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Das Warschauer Getto war der Vorhof zur Hölle. Dort starben täglich Hunderte, von dort rollten die vollgepferchten Züge zu den Gaskammern in Treblinka. Aber zugleich war das Warschauer Getto eine Stadt, beinahe wie viele andere. Wo sich Menschen liebten, wo man kaufte, handelte, tauschte und abends Konzerte gab.
Das Warschauer Getto war ein Ort der Extreme. Seine Insassen führten ein absurdes Dasein auf der Scheide zwischen Leben und Tod. Die Zerrissenheit des Alltags im Getto existiert heute als Spannung zwischen zwei Aquarellzyklen, die Teofila Reich-Ranicki während dieser Jahre in
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Produktbeschreibung
Das Warschauer Getto war der Vorhof zur Hölle. Dort starben täglich Hunderte, von dort rollten die vollgepferchten Züge zu den Gaskammern in Treblinka. Aber zugleich war das Warschauer Getto eine Stadt, beinahe wie viele andere. Wo sich Menschen liebten, wo man kaufte, handelte, tauschte und abends Konzerte gab.

Das Warschauer Getto war ein Ort der Extreme. Seine Insassen führten ein absurdes Dasein auf der Scheide zwischen Leben und Tod. Die Zerrissenheit des Alltags im Getto existiert heute als Spannung zwischen zwei Aquarellzyklen, die Teofila Reich-Ranicki während dieser Jahre in Warschau malte. Da sind Bilder, die den Terror, das Leiden und das Sterben zeigen. Eine verhungernde Mutter mit ihrem Kind, alte Männer, die von Soldaten mit Gewehren geprügelt werden, eine Menschenmenge, die auf den Transport nach Treblinka wartet. Und da sind Opernfigurinen, zauberhaft leicht, die zur selben Zeit von derselben Künstlerin gestaltet wurden: Carmen, Butterfly, Isolde, Tosca. Beide Bilderzyklen haben wunderbarerweise die Zerstörung des Gettos und Warschaus überlebt.

Hanna Krall, die bedeutende polnische Schriftstellerin, die in ihren Texten die Überlebenden des Holocaust portraitiert, erzählt einfühlsam und klug die Geschichte der Teofila Reich-Ranicki und ihrer Aquarelle.
Autorenporträt
Teofila Reich-Ranicki, geborene Langnas, wurde 1920 in Polen geboren. Sie überlebte das Warschauer Getto gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann Marcel Reich-Ranicki und arbeitete als Journalistin, Übersetzerin und Grafikerin. Sie starb 2011 in Frankfurt/Main.

Teofila Reich-Ranicki, 1920 in Polen geboren, überlebte das Warschauer Getto und wohnt heute in Frankfurt.Hanna Krall, 1937 in Warschau geboren, überlebte als Mädchen in einem Versteck das Warschauer Getto. Ihre Bücher sind bislang in 17 Sprachen übersetzt. In diesem Jahr wurde ihr der Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Der letzte Augenblick
Teofila Reich-Ranickis Zeichnungen aus dem Warschauer Getto

Wer ist Marcel", fragte die Mutter. "Der Junge in den komischen Anzügen, der direkt aus Berlin kommt", erklärte ihr Teofila. "Er spricht kaum Polnisch . . ." "Ein netter Junge", setzte die Cousine hinzu. Weiter befaßten sie sich nicht mit ihm.

Als Teofila Langnas und ihre Mutter von einem Besuch bei der Cousine zurückkommen, hat sich Pawel Langnas, ihr Vater und Ehemann, aus Scham und Verzweiflung über das Leben im Warschauer Getto aufgehängt. Der herbeigeeilte Nachbarssohn, der die völlig verstörte Teofila zu trösten versucht, ist kein anderer als jener Marcel, der kaum Polnisch spricht. Die Geschichte, die er ihr nun erzählt, dort, im Getto, in der Zlota-Straße, auf Teofilas Bett sitzend, kannte er aus einem Film, in dem sich einer umbrachte und ein anderer, neben dem Toten sitzend, diesen Satz sagt: "Wir sind nicht auf der Welt, um das Leben von uns zu werfen, sondern um es zu bezwingen . . ." Dies war die erste von zahllosen Geschichten, die Marcel seiner Teofila, genannt Tosia, erzählen sollte.

