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2006 zieht Dieter Lattmann mit seiner Frau aus ihrem Haus in Schwabing in eine Wohnung der Augustinum-Seniorenresidenz in München-Nord: Mit 85 Jahren, als er "einen Zentnersack nicht mehr heben und den Efeu an der Garage nicht mehr schneiden konnte", sei es an der Zeit gewesen. Die Eingewöhnung, die Begegnungen mit anderen Bewohnern und das Erleben des hohen Alters wie des Sterbens beschreibt er in diesem Buch offen und sehr persönlich. Es sind philosophische, menschenfreundliche Betrachtungen, die Mut machen, im Alter den Schritt in ein neues Zuhause zu wagen.

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Produktbeschreibung
2006 zieht Dieter Lattmann mit seiner Frau aus ihrem Haus in Schwabing in eine Wohnung der Augustinum-Seniorenresidenz in München-Nord: Mit 85 Jahren, als er "einen Zentnersack nicht mehr heben und den Efeu an der Garage nicht mehr schneiden konnte", sei es an der Zeit gewesen. Die Eingewöhnung, die Begegnungen mit anderen Bewohnern und das Erleben des hohen Alters wie des Sterbens beschreibt er in diesem Buch offen und sehr persönlich. Es sind philosophische, menschenfreundliche Betrachtungen, die Mut machen, im Alter den Schritt in ein neues Zuhause zu wagen.

Autorenporträt
Lattmann, Dieter
Dieter Lattmann, geboren 1926, ist Mitbegründer Verbandes deutscher Schriftsteller sowie der Künstlersozialkasse. Er war Mitglied des Bundestages für die SPD (1972-1980) und im Präsidium des Goethe-Institutes (1977-1985). Dieter Lattmann ist Autor zahlreicher Romane, Sachbücher und Essays. Seit 2011 lebt er in der Augustinum-Seniorenresidenz München-Nord.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.11.2016

Der Letzte seiner Art
Dieter Lattmann erzählt vom Leben im Wohnstift

Man kann sein Buch als Werbeschrift für dieses Hochpreis-Unternehmen, das jüngst in Turbulenzen geriet, lesen. Dann liest man: Alles ist gut. Die verwaltenden, betreuenden, pflegenden Menschen in dem evangelisch orientierten Stift sind kompetent, aufmerksam und freundlich, immer wieder wird die tadellos funktionierende Organisation des Stiftsbetriebs vom Autor bewundert. Die Turbulenzen werden erwähnt, Zeitungsberichte von "kriminellen Machenschaften von Geschäftspartnern des Augustinums und mögliche Versäumnisse im Augustinum bei Immobilienverkäufen des Unternehmens". Kein Wort über den Fortgang der Dinge in den dreiundzwanzig Augustinum-Häusern.

Dieter Lattmann, Verlagsmitarbeiter, Schriftsteller, acht Jahre lang für die SPD Mitglied des Bundestages, Gründungsvorsitzender des Verbandes deutscher Schriftsteller, Kämpfer für die Künstlersozialkasse, Präsidiumsmitglied des Goethe-Instituts will viel lieber über das Leben im Alter schreiben. Johannes R. Becher hat einmal gefordert: "Mein Leben soll euch als ein Beispiel dienen" - so etwa sieht der Autor seine Aufgabe. Lattmann und seine Frau verkaufen, als sie fünfundachtzig Jahre alt sind, ihr schön gelegenes Münchner Haus und ziehen ins Stift.

Zuvor haben sie sorgsam die neue, die letzte Bleibe erkundet und sind in der "Altenburg" des Augustinums, vierzehn Stockwerke hoch, auf nette, gebildete, musisch gesinnte Menschen gestoßen. Das Paar möchte im Augustinum-Stift eine Idylle mit bürgerlichen Umgangsformen finden. Die neuen Stiftsbewohner sind daher des Lobes voll angesichts des Hallenbades, des Theatersaals, der Feste, der Salat-Theke. Gab es da nicht Schwierigkeiten, als man aus der größeren in die kleinere, in die Zweizimmerwohnung zog? Ein Schriftsteller, sollte man annehmen, hat viele Bücher. Wird die ambulante Pflege ausreichen, wenn man ein "Pflegefall" wird? Und was ist mit den Kosten? Von Geld ist in diesem Buch nicht ein einziges Mal die Rede, Geld ist da.

