Swasiland, der zweitkleinste Staat Afrikas und das Land mit der höchsten Aidsrate der Welt. Kaum ein Haushalt, in dem die Eltern noch leben. Wie bei Thulani. Er spricht manchmal nachts mit seiner Mutter, die neben der Hütte begraben ist. Eigentlich könnte er zur Schule gehen, da Waisen kein Schulgeld bezahlen müssen. Aber niemand hilft ihm, den Totenschein zu besorgen. Kirsten Boie erzählt vier Geschichten von Kindern, die viel zu schnell erwachsen werden müssen. Die Autorin kennt die Kinder und Schicksale, von denen sie erzählt. Seit acht Jahren unterstützt sie Hilfsprojekte in Swasiland. "Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen" erhielt den Jahres-LUCHS 2013 von ZEIT und Radio Bremen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2013TERMINE.
Zuhören: An diesem Sonntag gibt es die ersten "Sonntagsgeschichten für Kinder". Die Autorin und Illustratorin Daniela Kulot liest um 15 Uhr aus ihren humor- und phantasievoll illustrierten Bilderbüchern "Reim Dich nett ins Bett" und "Das kleine Krokodil" in der Niederlassung von Mercedes-Benz in Frankfurt, Heerstraße 66. Das Eintrittsgeld (für Kinder drei und für Erwachsene fünf Euro) kommt ohne Abzüge den Spendenprojekten der Aktion "F.A.Z.-Leser helfen" zugute. Die ausgewählten Bücher richten sich vorwiegend an Kindergarten- und Vorschulkinder. Eintrittskarten können vorbestellt werden unter 0 69 / 75 91 12 51 oder per E-Mail an j.ruehmann@faz.de.
Zuschauen: Wer nicht verstehen kann, muss schauen; wer nicht sprechen kann, muss zeigen - mit Gebärdensprache kann man sich auch dann verständigen, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht. Wie man sich mit Bewegungen von Händen und Gesicht unterhält, kann man am Freitag um 15.30 Uhr in der Römerhalle lernen (Anmeldung nur noch heute unter der Telefonnummer 0 69 / 21 23 39 87). Das Angebot ist Teil der Kinder- und Jugendbuch-Ausstellung "Lese-Eule", die in diesem Jahr das Motto "Eine Welt - viele Sprachen" hat und noch bis zum 1. Dezember im Römer auch viele ausländische Kinderbücher zeigt.
cp.
BUCH.
Thulani ist elf Jahre alt und lebt in Swasiland in Afrika. Er wohnt zusammen mit seiner kleinen Schwester bei seiner Großmutter, denn seine Mutter ist gestorben. Thulani darf nicht mehr zur Schule gehen, denn er hat keinen Totenschein von seiner Mutter. Und den braucht er, sagt der Lehrer, damit er kein Schulgeld zahlen muss. Kirsten Boie erzählt von Thulani und anderen Kindern in Afrika, die alleine sind und versuchen, ihr Leben zu meistern. Sie sagt, sie kann es nicht ändern, dass die Geschichten traurig sind. Trauriger als die Wirklichkeit seien sie nicht.
steff.
Kirsten Boie: "Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen". Oetinger Verlag. 111 Seiten, 12,95 Euro. Ab 12 Jahre.
WITZ.
Lina hilft ihrer fast tauben Großmutter beim Ausziehen des Mantels und murmelt dabei: "Bestimmt hat die alte Klatschtante wieder den ganzen Tag mit ihren Freundinnen in der Konditorei gesessen und Torte gefuttert."
"Oh nein", sagt die Großmutter: "Ich habe mir ein neues Hörgerät gekauft!"
Von Paulina (11 Jahre) aus Dieburg
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zuhören: An diesem Sonntag gibt es die ersten "Sonntagsgeschichten für Kinder". Die Autorin und Illustratorin Daniela Kulot liest um 15 Uhr aus ihren humor- und phantasievoll illustrierten Bilderbüchern "Reim Dich nett ins Bett" und "Das kleine Krokodil" in der Niederlassung von Mercedes-Benz in Frankfurt, Heerstraße 66. Das Eintrittsgeld (für Kinder drei und für Erwachsene fünf Euro) kommt ohne Abzüge den Spendenprojekten der Aktion "F.A.Z.-Leser helfen" zugute. Die ausgewählten Bücher richten sich vorwiegend an Kindergarten- und Vorschulkinder. Eintrittskarten können vorbestellt werden unter 0 69 / 75 91 12 51 oder per E-Mail an j.ruehmann@faz.de.
