Nur wenige Themen haben in den vergangenen Jahren für derart kontroverse Diskussionen gesorgt wie die Erforschung des menschlichen Genoms. Mit seiner Entschlüsselung stehen Medizin und Gentechnik vor gänzlich neuen Möglichkeiten. Die Forschung auf diesen Gebieten schreitet rasant voran und wird heftig diskutiert, die Meldungen dazu schwanken zwischen Horrorszenarien und Zukunftseuphorie. Dringend benötigt wird ein Wegweiser durch die verwirrende Vielfalt der Informationen. Einen solchen Leitfaden will der renommierte Genforscher Jens Reich mit diesem Buch zur Verfügung stellen. Er erklärt die wissenschaftlichen Grundlagen der biomedizinischen Forschung: Wie entsteht Leben? Was versteht man unter dem Genom? Wie sieht die DNS aus? Wie funktionieren Gene? Was ist ein Klon? Und er beschreibt die Möglichkeiten, die uns diese Forschung eröffnet: Therapie bislang unheilbarer Krankheiten und Erbkrankheiten, Lebensverlängerung, Gentests, "Designerbabys", Menschenklone. Inwieweit der Forschung hier Grenzen auferlegt werden sollen, ist sehr umstritten. Jens Reich zeigt, welche ethischen Fragen diese Forschung aufwirft, und macht klar, dass die Wissenschaft darauf keine Antwort geben kann. Vielmehr bedarf es eines gesellschaftlichen Diskurses darüber, die denn die Grenzziehungen können nur aus der Politik kommen. Alle, die hier informiert mitreden und mitentscheiden wollen, sollten dieses Buch lesen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.05.2003Hebammenkunst
Jens Reich klärt über
die Gentechnik auf
Ein Artikel über „Dolly und das Embryonenschutzgesetz”, der im März 1997 im Deutschen Ärzteblatt erschien, beginnt mit der ironischen Frage: „Mußte denn ausgerechnet ein weibliches Schaf den Beweis dafür erbringen, daß Männer von Natur aus überflüssig sind?” Inzwischen ist das Klon-Schaf Dolly tot. Das erste geklonte Baby lässt dagegen noch auf sich warten; jedenfalls fehlen bislang Beweise, dass die von skrupellosen Medizinern vorangetriebenen Experimente der ungeschlechtlichen Zeugung beim Menschen erfolgreich waren.
Wen die Risiken sowie die rechtlichen und ethischen Probleme nicht nur des Klonens, sondern auch der Gentechnik insgesamt interessieren, der kann mittlerweile auf eine Fülle von populärwissenschaftlichen Darstellungen zurückgreifen. Allerdings kommt es selten vor, dass der Autor für sich in Anspruch nehmen kann, sowohl etwas von der Praxis zu verstehen als auch von den moralisch-ethischen Fragen, die mit dem Einsatz dieser neuen Technologie verbunden sind. Das trifft auf Jens Reich zu, der als Professor für Biomathematik an der Humboldt-Universität lehrt und Mitglied des Nationalen Ethikrates ist.
Der Titel seines neuesten Buchs ist der Laboratorium-Szene in Goethes Faust (2. Teil) entnommen. In sieben Kapiteln liefert der Wissenschaftler mit Politikerfahrung eine lesbare und verständliche Einführung in die einzelnen Bereiche, in denen heute die Gentechnik ungeahnte Möglichkeiten eröffnet: Embryonen- und Stammzellenforschung, GenomProjekt, Klonen, Embryonenselektion vor einer Schwangerschaft (PID), vorgeburtliche Diagnostik (PND) sowie Eingriffe in die menschliche Keimbahn. Auch wenn Sokrates in diesem Büchlein, das für interessierte Laien gedacht ist, nicht explizit erwähnt wird, so ist es doch die von dem griechischen Philosophen entwickelte „Hebammenkunst” (Maieutik), die sich Reich zunutze macht, um die unterschiedlichen Standpunkte zu verdeutlichen.
ROBERT JÜTTE
JENS REICH: „Es wird ein Mensch gemacht”. Möglichkeiten und Grenzen der Gentechnik. Rowohlt Verlag, Berlin 2003. 191 Seiten, 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Jens Reich klärt über
die Gentechnik auf
Ein Artikel über „Dolly und das Embryonenschutzgesetz”, der im März 1997 im Deutschen Ärzteblatt erschien, beginnt mit der ironischen Frage: „Mußte denn ausgerechnet ein weibliches Schaf den Beweis dafür erbringen, daß Männer von Natur aus überflüssig sind?” Inzwischen ist das Klon-Schaf Dolly tot. Das erste geklonte Baby lässt dagegen noch auf sich warten; jedenfalls fehlen bislang Beweise, dass die von skrupellosen Medizinern vorangetriebenen Experimente der ungeschlechtlichen Zeugung beim Menschen erfolgreich waren.
Wen die Risiken sowie die rechtlichen und ethischen Probleme nicht nur des Klonens, sondern auch der Gentechnik insgesamt interessieren, der kann mittlerweile auf eine Fülle von populärwissenschaftlichen Darstellungen zurückgreifen. Allerdings kommt es selten vor, dass der Autor für sich in Anspruch nehmen kann, sowohl etwas von der Praxis zu verstehen als auch von den moralisch-ethischen Fragen, die mit dem Einsatz dieser neuen Technologie verbunden sind. Das trifft auf Jens Reich zu, der als Professor für Biomathematik an der Humboldt-Universität lehrt und Mitglied des Nationalen Ethikrates ist.
Der Titel seines neuesten Buchs ist der Laboratorium-Szene in Goethes Faust (2. Teil) entnommen. In sieben Kapiteln liefert der Wissenschaftler mit Politikerfahrung eine lesbare und verständliche Einführung in die einzelnen Bereiche, in denen heute die Gentechnik ungeahnte Möglichkeiten eröffnet: Embryonen- und Stammzellenforschung, GenomProjekt, Klonen, Embryonenselektion vor einer Schwangerschaft (PID), vorgeburtliche Diagnostik (PND) sowie Eingriffe in die menschliche Keimbahn. Auch wenn Sokrates in diesem Büchlein, das für interessierte Laien gedacht ist, nicht explizit erwähnt wird, so ist es doch die von dem griechischen Philosophen entwickelte „Hebammenkunst” (Maieutik), die sich Reich zunutze macht, um die unterschiedlichen Standpunkte zu verdeutlichen.
ROBERT JÜTTE
JENS REICH: „Es wird ein Mensch gemacht”. Möglichkeiten und Grenzen der Gentechnik. Rowohlt Verlag, Berlin 2003. 191 Seiten, 16,90 Euro.
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Jens Reich beleuchtet die Zukunftsfragen von allen Seiten und stellt sie verständlich dar. Ein großartiges Buch nicht nur für Leute ohne Vorbildung, sondern auch für Besserwisser aus allen Lagern. Märkische Allgemeine