Im Alter fühlt man sich nicht nur frei, man blendet auch aus, was man für unwesentlich hält, und das kann dann merkwürdig sein. Nicht anwesend ist das Leben außerhalb des Stifts. Einmal nur wird mitgeteilt: "Die heutige Gegenwart ist mediendurchsetzt, maßlos übertechnisiert, unsinnig beschleunigt und mehrheitlich rücksichtslos im Missbrauch der Natur." Im Stift ist es anders, in "unserem Augustinum" ist man "unter sich". Hier wird der "Anstand gewahrt", hier wird "gespeist", man hat eine "Strickoma" und eine "Rauchoma" und erinnert sich gern an "Vaters Bruder Martin, Panzergeneral in der Schlacht um Stalingrad". Kleine Porträts von Stiftsbewohnern - manche von ihnen "Burgherren mit Professorengesichtern" - ergänzen das Bild, "vorherrschend ist ein gebildeter, traditioneller Habitus".

Dieter Lattmann erzählt Umgebungs- und Familiengeschichten und beschreibt, wie sein Leben im Stift verläuft: lesend, Streit-Patiencen spielend, fernsehend, mit dem Kriegskameraden redend. Fernsehgenuss bieten dem Paar aber nur Arte, 3sat und BR alpha - "Wir waren abgestoßen durch Tatort und Krimskrams." Den alten SPD-Genossen Lattmann stören nun auch schon neue Menschen am Mittagstisch. Der Mann, der nach dem 20. Juli 1944 wegen einer spontanen Unmutsäußerung degradiert wurde, wendet den Blick ab vom "grellen Markt internationaler Agenturen". Die einzige ihm verbliebene politische Aufgabe sieht er in der Realisierung des, wie er es nennt, "Grundrechts auf ein selbstbestimmtes Lebensende". Das Wort "Euthanasie" fällt nicht.

Dieser Lebensabschnittsbericht mit Daten zur wahrscheinlich letzten deutschen protestantisch-bürgerlichen Generation erscheint sprachlich und gestisch eigentümlich schwebend. Gehört zum Alter, dass man es sich schönredet? Dass die Wiesen "sattgrün" und die Baumgruppen "prachtvoll" aussehen? Dass man sich mit selbstgegebenen "Bücherstunden" zu Grass, Walser, Lenz, Böll und Bachmann, mit dem Englischkurs für Fortgeschrittene, durch Gespräche mit dem Physiotherapeuten über die Bronchitis, über das kranke Auge hinwegrettet? Auch Reisen nach Bayrischzell, nach Meersburg enttäuschen den Berichterstatter eher - er hat vielmehr einfach Sehnsucht nach "seinem" Augustinum. Dort, unter Gleichgesinnten, ist seine Heimat. Lattmanns Buch endet mit dem Tod seiner Frau. Er hatte sie im Alter von fünfzehn Jahren in der Tanzstunde kennengelernt. "Durchhalten" hatte er sich als Jahresmotto gewählt.

Wird uns diese "grundanständige" Art zu leben, von der hier noch einmal freimütig berichtet wird, fehlen? Ja, das wird sie. Aber erst einmal wirkt sie gestrig.

KONRAD FRANKE

Dieter Lattmann: "Es will Abend werden". Aufzeichnungen aus einem Augustinum. Leben in einer Seniorenresidenz.

Kösel Verlag, München 2016. 204 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Konrad Franke hat Sympathien für die "grundanständige" Art zu leben, wie sie der SPD-Mann und Gründungsvorsitzender des deutschen Schriftstellerverbands Dieter Lattmann im Alter zelebriert. Aber sie nervt ihn auch als reichlich gestrig, wenn der Autor sein Dasein zwischen Lesezirkeln und Patience-Abenden im Wohnstift Augustinum gegen das Leben außerhalb verteidigt. Auch, weil der Autor in seinem "Lebensabschnittsbericht" aus einer der letzten protestantisch-bürgerlichen Bastionen weder über die Kosten spricht, und die "kriminellen Machenschaften von Geschäftspartnern des Augustinums" nur am Rande erwähnt. Alles tadellos im Stift für Lattmann, so sehr, dass er sich selbst auf Reisen ins Stiftsidyll zurücksehnt. "Gestrig" wirkt das auf Franke.

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