Zuschauen: Wer nicht verstehen kann, muss schauen; wer nicht sprechen kann, muss zeigen - mit Gebärdensprache kann man sich auch dann verständigen, wenn man nicht die gleiche Sprache spricht. Wie man sich mit Bewegungen von Händen und Gesicht unterhält, kann man am Freitag um 15.30 Uhr in der Römerhalle lernen (Anmeldung nur noch heute unter der Telefonnummer 0 69 / 21 23 39 87). Das Angebot ist Teil der Kinder- und Jugendbuch-Ausstellung "Lese-Eule", die in diesem Jahr das Motto "Eine Welt - viele Sprachen" hat und noch bis zum 1. Dezember im Römer auch viele ausländische Kinderbücher zeigt.
cp.
BUCH.
Thulani ist elf Jahre alt und lebt in Swasiland in Afrika. Er wohnt zusammen mit seiner kleinen Schwester bei seiner Großmutter, denn seine Mutter ist gestorben. Thulani darf nicht mehr zur Schule gehen, denn er hat keinen Totenschein von seiner Mutter. Und den braucht er, sagt der Lehrer, damit er kein Schulgeld zahlen muss. Kirsten Boie erzählt von Thulani und anderen Kindern in Afrika, die alleine sind und versuchen, ihr Leben zu meistern. Sie sagt, sie kann es nicht ändern, dass die Geschichten traurig sind. Trauriger als die Wirklichkeit seien sie nicht.
steff.
Kirsten Boie: "Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen". Oetinger Verlag. 111 Seiten, 12,95 Euro. Ab 12 Jahre.
WITZ.
Lina hilft ihrer fast tauben Großmutter beim Ausziehen des Mantels und murmelt dabei: "Bestimmt hat die alte Klatschtante wieder den ganzen Tag mit ihren Freundinnen in der Konditorei gesessen und Torte gefuttert."
"Oh nein", sagt die Großmutter: "Ich habe mir ein neues Hörgerät gekauft!"
Von Paulina (11 Jahre) aus Dieburg
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Kirsten Boie hat ein Kinderbuch geschrieben, wie es wenige gibt, berichtet Sybil Gräfin Schönfeldt. In "Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen" schildert die Autorin ihre Erlebnisse im Swasiland in Südafrika, wo es viel Armut und Hunger gibt, wo Kinder manchmal die tun müssen, die man eben nicht erzählen kann, Dinge, die für die "Kinder unserer gesicherten und gesättigten Welt" wahrscheinlich unvorstellbar sind, erklärt die Rezensentin. Boie erzählt ihre Geschichten ohne falsche Betroffenheit, klar, "nichts als wenige Worte für eine unerhörte Wirklichkeit", so Gräfin Schönfeld, die diesem Buch wünscht, dass Eltern und Pädagogen ihre Kinder nicht aus einem fehlgeleiteten Schutzbedürfnis heraus vor diesen traurigen Geschichten bewahren wollen. "Trauriger als die Wirklichkeit sind sie nicht", zitiert die Rezensentin Boie.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.04.2014Kinder allein
in der Welt
Traurige Geschichten: Kirsten Boie erzählt
von ihren Erfahrungen in Swasiland
VON SYBIL GRÄFIN SCHÖNFELDT
Ein schmales Buch, ein sperriger Titel, ein fast drohendes Titelbild zweifarbig, streng und fremd inmitten der üblichen kunterbunten Kinderbücher mit lachenden Kindern und Ponys und Fußballhelden.
„Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen“, sagte ein Kind zu der Autorin, zu Kirsten Boie. Sie erzählt im Nachwort, wo sie dieses und andere Kinder im Swasiland in Südafrika kennengelernt hat, und sie erzählt mit leiser, ruhiger Stimme von Kindern, die „in den Hügeln von Shiselweni, wo es schöner ist als irgendwo sonst auf der Welt“, und wo sie mitten in dieser Schönheit auf das bitterste Elend stößt. „120 000 Kinder in Swasiland haben mindestens einen Elternteil verloren, viele von ihnen auch beide; dabei leben im ganzen Land nur ungefähr 900 000 Menschen. Auf der Fahrt durch das Land sieht man an den roten Sandpisten fast nur Kinder und alte Leute.“ Die Eltern? Mit dem HI-Virus infiziert, tot oder halb verhungert. Die Gugus, die Großmütter, meist zu schwach, um zu helfen. So muss ein Bruder seine Hoffnung opfern, um neue Flip-Flops für seine kleine Schwester kaufen zu können, ohne die sie nicht in die Schule darf. So muss die Schwester Dinge tun, „die kann man nicht erzählen“, um die jüngere Schwester vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren. So zerbricht ein Junge fast an Reue, weil er, zu Tode erschöpft, den Unfall seiner Gugu verursacht hat.
Kinder allein in einer Welt, von der keine Hilfe zu erwarten ist, in Hütten ohne Bett und Schrank, ohne fließendes Wasser, ohne Abort, in ein Dasein ohne Zukunft. „Was morgen sein wird . . . danach fragt er nicht.“ schreibt Kirsten Boie von einem der Elfjährigen. Sie vermag mit ein paar Sätzen, ein paar Bildern den Kindern unserer Welt diese fast unvorstellbar andere Welt so vorzuführen, dass man sie spürt und riecht und erschauert. Sie kann es, weil sie mit kunstvollster Schlichtheit schreibt, keine überflüssige Erläuterung, kein falscher Betroffenheitston, nichts als wenige Worte für eine unerhörte Wirklichkeit. Bücher dieser Art sind aus vielen Gründen von großer Wichtigkeit. Aber sie haben es schwer, an ihre Leser zu kommen, weil viele Eltern und auch Pädagogen der Ansicht sind, man solle Kinder nicht mit etwas so Schweren belasten, sie seien noch zu jung und könnten es nicht verstehen. Ach, die Kinder, von denen erzählt wird, sind jünger, und sie müssen in Wirklichkeit mit diesem Leben zurechtkommen.
Und die Kinder unserer gesicherten und gesättigten Welt verstehen sehr wohl, wovon Kirsten Boie schreibt und vorliest. Sie fragen dann, ob ihre Geschichten wahr sind, und Kirsten Boie antwortet: „Ich könnte noch viel mehr Geschichten erzählen, und all diese Geschichten sind wahr. Wenn die Geschichten traurig sind, so kann ich es darum nicht ändern. Trauriger als die Wirklichkeit sind sie nicht.“
Es ist gut, dass diese Geschichten von Kindern gelesen werden, die später, als Erwachsene, empfinden, dass sie eine Verantwortung für die Waisenkinder in Swasiland haben. Und auch die Migrantenkinder mit anderen Augen sehen. Es ist gut, dass eine bekannte und preisgekrönte Autorin für einen bekannten Verlag von ihnen erzählt, denn ihre Namen sorgen dafür, dass viele Eltern nach dem schmalen dunkelroten Buch greifen und – das wäre das Allerbeste – ihren Kindern vorlesen und auch mit ihnen darüber sprechen. (ab 12 Jahre)
Kirsten Boie: Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen. Oetinger 2014. 112 Seiten, 19,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
in der Welt
Traurige Geschichten: Kirsten Boie erzählt
von ihren Erfahrungen in Swasiland
VON SYBIL GRÄFIN SCHÖNFELDT
Ein schmales Buch, ein sperriger Titel, ein fast drohendes Titelbild zweifarbig, streng und fremd inmitten der üblichen kunterbunten Kinderbücher mit lachenden Kindern und Ponys und Fußballhelden.
„Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen“, sagte ein Kind zu der Autorin, zu Kirsten Boie. Sie erzählt im Nachwort, wo sie dieses und andere Kinder im Swasiland in Südafrika kennengelernt hat, und sie erzählt mit leiser, ruhiger Stimme von Kindern, die „in den Hügeln von Shiselweni, wo es schöner ist als irgendwo sonst auf der Welt“, und wo sie mitten in dieser Schönheit auf das bitterste Elend stößt. „120 000 Kinder in Swasiland haben mindestens einen Elternteil verloren, viele von ihnen auch beide; dabei leben im ganzen Land nur ungefähr 900 000 Menschen. Auf der Fahrt durch das Land sieht man an den roten Sandpisten fast nur Kinder und alte Leute.“ Die Eltern? Mit dem HI-Virus infiziert, tot oder halb verhungert. Die Gugus, die Großmütter, meist zu schwach, um zu helfen. So muss ein Bruder seine Hoffnung opfern, um neue Flip-Flops für seine kleine Schwester kaufen zu können, ohne die sie nicht in die Schule darf. So muss die Schwester Dinge tun, „die kann man nicht erzählen“, um die jüngere Schwester vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren. So zerbricht ein Junge fast an Reue, weil er, zu Tode erschöpft, den Unfall seiner Gugu verursacht hat.
Kinder allein in einer Welt, von der keine Hilfe zu erwarten ist, in Hütten ohne Bett und Schrank, ohne fließendes Wasser, ohne Abort, in ein Dasein ohne Zukunft. „Was morgen sein wird . . . danach fragt er nicht.“ schreibt Kirsten Boie von einem der Elfjährigen. Sie vermag mit ein paar Sätzen, ein paar Bildern den Kindern unserer Welt diese fast unvorstellbar andere Welt so vorzuführen, dass man sie spürt und riecht und erschauert. Sie kann es, weil sie mit kunstvollster Schlichtheit schreibt, keine überflüssige Erläuterung, kein falscher Betroffenheitston, nichts als wenige Worte für eine unerhörte Wirklichkeit. Bücher dieser Art sind aus vielen Gründen von großer Wichtigkeit. Aber sie haben es schwer, an ihre Leser zu kommen, weil viele Eltern und auch Pädagogen der Ansicht sind, man solle Kinder nicht mit etwas so Schweren belasten, sie seien noch zu jung und könnten es nicht verstehen. Ach, die Kinder, von denen erzählt wird, sind jünger, und sie müssen in Wirklichkeit mit diesem Leben zurechtkommen.
Und die Kinder unserer gesicherten und gesättigten Welt verstehen sehr wohl, wovon Kirsten Boie schreibt und vorliest. Sie fragen dann, ob ihre Geschichten wahr sind, und Kirsten Boie antwortet: „Ich könnte noch viel mehr Geschichten erzählen, und all diese Geschichten sind wahr. Wenn die Geschichten traurig sind, so kann ich es darum nicht ändern. Trauriger als die Wirklichkeit sind sie nicht.“
Es ist gut, dass diese Geschichten von Kindern gelesen werden, die später, als Erwachsene, empfinden, dass sie eine Verantwortung für die Waisenkinder in Swasiland haben. Und auch die Migrantenkinder mit anderen Augen sehen. Es ist gut, dass eine bekannte und preisgekrönte Autorin für einen bekannten Verlag von ihnen erzählt, denn ihre Namen sorgen dafür, dass viele Eltern nach dem schmalen dunkelroten Buch greifen und – das wäre das Allerbeste – ihren Kindern vorlesen und auch mit ihnen darüber sprechen. (ab 12 Jahre)
Kirsten Boie: Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen. Oetinger 2014. 112 Seiten, 19,95 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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"Es ist das für mich beste Cover des Herbstes: Regina Kehn hat Kirsten Boies 'Es gibt Dinge, die kann man nicht erzählen' eine solche Präsenz auf einem Büchertisch gegeben, dass auch das schwere Thema kein Hindernis sein wird, das Buch in die Hand zu nehmen: Kinderschicksale in Swasiland, ungeschminkt und dennoch poetisch erzählt." Susanna Wengeler, BuchMarkt, September 2013