Die Seealpen gehören im deutschsprachigen Raum zu den unbekanntesten Regionen der gesamten Alpen. Unweit vom Mittelmeer erhebt sich diese eindrucksvolle Hochgebirgslandschaft mit über 3000 Meter hohen Gipfeln, zahlreichen Seen und mit den südlichsten Gletschern der Alpen. Historische Wege mit fantastischen Aussichten und eine stattliche Anzahl von Berghütten bieten ideale Wandermöglichkeiten. Da es keinen Massentourismus gibt, wandert man hier oft in völliger Einsamkeit. Höhepunkte der Seealpen sind die besonders reiche Flora und Fauna sowie das 'Tal der Wunder' mit 40000 prähistorischen Felszeichnungen. In beiden Parkgebieten ('Seealpen-Naturpark' auf der italienischen, 'Mercantour-Nationalpark' auf der französischen Seite) setzt man sich für einen sanften Wandertourismus ein, den dieses Buch explizit fördert und unterstützt. Die Routen wurden in Zusammenarbeit mit dem Naturpark Seealpen erarbeitet.Dieser Führer beschreibt eine 13-tägige Rundwanderung, die leicht zu einer 6- oder 7-tägigen Rundwanderung verkürzt und auch sonst vielfach variiert werden kann. Viele Etappen können auch von einem Standquartier aus begangen werden. Der reich bebilderte Führer liefert alle notwendigen Informationen und gibt in der Einführung zahlreiche vertiefende Hinweise, denn: Man sieht nur, was man weiß!
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Angenehm überrascht stellt der Rezensent Stefan Fischer fest, dass Barbara Piattis Buch "Es lächelt der See" weit mehr zu bieten hat als zunächst erwartet. Bei ihrer Suche nach literarischen Orten in der Wirklichkeit reflektiert sie über die Bedeutung solcher Plätze per se und äußert offen Kritik am immer beliebter werdenden Literatur-Tourismus, der nach Wiedererkennungswert sucht, wo gar keiner ist, so der Rezensent. Das Verhältnis von Realität und Fiktion an derlei Orten fasziniere Piatti offenkundig, das wird auch an ihrem aktuellen Projekt an der ETH Zürich ersichtlich, bei dem sie einen literarischen Atlas für Europa erarbeitet. Und so folgt Fischer ihr mit Vergnügen auch durch die literarische Schweiz.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.10.2013Oberhalb der Nebelgrenze
Barbara Piatti unternimmt Wanderungen durch die literarischen Landschaften der Zentralschweiz
Negativ betrachtet, bleibt nur die Landschaft. An die Figuren eines Romans komme man, versteht sich, physisch nicht heran, die Handlungen ließen sich auch nicht wiederholen oder nachstellen. „Aber an die Schauplätze ist zumindest ein Herantasten möglich“, schreibt Barbara Piatti in ihrem Band „Es lächelt der See“, der literarische Wanderungen in der Zentralschweiz zum Thema hat, in der Gegend um den Vierwaldstättersee also bis hinunter zum Gotthard. Man kann die Motive für eine Reise an literarische Schauplätze derart nüchtern benennen, wie Piatti es als Advocatus Diaboli an dieser Stelle tut, über das Ausschlussprinzip. Der große amerikanische Geschichtenerfinder und Europareisende Mark Twain, dem sie eigentlich beipflichtet, war da viel enthusiastischer: „Nichts ist so interessant, wie einen Ort anzuschauen, der in einem Buch geschildert wird.“ Dieses Zitat dient Barbara Piatti als Motto für ihr Werk. Es ist ein kluges Buch und also nicht bloß die in solchen Fällen oft anzutreffende Fleißarbeit – weil es eben mehr beinhaltet als die schiere Aufzählung literarischer Fundstellen, in denen einer Stadt oder einem Dorf, einem Seeufer oder Gebirgstal eine mal nebensächliche, mal zentrale Rolle in der Romanliteratur zukommt.
