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Am heiligen Abend des Jahres 1943 ersticht die junge Bronwen Davies einen Unbekannten, der sie auf dem Nachhauseweg vergewaltigen will. Bronwen schweigt über die Geschehnisse. Eines Tages wird ein Mann mit Motiv aber ohne Alibi für den Mord angeklagt. Bronwen glaubt an die Gerechtigkeit der britischen Justiz und schweigt weiter, aber die Jury - zu der auch ihre Mutter gehört - befindet den Mann für schuldig. Seit der Hinrichtung des Unschuldigen befallen Bronwen immer wieder heftige Anfälle von Nasenbluten, jeder Flirtversuch ist ihr verleidet und auch ihre Hochzeit steht unter einem unheimlichen Stern...…mehr

Produktbeschreibung
Am heiligen Abend des Jahres 1943 ersticht die junge Bronwen Davies einen Unbekannten, der sie auf dem Nachhauseweg vergewaltigen will. Bronwen schweigt über die Geschehnisse. Eines Tages wird ein Mann mit Motiv aber ohne Alibi für den Mord angeklagt. Bronwen glaubt an die Gerechtigkeit der britischen Justiz und schweigt weiter, aber die Jury - zu der auch ihre Mutter gehört - befindet den Mann für schuldig. Seit der Hinrichtung des Unschuldigen befallen Bronwen immer wieder heftige Anfälle von Nasenbluten, jeder Flirtversuch ist ihr verleidet und auch ihre Hochzeit steht unter einem unheimlichen Stern...
Autorenporträt
Bernice Rubens wurde 1928 als Tochter russischer Einwanderer im walisischen Cardiff geboren und studierte Anglistik an der Universität von Wales.
Seit 1961 hat sie einundzwanzig Romane veröffentlicht. Sie bekam für ihren Roman 'Es geschah in einer Seitenstraße' den renommierten Booker-Preis. 2004 verstarb Bernice Rubens in England.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.1999

Ein verlässliches Truthahnmesser
Komisch: Berenice Rubens' Roman über eine stille Mörderin

Sprache kann tödlich sein. Vor allem, wenn sie zurückgehalten wird. Berenice Rubens' Roman "Es geschah in einer Seitenstraße" handelt von einem Mord, der statt eines Schreis geschah. Für die siebzehn Jahre alte Bronwen Davies war es undenkbar, um Hilfe zu rufen, denn für das, was ihr passierte, gab es in ihrem Vokabular kein aussprechbares Wort. Also erstach sie den Mann, der in der Dunkelheit über sie herfiel, mit dem Truthahnmesser ihrer Tante. So jedenfalls stellt es die Ich-Erzählerin ein halbes Jahrhundert später dar. Sie berichtet von einem Leben, das von dieser Unsagbarkeit besessen bleibt, und das ergibt eine überraschend kurzweilige, von Gabriele Haefs souverän übersetzte Lektüre.

Wie der Roman demonstriert, kann die Weltsicht einer Mörderin ausgesprochen erheiternd sein. Und das ist kein Zufall. Denn Bronwen erwirbt durch ihre Untat die seltene Gabe, dem Tun der Menschen auf den Grund zu sehen. Der Grund ist auch bei anderen oft eine Peinlichkeit, die nicht über die Lippen will, eine Befangenheit durch Ängste und Illusionen. Obwohl die Protagonistin durch das Verschweigen ihrer Gewalttat eine unsichtbare Grenze um sich zieht, kommt sie erst durch die Schuld, die sie mit sich herumträgt, ihren Nächsten wirklich nah. Dabei entsteht ein Mehrwert an erzählerischer Präzision. Als Bronwens Tante bei einem Sturz das Bewusstsein verliert und im Krankenhaus erwacht, will sie zuerst von den Verwandten wissen, ob sie bei ihrem Fall eine Unterhose trug. Dies bestätigen ihr vorsichtshalber die Besucher: ",Dann ist ja alles gut', sagte Tante Annie und ließ sich auf ihre Kissen sinken. Offenbar konnte sie sich jetzt, wo die Frage der Unterhosen geklärt war, ihrer Genesung widmen." Der Lebenswille der Tante hängt an dem Detail intakter Sittsamkeit. Das weiß niemand besser als Bronwen, die zum Wohl der Familie ein grausiges Erlebnis unterdrückt.

