Für seine verschiedenen Gedichtbände, die seit 1993 erschienen sind, hat Norbert Hummelt grosse Anerkennung erfahren; so erhielt er 2018 mit dem Hölty-Preis die am höchsten dotierte Auszeichnung für lyrisches Schaffen im deutschsprachigen Raum. Ein Jahr zuvor konnte man ihn auch als versierten Prosa-Autor kennenlernen, als seine Reise texte «Der Atlas der Erinnerung» bei NIMBUS gesammelt er schienen. Nun dürfen wir ihn auch als Essayisten vorstellen, der sich seit vielen Jahren an verstreuten Orten zu Literatur und Kunst geäußert hat - vornehmlich zur Lyrik, seiner ureigenen Domäne. Die Texte offenbaren, aus welch breitem Bildungsfundus Hummelt für sein Schaffen schöpft; die Essays reichen zurück bis zur Barockliteratur, haben einen Schwerpunkt in der Romantik, kreisen mehrfach um Stefan George und Gottfried Benn, durchstreifen die Nachkriegsgefilde der Gruppe 47 mit Günter Eich und anderen, widmen sich Jürgen Becker, Ernst Jandl und Friederike Mayröcker oder schildern Thomas Kling aus naher Zeitgenossenschaft. Es ist eine sehr intime Herangehensweise, deren Zeuge man hier wird. Das Ziel von Hummelts Beschäftigung mit «seinen» Autoren ist nicht die Gelehrsamkeit, sondern die Intensität des Lesens, die Vertiefung und neugierige Durchdringung ihrer Welt, ihrer Sprache, ihrer Form. Der Titel des Buches sagt es schon: Hier macht einer Eselsohren in die Buchseiten - vor Begeisterung, aus Angerührtheit, als Markierung und Gedächtnishilfe, um die Texte wieder und wieder lesen und ergründen zu können. Ziel all dessen ist folgerichtig kein neuer Kanon, was man als Vorzeigewissen kennen müsse - im Gegenteil. Hummelt interessiert dies nicht im mindesten - wohl aber, welche Wirkungskräfte z.B. die Lieder eines Udo Lindenberg ausmachen. Zugleich ist er nicht von vornherein ablehnend, wo ein hoher Ton angestrebt wird, schaut aber ohne voreilige Ehrerbietung hin. Die Lyrik erlebe derzeit eine Renaissance, heisst es vielerorts. Angesichts der Dominanz des Klischees in der öffentlichen Rede, mag dies eine Hoffnung darstellen: Dass der Moment der wahren Empfindung in Form einer unerwarteten, formbewussten Sprache zum Ausdruck komme. Hummelts essayistischen Erkundungen legen dazu beglückende Traditionen frei.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Über erfrischende neue Beiträge zu der Frage, was "literarisches Leben" bedeuten kann, freut sich Rezensent Jan Wiele bei der Lektüre von Norbert Hummelts anregenden Essays: Eine Reise nach Irland löst etwa Erinnerungen an Joyce-Lektüren aus, evoziert Träume an die Stadt Neuss und einen geheimnisvollen schwarzen Panther und lässt wahnhafte Fragen des lyrischen Ichs aufkommen: Kann man verantwortlich sein für den 11. September, wenn man seine Träume für sich behält? Die Essays muten in all ihrer Verrücktheit auch selbstanalytisch an, sie nehmen Bezug auf Rilke und C.G. Jung und stellen die wichtige Frage, wie den "dunklen Zonen des Wissens" mit Literatur beizukommen ist - so kann sich Wiele dem Nachwort Artur Beckers nur anschließen, der Hummelts als "lyrischen Detektiv" bezeichnet, der sich auf die Spur der inneren Maschinerie der Literatur macht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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