Barbara Piatti reflektiert in dem Buch immer wieder, was das überhaupt ist: ein literarischer Schauplatz, der eine Entsprechung in der Realität hat. Denn literaturtouristische Reisen, so die Autorin, sind „ein absolut hoffnungsloses Unterfangen, wenn man es denn auf eine Deckungsgleichheit von Text und Landschaft abgesehen hätte“. Wenig später setzt sie den Begriff Originalschauplatz sogar in Anführungszeichen. Denn ein solcher wird nicht nur definiert durch seine geografischen Daten, er hat auch eine zeitliche Dimension – die Epoche ebenso wie die Tages- und die Jahreszeit. In einem Exkurs referiert Piatti über die Bedeutung des Wetters. „Man müsste, je nach Text, Schnee, Nieselregen, Föhnsturm, Gewitter und glühende Hitze abwarten, um auch nur annähernd vergleichbare Voraussetzungen anzutreffen, wie die Figuren sie vorfinden.“
Man müsste, aber die Mehrheit tut das nicht. Der Literatur-Tourismus hat eine lange Tradition, Barbara Piatti schlägt als Begründer die französischen Dichter des 16. Jahrhunderts wie Joachim Du Bellay vor, die sich in den Trümmern Roms mit Hilfe antiker Texte diese Stadt in ihrer Phantasie wieder aufgebaut haben. Eine Massenbewegung ist diese Form des Tourismus erst neuerdings, einhergehend damit habe „eine Phase der Kommerzialisierung eingesetzt“. Man kann das an touristischen Angeboten beobachten und auf dem Reiseführermarkt. Wem aber der nackte Anblick des Authentischen, etwa eines Bahnsteigs in der Londoner King’s Cross Station, von wo aus Harry Potter durch eine Ziegelmauer hindurch regelmäßig seinen Weg ins Internat Hogwarts nimmt, nicht genügt zur Befriedigung seiner literaturvoyeuristischen Lust, der wird in der Regel enttäuscht, „weil kein Splitterchen der erzählten Welt in der realen zu erkennen ist“. Wenn aber doch, dann, so Piatti, setzten Schwindelgefühle ein.
Denn die Literatur ist durchaus ein hervorragendes Instrument, um der Realität beizukommen. Ein Ort ist schließlich mehr als eine geologische und infrastrukturelle Wirklichkeit, er hat ganz wesentlich auch eine geistig-atmosphärische Dimension – einen Charakter, eine Mentalität. Was sich meistens in der Kunst und eben oft in der Literatur am besten beschrieben, ja analysiert findet.
Wobei es mehr als zarte Überschneidungen, als sanfte Überlappungen kaum einmal gibt zwischen Fiktion und Realität. Barbara Piatti zitiert Orhan Pamuk, der die Landschaft eines Romans, die er selbst erschafft, einmal als einen aus dem Nebel aufsteigenden Kontinent bezeichnet hat. Dieses Bild gefällt der Autorin auch in Bezug auf das Verhältnis der Roman-Schauplätze zu ihrer Umgebung; es ist in der Bergwelt der Schweiz überaus anschaulich. Eine Romangeografie ist schließlich immer lückenhaft, was aus dem Dunst herausragt wie Berggipfel oberhalb der Nebelgrenze, sind die im Text erwähnten Orte. „Wenn man literaturtouristisch unterwegs ist, bewegt man sich unablässig in diesem räumlichen Widerspruch: Man betritt ständig Zonen und Wege, die im literarischen Text gar nicht erwähnt sind.“
Dieses Nebeneinander hat großen Reiz für Barbara Piatti. Die promovierte Germanistin leitet an der ETH Zürich eine Forschungsgruppe, die einen literarischen Atlas Europas erstellt und bei diesem Projekt Literaturwissenschaft, Kartografie, Webtechnologie und visuelle Gestaltung verknüpft. Die 14 literaturtouristischen Wanderungen des Buchs sind jeweils mit einem Fiktiometer versehen, aus dem sich – halb ironisch, halb ernst gemeint – wie in einem Höhenprofil die Stärke der fiktionalen Frequenz unterwegs ablesen lässt.
