäubt das ganze Land hinter ihm in diesem Staubrauchwetter aufquellen lassen"? Man weiß es nicht. (Gert Jonke: "Erwachen zum großen Schlafkrieg". Erzählung. Nachwort von Paul Jandl. Jung und Jung Verlag, Salzburg 2011. 271 S., geb., 22,- [Euro].) oju
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