"Mein Traum ist nicht, Schauspieler zu werden. Die Kerle haben das wohl nicht kapiert. Mein Traum heißt Überleben. Ich wurde Schauspieler, um aus dem Analphabetismus rauszukommen, ich hätte genauso gut etwas anderes machen können. Es hat sich so ergeben - der Zufall - ich habe nichts gewählt." (S.
102)
Er hätte einiges anderes machen können - auch eine Karriere als Autodieb wäre eine Option…mehr"Mein Traum ist nicht, Schauspieler zu werden. Die Kerle haben das wohl nicht kapiert. Mein Traum heißt Überleben. Ich wurde Schauspieler, um aus dem Analphabetismus rauszukommen, ich hätte genauso gut etwas anderes machen können. Es hat sich so ergeben - der Zufall - ich habe nichts gewählt." (S. 102)
Er hätte einiges anderes machen können - auch eine Karriere als Autodieb wäre eine Option gewesen. Gérard Depardieu (*1948) wuchs in einem Milieu auf, das man heute wohl als Unterschicht und bildungsfern bezeichnen würde. Sein Vater war Alkoholiker und Analphabet, die Mutter wollte seine Geburt eigentlich verhindern - selbst Stricknadeln waren im Einsatz. Seine Geschwister lebten später ihr Leben so, wie sie es von den Eltern kannten. "Ich bin mehr auf der Straße aufgewachsen als in der Schule. Dort habe ich kaum mehr als lesen und schreiben gelernt. Die Straße aber lässt dir nichts durchgehen, du musst an deinen guten Stern glauben, dich nur auf dich selbst verlassen." (S. 29) Mit eisernem Überlebenswillen boxt sich Depardieu durch, begeht kleinere und größere Diebstähle und landet mit 16 wegen Autodiebstahls im Gefängnis.
Mit einem einige Jahre älteren Freund geht der 16-jährige nach Paris, beginnt eine Schauspielausbildung und bemüht sich um kleinere Rollen. Mit 21 heiratet er die aus gutem Hause stammende Élisabeth, deren Eltern seine Herkunft mit bemerkenswerter Vorurteilslosigkeit akzeptierten. Der Beginn eines scheinbar endlosen Aufstiegs, dem nach dem großen Erfolg von DIE AUSGEBUFFTEN (1973) auch eine geradlinige Karriere folgte. Doch der Ruhm hat seine Schattenseite: Für seine beiden Kinder hat der Star kaum Zeit, die Ehe scheitert und Alkohol spielt wohl eine immer größere Rolle. Depardieu thematisiert noch einige wenige Filme (beispielsweise die Gagen-Verhandlungen mit Bernardo Bertolucci für 1900), seine folgenden Beziehungen und den Beginn als Winzer. Hinsichtlich seiner teilweisen Übersiedelung nach Russland geht er auf die Anfänge der Freundschaft zu Wladimir Putin ein: "Ich habe Putin aufmerksam zugehört und verstanden, dass auch er von ganz unten gekommen ist und niemand einen Cent auf ihn gesetzt hätte, als er fünfzehn war." (S. 152) Da von Putin allerdings bekannt ist, dass er sehr viel Wert auf Fitness legt, enden an dieser Stelle wohl auch die Gemeinsamkeiten.
In dem 2014 unter Mitarbeit von Lionel Duroy entstandenen Buch erinnert sich Gérard Depardieu im Plauderton an einige Episoden seines ereignisreichen wie dramatischen Lebens - untergliedert in 39 kurze Unterkapitel. Das Buch bedient durchaus einen gewissen Voyeurismus des Lesers, wenngleich die Selbstentblößung gelegentlich etwas an die Nieren geht. Etwa dann, wenn detailliert beschrieben wird, wie der siebenjährige Gérard mit seiner Mutter gemeinsam die Entbindung durchführt - während der Vater saufen ist.
Unter dem deutschen Titel ES HAT SICH SO ERGEBEN sind Depardieus Erinnerungen nun in sehr guter Übersetzung von Véronique Grosjean im Verlag DAS NEUE BERLIN erschienen. Für Fans des Ausnahmeschauspielers eine interessante Lektüre!