Und so folgt man Barbara Piatti leichtfüßig und neugierig durch die Zentralschweiz, die einen großen Vorteil hat: Es gibt sehr viele Romane, die dort spielen; von Regionalautoren bis zu solchen von Weltrang. Trotzdem ist die Innerschweiz „keine Hochburg des Literaturtourismus“. Es gibt also viel zu entdecken in diesem Buch, Zusammenhänge, die in der Sekundär- und der Reiseliteratur noch nicht immer und immer wiedergekäut werden. Besonders schön ist die Passage über Meinrad Inglins ideologisch nicht unproblematisches „Jugend eines Volkes“. Darin siedeln sich die Allemannen in der Region um Schwyz herum an – und geben den Bergen und Seen überhaupt erst einmal Namen. Da schildert also die Literatur, wie geografische Realität entsteht.
STEFAN FISCHER
Barbara Piatti: Es lächelt der See. Literarische Wanderungen in der Zentralschweiz. Rotpunkt Verlag, Zürich 2013. 448 Seiten, 36 Euro.
„Nichts ist so interessant, wie
einen Ort anzuschauen, der in
einem Buch geschildert wird“
Der literarische Atlas Europas
verknüpft die Germanistik mit
Kartografie und Webtechnologie
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Barbara Piatti unternimmt Wanderungen durch die literarischen Landschaften der Zentralschweiz
Negativ betrachtet, bleibt nur die Landschaft. An die Figuren eines Romans komme man, versteht sich, physisch nicht heran, die Handlungen ließen sich auch nicht wiederholen oder nachstellen. „Aber an die Schauplätze ist zumindest ein Herantasten möglich“, schreibt Barbara Piatti in ihrem Band „Es lächelt der See“, der literarische Wanderungen in der Zentralschweiz zum Thema hat, in der Gegend um den Vierwaldstättersee also bis hinunter zum Gotthard. Man kann die Motive für eine Reise an literarische Schauplätze derart nüchtern benennen, wie Piatti es als Advocatus Diaboli an dieser Stelle tut, über das Ausschlussprinzip. Der große amerikanische Geschichtenerfinder und Europareisende Mark Twain, dem sie eigentlich beipflichtet, war da viel enthusiastischer: „Nichts ist so interessant, wie einen Ort anzuschauen, der in einem Buch geschildert wird.“ Dieses Zitat dient Barbara Piatti als Motto für ihr Werk. Es ist ein kluges Buch und also nicht bloß die in solchen Fällen oft anzutreffende Fleißarbeit – weil es eben mehr beinhaltet als die schiere Aufzählung literarischer Fundstellen, in denen einer Stadt oder einem Dorf, einem Seeufer oder Gebirgstal eine mal nebensächliche, mal zentrale Rolle in der Romanliteratur zukommt.
Barbara Piatti reflektiert in dem Buch immer wieder, was das überhaupt ist: ein literarischer Schauplatz, der eine Entsprechung in der Realität hat. Denn literaturtouristische Reisen, so die Autorin, sind „ein absolut hoffnungsloses Unterfangen, wenn man es denn auf eine Deckungsgleichheit von Text und Landschaft abgesehen hätte“. Wenig später setzt sie den Begriff Originalschauplatz sogar in Anführungszeichen. Denn ein solcher wird nicht nur definiert durch seine geografischen Daten, er hat auch eine zeitliche Dimension – die Epoche ebenso wie die Tages- und die Jahreszeit. In einem Exkurs referiert Piatti über die Bedeutung des Wetters. „Man müsste, je nach Text, Schnee, Nieselregen, Föhnsturm, Gewitter und glühende Hitze abwarten, um auch nur annähernd vergleichbare Voraussetzungen anzutreffen, wie die Figuren sie vorfinden.“
Man müsste, aber die Mehrheit tut das nicht. Der Literatur-Tourismus hat eine lange Tradition, Barbara Piatti schlägt als Begründer die französischen Dichter des 16. Jahrhunderts wie Joachim Du Bellay vor, die sich in den Trümmern Roms mit Hilfe antiker Texte diese Stadt in ihrer Phantasie wieder aufgebaut haben. Eine Massenbewegung ist diese Form des Tourismus erst neuerdings, einhergehend damit habe „eine Phase der Kommerzialisierung eingesetzt“. Man kann das an touristischen Angeboten beobachten und auf dem Reiseführermarkt. Wem aber der nackte Anblick des Authentischen, etwa eines Bahnsteigs in der Londoner King’s Cross Station, von wo aus Harry Potter durch eine Ziegelmauer hindurch regelmäßig seinen Weg ins Internat Hogwarts nimmt, nicht genügt zur Befriedigung seiner literaturvoyeuristischen Lust, der wird in der Regel enttäuscht, „weil kein Splitterchen der erzählten Welt in der realen zu erkennen ist“. Wenn aber doch, dann, so Piatti, setzten Schwindelgefühle ein.
