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Neue Essays von einer der wichtigsten intellektuellen Stimmen der Gegenwart. Leslie Jamison schreibt über die Grenzenlosigkeit unserer Sehnsucht und das Wesen unserer Obsessionen, wie nur sie es kann: mit großer emotionaler Beteiligung, luzider Klarheit und unerschütterlichem Einfühlungsvermögen.
In ihrem neuen Buch erkundet Leslie Jamison die Tiefen von Verlangen, Intimität und Obsession und testet dabei auch die Grenzen ihrer eigenen Offenheit und ihres Mitgefühls für andere aus. Wie kann sie empathisch über menschliche Erfahrung schreiben, ohne ihre kritische Distanz zu verlieren? Wie
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Produktbeschreibung
Neue Essays von einer der wichtigsten intellektuellen Stimmen der Gegenwart. Leslie Jamison schreibt über die Grenzenlosigkeit unserer Sehnsucht und das Wesen unserer Obsessionen, wie nur sie es kann: mit großer emotionaler Beteiligung, luzider Klarheit und unerschütterlichem Einfühlungsvermögen.

In ihrem neuen Buch erkundet Leslie Jamison die Tiefen von Verlangen, Intimität und Obsession und testet dabei auch die Grenzen ihrer eigenen Offenheit und ihres Mitgefühls für andere aus. Wie kann sie empathisch über menschliche Erfahrung schreiben, ohne ihre kritische Distanz zu verlieren? Wie ihr Beteiligtsein verarbeiten, ohne der Selbstbezogenheit zu erliegen? In Essays über so unterschiedliche Themen wie den »einsamsten Wal der Welt«, kindliche Erinnerungen an frühere Leben oder die Erfahrung, eine Stiefmutter zu sein, sucht sie nach neuen, ehrlichen Möglichkeiten erzählerischer Zeugenschaft.
Autorenporträt
Leslie Jamison, 1983 geboren, wuchs in Los Angeles auf, studierte in Harvard und promovierte in Yale. Sie schreibt u. a. für die New York Times , The Atlantic und Harper’s, leitet das Non-Fiction-Programm der Columbia University und lebt mit ihrer Familie in New York.
Rezensionen
»Ungeheuer dichte Essays, die zugleich ihr Thema und die Grundlage der Bearbeitung des Themas entfalten.« Marlen Hobrack Die literarische Welt

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Jan Wiele kann es selbst nicht fassen, dass es Leslie Jamison gelingt, ihn sogar für abgeschmackte Themen wie den Glitz von Las Vegas zu interessieren. Aber die Autorin weiß nunmal Letztgültiges zu sagen, ob zu Vegas, zu Avataren oder zu ihrer Alkoholsucht, und zwar in einem Stil, der Wiele irgendwo zwischen Essay, Reportage und Roman zu liegen scheint, prägnant und voller raffinierter Leerstellen. Didion, Foster-Wallace, Emerson fallen Wiele da ein. Eine überraschende Lektüre, versichert er.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.06.2021

Simulation ist die authentischste Las-Vegas-Erfahrung

Sind das Essays, Erzählungen oder lupenreine Strassperlen? Die amerikanische Schriftstellerin Leslie Jamison fordert "Es muss schreien, es muss brennen", und man folgt ihrer Glitzershow gern.

Heiraten, "beschirmt von der riesigen Elvis-Figur in Goldlamé unter dem kursiv geschriebenen Versprechen With Love", dabei so lachen und weinen, dass ein Beobachter sagt: "Ich dachte, ihre Ehe würde ewig halten" - und dann schon am nächsten Tag deren Annullierung unterschreiben: nichts Ungewöhnliches in Las Vegas.

Ist über diese Metropole des glitzernden Trugs nicht alles gesagt und in traurigen Filmen gezeigt worden? Und doch: Schon nach wenigen Zeilen ihres Textes "Echter Rauch" hat Leslie Jamison es geschafft, einen von Neuem in deren Bann zu ziehen. "Warum Vegas für etwas verdammen, das längst überall so ist? Die ganze Welt macht Versprechungen, die sie nicht halten kann. Die ganze Welt will dich über den Tisch ziehen. Vegas macht bloß keinen Hehl daraus. Vegas macht Festbeleuchtung daraus": Es sei sozusagen das stadtplanerische Pendant zu einem Obdachlosen, auf dessen Schild steht: "Wozu lügen? Ich will Bier."

Leslie Jamison allerdings muss sich Las Vegas nüchtern aussetzen, denn sie hat, wie Leser ihres Selbsterfahrungsbuchs "Die Klarheit" (2018) wissen, einen qualvollen Weg des Alkoholentzugs hinter sich. Auch hier ist es noch kein leichter: "Ohne Alkohol steckte ich in einem Behälter mit sichtbaren Wänden fest. Im Moment in einem dreistöckigen Kronleuchter. Deshalb zögerte ich, als mir jemand vorschlug, einen Mocktail zu bestellen. Ich hatte kein Interesse an der simulierten Version der echten Erfahrung des Sichbetrinkens. Aber dann dachte ich: Warum eigentlich nicht?"

