Wahrhaftig und ungeniert schnodderig
Den Anstoß zu seinem Debütroman «Es gilt das gesprochene Wort» bekam der Film-Regisseur Sönke Wortmann bei einem Friseurbesuch in Prag. Der schwatzhafte Figaro zog ihn mit der Frage, woher er denn komme, in ein Gespräch hinein und antwortete auf die Gegenfrage
zu seiner eigenen Herkunft mit ‹Tunesien›. Im Roman führt dieses Gespräch Franz-Josef Klenke, der…mehrWahrhaftig und ungeniert schnodderig
Den Anstoß zu seinem Debütroman «Es gilt das gesprochene Wort» bekam der Film-Regisseur Sönke Wortmann bei einem Friseurbesuch in Prag. Der schwatzhafte Figaro zog ihn mit der Frage, woher er denn komme, in ein Gespräch hinein und antwortete auf die Gegenfrage zu seiner eigenen Herkunft mit ‹Tunesien›. Im Roman führt dieses Gespräch Franz-Josef Klenke, der Redenschreiber des deutschen Außenministers, der zu einem Arbeitsbesuch nach Prag gekommen ist und zu dessen Delegation Klenke gehört. Ein Tunesier, der in Prag lebt und arbeitet, sei außergewöhnlich wegen der restriktiven Immigrations-Politik östlicher EU-Staaten, - und schon hatte Wortmann sein Thema gefunden, wie er berichtete.
Der Autor erzählt in seinem gut recherchierten, informativen Roman von einer Reise des deutschen Außenministers nach Tunesien, deren Höhepunkt die Unterzeichnung eines neuen Migrations-Abkommens bildet. Zur Entourage des Ministers gehört neben dem Rhetoriker Klenke auch der in der Botschaft arbeitende Diplomat Schröder, der sich in einer fatalen Lebenskrise befindet. Nicht nur, dass er sich bei der Beförderung übergangen fühlt, auch seine Ehe ist gescheitert, seine Frau reist mit den Kindern in ihre chilenische Heimat zurück. Und was Migration anbelangt, so hat sich Cornelius von Schröder mit der Zeit im Internet einigen Schwachsinn angelesen und auch zueigen gemacht. Der Autor nutzt die privaten Diskussionen des radikalisierten Querdenkers mit seinen Kollegen zu köstlichen Seitenhieben auf die Verschwörungs-Theoretiker aller Couleur. Besonders in dem Disput über 9/11 wird deutlich, wie anfällig die ewig Unzufriedenen für hanebüchene Umdeutungen der Fakten sind, deren offensichtlichen Blödsinn sie dann mit religiösem Eifer verteidigen. Und dazu gehört eben auch die durch den Islam eifrig betriebene ‹Umvolkung› Europas, die dann ja immer wieder gewaltbereite Radikale auf den Plan ruft. Die im Buchtitel angesprochene Kunst der Rede konterkariert der Autor elegant durch die Figur der Freundin von Klenke. Maria nämlich leidet an selektivem Mutimus, einem oft mit Depressionen verbundenen, psychogenen Schweigen, selbst ihrem Freund gegenüber kann sie sich anfangs nur schriftlich äußern.
Der Autor schickt seiner Geschichte einen informativen Prolog voraus, in dem er in launigen Worten vom ‹Prager Fenstersturz› berichtet. Es ist erstaunlich, wie es dem Autor gelingt, die großen Themen der aktuellen Politik, mit immer neuen, unterhaltsamen Szenen angereichert, in seine auf ein dramatisches Ende hinsteuernde Geschichte einzubauen. Dazu gehört beispielsweise die strapaziöse, mehrtägige Tour von drei deutschen Angehörigen des diplomatischen Dienstes auf Kamelen durch die Sahara, Sandsturm inklusive, oder ganz zum Schluss dann der erste Flug von Maria, der in böse Turbulenzen gerät und unabsehbare Folgen zeitigt.
Der Verrohung der Sprache in einem unkontrollierten Internet, die zu abstrusen Fehlinterpretationen unbedarfter User führt, steht in diesem Roman die Diplomatie mit ihren ausgefeilten Wortgebilden gegenüber. Es ist der ironische Blick nicht nur hinter die Kulissen des Auswärtigen Dienstes, sondern auch der gesamten politischen Kaste, der dieses Buch zu einer bereichernden Lektüre macht. Und es sind die vielen eingestreuten politischen Begebenheiten samt aller wohltuend kritischen, oft sarkastischen Kommentare, durch die der Roman auf eine sehr amüsante Weise unterhält. Ein Diplomat sei jemand, heißt es da beispielsweise an einer Stelle, der ‹ja› sagt, wenn er ‹vielleicht› meint, und ‹vielleicht› sagt, wenn er ‹nein› meint, und wenn er ‹nein› sagt, - dann ist er gar kein Diplomat! Dicht am aktuellen Zeitgeschehen entlang wird hier mit leichter Hand von der Macht der Worte erzählt, ohne dass damit philosophisch oder politisch Tiefsinniges verbreitet werden soll. Ein Pageturner also, den man ungern aus der Hand legt, weil er die Realität so wahrhaftig und ungeniert schnodderig beschreibt.