Rubens' Erzählung spielt im walisischen Cardiff, das von den Sirenen des Zweiten Weltkriegs geschüttelt wird. Der Mord aus Notwehr tritt in Analogie zu einem defensiven, doch deshalb nicht weniger traumatischen Einsatz der englischen Armee. Doch Bronwens Untat macht eine neue Front auf, die zwischen Mann und Frau verläuft. Ihr Opfer ist ein frustrierter Soldat auf Heimaturlaub. Weil sein Geld für das Bordell nicht reichte, macht er sich über die Siebzehnjährige her. Recht und Unrecht sind bei Rubens ineinander verstrickt. So bietet sich Bronwen zunächst als strahlende Jeanne-d'Arc-Figur des Romans an. Doch sie gerät schnell ins Zwielicht, als sie die Hinrichtung eines Unschuldigen in Kauf nimmt, dem die Justiz den Mordfall zuschreibt.

Ein seltsamer Zufall hat die Mutter der Protagonistin unter die Geschworenen des Mordfalls gemischt. Um das Todesurteil zu blockieren, hätte es genügt, sich ihr anzuvertrauen. Stattdessen trägt die Tochter zur Belastung des Angeklagten bei. Die Versuchsanordnung, die den horrenden Folgen eines Mitteilungstabus nachgeht, wird von einer den ganzen Roman durchdringenden Animosität gegenüber dem Männlichen überlagert. Als ein Nachbar Bronwen Gewalt antun will, wehrt sie sich durch einen fachmännischen Tritt und hängt das Vergehen an die große Glocke, sogar die Ehefrau des Nachbarn wird persönlich informiert. Ihren Verlobten blamiert Bronwen, indem sie ihn im Hochzeitsstaat vor dem Altar im Stich lässt. Mit Ausnahme ihres Vaters sind die Männer, von denen erzählt wird, gewalttätig und lüstern. Ihnen korrespondiert auf weiblicher Seite das Freudenhaus am Ende der Straße, zu dem Bronwen und ihre Mutter freundschaftliche Beziehungen unterhalten. Paradoxerweise übernimmt Rubens' keusche Protagonistin nach dem Tod ihrer Eltern die Leitung des Bordells. Man muss diese Entscheidung als Nachrücken in eine Führungsposition interpretieren.

Berenice Rubens' Roman von einem Leben im Geheimnis ist eine hinreißend geschriebene und absolut unverdauliche Geschichte, für die die Autorin zu Recht den Booker Prize erhielt. Sie erzählt von einer radikalen Diskrepanz zwischen Innen- und Außenleben, von einer unschuldigen Schwerverbrecherin und jungfräulichen Hure, vom Dickicht der Entschlüsse und dem trügerischen Glanz der Oberflächen. Was sie so komisch macht, ist das Gespür für den Motor der Menschen, für die Mechanik, die das Individuelle antreibt. "Kann mich nicht bewegen, Liebes", sagt Bronwens Vater nach dem Weihnachtstruthahn: ",Ich bin komplett.' Dieses Wort zog er an jedem Weihnachtsfest hervor. Es gehörte zu Girlanden und Pudding. Er benutzte es sonst nie. Er liebte es und hatte nicht vor, es abzunutzen." Bei Rubens ist jedes Wort wohl verwahrt und geschliffen wie ein Truthahnmesser. Und es sticht genauso zu.

INGEBORG HARMS.

Berenice Rubens: "Es geschah in einer Seitenstraße". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Gabriele Haefs. Pendragon Verlag, Bielefeld 1999. 309 S., geb., 36,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Rubens verbindet scharfe Beobachtungsgabe mit wohlwollendem psychologischen Einfühlungsvermögen...Sie schreibt traumhaft. Dieser vorzügliche Roman ist einfach genial." (The Evening Standart)
"Bernice Rubens ist eine Romanschriftstellerin, die man einfach schätzen muss." (The Times)
"Eine bewegende und zugleich komische Geschichte, ...die unser menschliches Sein und die Schranken, die wir uns selbst auferlegen, sehr anschaulich einfängt.
(The Observer)
"Bernice Rubens bisher witzigster Roman." (The Independent)