Der Simulations-Cocktail entpuppt sich als gar nicht schlecht. Die klare Sicht auf die Stadt des Rausches, insbesondere auch hinter die Glitzerfassaden und in die stinkenden Gassen jenseits der Hauptstraße, führt Jamison im erstaunlichen Verlauf des besagten Textes erst zum falschen, dann zum richtigen Mann, zu Einsichten über das Wesen der Ehe und sogar dazu, selbst in der eingangs beschriebenen Kitsch-Kapelle zur Musik von "Fools Rush in" zu heiraten, "unter dem leuchtenden Kreuz hinter dem Kunstrasen". Was aber nun ist das für eine Art von Text, in dem die Autorin mal äußerst freimütig vom eigenen Beziehungsleben berichtet, dann vom opulenten Fotobuch "Every Building on the Sunset Strip" des Künstlers Ed Ruscha, das sich "auf eine Länge von über sieben Meter ausklappen" lasse, dann von einer Architektur-Exkursion der Universität Yale nach Las Vegas und schließlich von einer Männerrevue mit Strippern im "Excalibur"?

Sicher, unter "Essay" kann man das in der amerikanischen Tradition von Emerson bis Didion und Foster Wallace irgendwie einordnen - es hat aber bei Jamison teils so fabelhafte Züge, dass die Grenze zwischen Essay, Roman und der zuletzt vielbeschworenen Autofiktion vollends zu verschwimmen scheint. Vielleicht, sagt man sich als Leser am Schluss, ist man selbst einer Glitzershow willig aufgesessen, hat die zwölf Meter hohe Cowboyfigur Vegas Vic an der Fremont Street echten Rauch auspusten sehen, wie es angeblich ehedem der Fall war.

Diese Gefahr besteht auch bei manch anderem Text in Jamisons Band "Es muss schreien, es muss brennen", dessen Titel wie eine Maxime aus dem Reportage-Seminar für Boulevardmedien anmutet. Jamison geht oft dahin, wo es weh tut, und das mag man für zu gewollt halten - aber sie tut es ein ums andere Mal derart eindrucksvoll, prägnant und literarisch versiert mit geschickt gesetzten Leerstellen, dass man ihr gern folgt.

Auch beschleicht einen manchmal der Eindruck, Jamison klappere journalistische Modethemen ab. Aber selbst den zum Zeitpunkt ihrer Recherche schon etwas veralteten (und heute noch älter wirkenden, wie etwa das vom Avatar-Dasein in digitalen Zweitexistenzen wie in "Second Life") gewinnt die 1983 in Los Angeles Geborene doch noch etwas Neues, Überraschendes ab - oder schafft es einfach, dass man denkt: Hier hat jemand etwas bleibend Gültiges über diese Themen gesagt.

Wenn sie im titelgebenden Essay noch einmal die Geschichte des Schriftstellers und Publizisten James Agee nacherzählt, aus dessen Berichten über Farmarbeiter in den Südstaaten in den dreißiger Jahren mit den Fotografien von Walker Evans der epochale Reportageband "Let Us Now Praise Famous Men" geworden ist, dient das auch einer mehrfach gespiegelten Selbstkritik: "Das dokumentarische Ich dokumentiert selten, ohne Schaden anzurichten."

In dieser Not erkennt Jamison aber auch eine Tugend. Ihre Beschreibung von Agees Methode wirkt zum einen wie die Vorwegnahme des New Journalism von Tom Wolfe und anderen in den siebziger Jahren - zum anderen berührt sie sich mit den etwa gleichzeitig entstehenden poetologischen Texten zur literarischen Metafiktion. Indem James Agee als Reporter "jede Überlegung, jede Manipulation, jeden Kunstgriff und jede Subjektivität" beichte und damit "die unvermeidbare Verseuchung durch den, der dokumentiert - ihn selbst", erreiche er eine neue Stufe des Realismus.

In diese doppelte Tradition schreibt sich Jamison mit den vorliegenden Texten selbst ein. In der Reportage-Erzählung über "52 Blue", den "einsamsten Wal der Welt", der allerdings nur in Sonargeräuschen Gestalt angenommen hat, befragt sie Wissenschaftler, Fans des Wals und nicht zuletzt sich selbst darüber, wofür dieses nie gesichtete Tier stehen mag.

Sie erkennt ein Deutungskollektiv, das sich um ein leeres Zentrum gebildet hat - ein kühnes Bild für die Interpretation von Literatur vielleicht. Der Wal steht für Jamison "nicht nur für einen einzelnen Wal als Metapher der Einsamkeit, sondern für die Metapher als Balsam der Einsamkeit an sich". Das ist eine tröstliche Antwort auf die Frage, warum wir Literatur lesen.

JAN WIELE.

Leslie Jamison: "Es muss schreien, es muss brennen". Essays.

Aus dem Englischen von Sophie Zeitz. Hanser Verlag, München 2021. 320 S., geb. 25,- [Euro].

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