Denn die Literatur ist durchaus ein hervorragendes Instrument, um der Realität beizukommen. Ein Ort ist schließlich mehr als eine geologische und infrastrukturelle Wirklichkeit, er hat ganz wesentlich auch eine geistig-atmosphärische Dimension – einen Charakter, eine Mentalität. Was sich meistens in der Kunst und eben oft in der Literatur am besten beschrieben, ja analysiert findet.
Wobei es mehr als zarte Überschneidungen, als sanfte Überlappungen kaum einmal gibt zwischen Fiktion und Realität. Barbara Piatti zitiert Orhan Pamuk, der die Landschaft eines Romans, die er selbst erschafft, einmal als einen aus dem Nebel aufsteigenden Kontinent bezeichnet hat. Dieses Bild gefällt der Autorin auch in Bezug auf das Verhältnis der Roman-Schauplätze zu ihrer Umgebung; es ist in der Bergwelt der Schweiz überaus anschaulich. Eine Romangeografie ist schließlich immer lückenhaft, was aus dem Dunst herausragt wie Berggipfel oberhalb der Nebelgrenze, sind die im Text erwähnten Orte. „Wenn man literaturtouristisch unterwegs ist, bewegt man sich unablässig in diesem räumlichen Widerspruch: Man betritt ständig Zonen und Wege, die im literarischen Text gar nicht erwähnt sind.“
Dieses Nebeneinander hat großen Reiz für Barbara Piatti. Die promovierte Germanistin leitet an der ETH Zürich eine Forschungsgruppe, die einen literarischen Atlas Europas erstellt und bei diesem Projekt Literaturwissenschaft, Kartografie, Webtechnologie und visuelle Gestaltung verknüpft. Die 14 literaturtouristischen Wanderungen des Buchs sind jeweils mit einem Fiktiometer versehen, aus dem sich – halb ironisch, halb ernst gemeint – wie in einem Höhenprofil die Stärke der fiktionalen Frequenz unterwegs ablesen lässt.
Und so folgt man Barbara Piatti leichtfüßig und neugierig durch die Zentralschweiz, die einen großen Vorteil hat: Es gibt sehr viele Romane, die dort spielen; von Regionalautoren bis zu solchen von Weltrang. Trotzdem ist die Innerschweiz „keine Hochburg des Literaturtourismus“. Es gibt also viel zu entdecken in diesem Buch, Zusammenhänge, die in der Sekundär- und der Reiseliteratur noch nicht immer und immer wiedergekäut werden. Besonders schön ist die Passage über Meinrad Inglins ideologisch nicht unproblematisches „Jugend eines Volkes“. Darin siedeln sich die Allemannen in der Region um Schwyz herum an – und geben den Bergen und Seen überhaupt erst einmal Namen. Da schildert also die Literatur, wie geografische Realität entsteht.
STEFAN FISCHER
Barbara Piatti: Es lächelt der See. Literarische Wanderungen in der Zentralschweiz. Rotpunkt Verlag, Zürich 2013. 448 Seiten, 36 Euro.
„Nichts ist so interessant, wie
einen Ort anzuschauen, der in
einem Buch geschildert wird“
Der literarische Atlas Europas
verknüpft die Germanistik mit
Kartografie und Webtechnologie
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de