Laut Heinrich Böll ist Wladyslaw Bartoszewski ein leidenschaftlicher Humanist. Hier erzählt er sein Leben, spannend, fast lakonisch, berichtet er von Auschwitz, aus dem Widerstand, erzählt wie er interniert war, ausgewiesen wurde. Ein Gejagter, der zum Helfer wurde und sich zeitlebens für Versöhnung einsetzte. 1986 erhielt er den Friedenspreis.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.11.1995Held wider Willen
BARTOSZEWSKI. Es lohnt sich, manche Bücher ein zweites Mal zu lesen. Das wird sich auch der Verleger des polnischen Außenministers Bartoszewski gedacht haben, als er dessen Erinnerungen in diesem Sommer in zweiter Auflage, mit einem neuen Titel versehen und ergänzt um die vielbeachtete Rede im Deutschen Bundestag vom 8. Mai 1995, in Deutschland herausbrachte. Bartoszewski wuchs in Warschau auf, überstand das Stammlager in Auschwitz, war im Widerstand aktiv und half den Juden seines Landes zu überleben. Zweimal hat er den Fall der polnischen Hauptstadt durchlitten - beim deutschen Angriff 1939 und nach dem Scheitern des Warschauer Aufstands 1944. Die Befreiung von der Terrorherrschaft der Nazis bedeutete für Bartoszewski - wie für viele seiner Landsleute - aber nicht die Freiheit, die sie gemeint und für die sie gekämpft hatten. Bald sahen sie sich, als Feinde des Systems, wieder auf Jahre hinter Gittern. Das Kriegsrecht zur Aufrechterhaltung dieses "fortschrittlichsten aller Gesellschaftssysteme" stiftete 1981 in den Internierungslagern eine neue Gemeinschaft zwischen den alten Kämpfern und der jungen Garde von der "Solidarnosc". Bartoszewski war mitten unter ihnen - ein Mann, der aus langjähriger Erfahrung wußte, wie man mit Gefängniswärtern umgeht und was wichtig ist, um sich nicht zerbrechen zu lassen, wie man Menschenwürde bewahrt. Die Götterdämmerung des Sozialismus sowjetischer Prägung erlebte Bartoszewski in der Bundesrepublik Deutschland als Gastprofessor für politische Wissenschaften. Bartoszewski erzählt Geschichte - polnische Geschichte, die Geschichte der Beziehung zwischen Deutschland und Polen in der jüngeren Vergangenheit und die Geschichte eines Lebens, das dahinein verwoben war und noch immer ist. Eines Lebens im aufrechten Gang. Die Summe von Bartoszewskis Erfahrungen - eines Helden wider Willen, dem Angst ebensowenig fremd war wie christliches Mitleiden und die Bereitschaft zur Versöhnung mit dem Gegner - gipfelt in der Behauptung, die in einer vielfach korrumpierten Welt Aufmerksamkeit fordert: Man muß einen Standpunkt haben, man darf sich nicht aus allem heraushalten, und "es lohnt sich, anständig zu sein". (Wladyslaw Bartoszewski: Es lohnt sich, anständig zu sein. Meine Erinnerungen. Mit der Rede zum 8. Mai. Mit einem Nachwort herausgegeben von Reinhold Lehmann. Herder Spektrum, Band 4449. Verlag Herder, Freiburg, Basel und Wien 1995. 146 Seiten, 14,80 Mark.) M.L.
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BARTOSZEWSKI. Es lohnt sich, manche Bücher ein zweites Mal zu lesen. Das wird sich auch der Verleger des polnischen Außenministers Bartoszewski gedacht haben, als er dessen Erinnerungen in diesem Sommer in zweiter Auflage, mit einem neuen Titel versehen und ergänzt um die vielbeachtete Rede im Deutschen Bundestag vom 8. Mai 1995, in Deutschland herausbrachte. Bartoszewski wuchs in Warschau auf, überstand das Stammlager in Auschwitz, war im Widerstand aktiv und half den Juden seines Landes zu überleben. Zweimal hat er den Fall der polnischen Hauptstadt durchlitten - beim deutschen Angriff 1939 und nach dem Scheitern des Warschauer Aufstands 1944. Die Befreiung von der Terrorherrschaft der Nazis bedeutete für Bartoszewski - wie für viele seiner Landsleute - aber nicht die Freiheit, die sie gemeint und für die sie gekämpft hatten. Bald sahen sie sich, als Feinde des Systems, wieder auf Jahre hinter Gittern. Das Kriegsrecht zur Aufrechterhaltung dieses "fortschrittlichsten aller Gesellschaftssysteme" stiftete 1981 in den Internierungslagern eine neue Gemeinschaft zwischen den alten Kämpfern und der jungen Garde von der "Solidarnosc". Bartoszewski war mitten unter ihnen - ein Mann, der aus langjähriger Erfahrung wußte, wie man mit Gefängniswärtern umgeht und was wichtig ist, um sich nicht zerbrechen zu lassen, wie man Menschenwürde bewahrt. Die Götterdämmerung des Sozialismus sowjetischer Prägung erlebte Bartoszewski in der Bundesrepublik Deutschland als Gastprofessor für politische Wissenschaften. Bartoszewski erzählt Geschichte - polnische Geschichte, die Geschichte der Beziehung zwischen Deutschland und Polen in der jüngeren Vergangenheit und die Geschichte eines Lebens, das dahinein verwoben war und noch immer ist. Eines Lebens im aufrechten Gang. Die Summe von Bartoszewskis Erfahrungen - eines Helden wider Willen, dem Angst ebensowenig fremd war wie christliches Mitleiden und die Bereitschaft zur Versöhnung mit dem Gegner - gipfelt in der Behauptung, die in einer vielfach korrumpierten Welt Aufmerksamkeit fordert: Man muß einen Standpunkt haben, man darf sich nicht aus allem heraushalten, und "es lohnt sich, anständig zu sein". (Wladyslaw Bartoszewski: Es lohnt sich, anständig zu sein. Meine Erinnerungen. Mit der Rede zum 8. Mai. Mit einem Nachwort herausgegeben von Reinhold Lehmann. Herder Spektrum, Band 4449. Verlag Herder, Freiburg, Basel und Wien 1995. 146 Seiten, 14,80 Mark.) M.L.
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