Seit Marcel Reich-Ranickis Autobiographie "Mein Leben" erschienen ist und mit über sechshunderttausend verkauften Exemplaren zu einem der größten Bucherfolge der vergangenen Jahre wurde, ist die Liebesgeschichte zwischen Marcel Reich und Teofila Langnas, die im Getto unter schrecklichen Umständen ihren Anfang nahm, kein Geheimnis mehr. Wer "Mein Leben" gelesen hat, weiß auch, daß Teofila zeichnete und nach dem Krieg in Paris Kunstwissenschaften studieren wollte. Dazu ist es nie gekommen. Aber die frühen Beweise ihres großen Talents haben sich wider alle Wahrscheinlichkeit erhalten. Die handgeschriebene, von ihr selbst reich illustrierte Ausgabe von Erich Kästners "Lyrischer Hausapotheke", die Teofila dem Geliebten zum zwanzigsten Geburtstag schenkte, ist unlängst in einer hübschen faksimilierten Ausgabe erschienen (F.A.Z. vom 26. Februar). In diesen Tagen kommt ein zweiter Band von Teofila Reich-Ranicki in die Buchhandlungen: "Es war der letzte Augenblick. Leben im Warschauer Getto". Neben den Zeichnungen, von denen diese Seite eine Auswahl vorstellt, enthält er Texte der polnischen Autorin Hanna Krall, die Teofila Reich-Ranicki zu den Zeichnungen und ihren Erinnerungen an das Getto befragt hat. Als Folge dieser Gespräche ist nicht nur eine Reihe ebenso informativer wie einfühlsamer Kurztexte zu den einzelnen Aquarellen entstanden, sondern auch ein Essay, in dem Hanna Krall die Zeichnerin selbst ausführlich zu Wort kommen läßt.

Die junge Teofila zeichnete, was sie sah und erlebte: den Hunger und den Tod, die Gewalt und das Leid, den Schmerz, die Verzweiflung und das Elend. Soldaten, die mit dem Gewehrkolben auf Greise einschlagen, SS-Männer, die Säuglinge in den Händen halten, eine Mutter mit drei Kindern, die die verbliebene Habe auf einem Karren hinter sich herzieht. Ein junger Widerstandskämpfer, der eine Handgranate wirft. Ein Bild zeigt einen Mann, vielleicht einen Toten, vor einem Stacheldrahtzaun. Bedeckt ist er mit den Seiten der Gazeta Zydowska, jener Zeitung, für die Marcel Reich unter dem Pseudonym Wiktor Hart Konzertkritiken verfaßt hat. Hanna Krall hat etliche Artikel aus der Zeitung ausgewählt: Meldungen, Anordnungen, Frontberichte, Ratschläge, die das Überleben erleichtern sollten, und Nachrichten, die vom Tod kündeten: "Aus einem Müllkübel geborgen wurde ein Neugeborenes männlichen Geschlechts, beschnitten . . ."

Das letzte Kapitel versammelt die Opernheroinen, die Teofila gemalt hat. Es sind Kostümentwürfe für Tosca, Mimi oder Nedda aus dem "Bajazzo". Die Musik war neben der Literatur das zweite Refugium, in das sich Marcel und Teofila zurückziehen konnten. "Er gab ihr den Inhalt der Libretti wieder, summte seine Lieblingsarien. Sie zeichnete." Die Oper sei eine Märchenwelt gewesen, schreibt Hanna Krall. Und fügt hinzu: "Alle im Getto sehnten sich nach einem Märchen." (Teofila Reich-Ranicki und Hanna Krall: "Es war der letzte Augenblick. Leben im Warschauer Getto". Aquarelle und Zeichnungen. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart und München 2000. 120 S., geb., Abb., 39,80,- DM.)

igl

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wer Marcel Reich-Ranickis Autobiografie `Mein Leben` gelesen hat, weiß, meint der Rezensent mit dem Kürzel `igl`, unter welchen Umständen die Liebesgeschichte zwischen ihm und seiner Frau Teofila begonnen hatte. Und er weiß auch, dass sie zeichnete und Kunstwissenschaften studieren wollte. `igl` stellt nun den Band vor, der Teofila Reich-Ranickis Zeichnungen und Aquarelle aus dem Warschauer Getto enthält, ohne ihren zeichnerischen Stil genauer zu charakterisieren - stattdessen können die Leser vier ihrer Bilder selbst in Augenschein nehmen. Als Kommentar zu den Bildern enthält das Buch, informiert uns `igl`, Kurztexte der polnischen Autorin Hanna Krall, die Teofila Reich-Ranicki zu ihren Erinnerungen befragt hat. Umgekehrt wiederum habe Krall einen Essay verfasst, in dem auch die Zeichnerin `ausführlich zu Wort kommt`, die sich mit dem Stift in der Hand nicht nur dem Gettoleben widmete, sondern auch ihren Träumen nachhing in Gestalt von Opernheldinnen, für die sie Kostüme entwarf und zeichnete.

© Perlentaucher Medien GmbH