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Warum heute Bobbio lesen? Um im unübersichtlicher werdenden politischen Handgemenge einen klaren Kopf zu behalten. Um die Moral nicht mit der Politik zu verwechseln, die guten Gründe nicht mit der Macht der Mehrheit.Der 2004 fünfundneunzigjährig verstorbene liberale Rechtslehrer und linke Philosoph Norberto Bobbio war gut ein halbes Jahrhundert lang der Lehrer Italiens in Sachen Demokratie und Vordenker vieler heutiger Rechtsphilosophen. Böse Zungen nannten Bobbio einen »Papa laico«, einen Papst für die Aufgeklärten. Aber der Turiner Professor las in den Fünfzigern oppositionellen Kommunisten…mehr

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Produktbeschreibung
Warum heute Bobbio lesen? Um im unübersichtlicher werdenden politischen Handgemenge einen klaren Kopf zu behalten. Um die Moral nicht mit der Politik zu verwechseln, die guten Gründe nicht mit der Macht der Mehrheit.Der 2004 fünfundneunzigjährig verstorbene liberale Rechtslehrer und linke Philosoph Norberto Bobbio war gut ein halbes Jahrhundert lang der Lehrer Italiens in Sachen Demokratie und Vordenker vieler heutiger Rechtsphilosophen. Böse Zungen nannten Bobbio einen »Papa laico«, einen Papst für die Aufgeklärten. Aber der Turiner Professor las in den Fünfzigern oppositionellen Kommunisten ebenso die Leviten wie in den Neunzigern dem regierenden Fernsehpopulismus. Dabei war es seine große Fähigkeit, philosophische und juristische Fragen klar und verständlich darzustellen, die er oft in Gegensatzpaaren wie Ethik und Politik diskutierte.Zu seinem 100. Geburtstag stellt der Band Beispiele seines brillanten und breitgefächerten Lebens und Schreibens vor: Ethik und Politik, Die Zukunft der Demokratie, Lob der Sanftmut, dazu eine Einleitung des Herausgebers und ausgewiesenen Bobbio-Kenners Otto Kallscheuer, ein Gespräch zwischen ihm und Bobbio und eine Bio-Bibliographie.
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Autorenporträt
Norberto Bobbio wurde 1909 in Turin geboren. Der promovierte Jurist lehrte Rechts- und Staatsphilosophie an verschiedenen italienischen Universitäten, zuletzt bis zu seiner Emeritierung 1979 in Turin. Seit 1935 veröffentlichte er in verschiedenen sozialliberalen und regimekritischen Zeitschriften, etwa »L'ora dell' Azione«, »Lo Stato Moderno« und »Occidente«, seit 1976 schrieb er für die Tageszeitung »La Stampa«. Bobbio war Herausgeber mehrerer Bücher zur Politischen Ökonomie und Philosophie, etwa von Popper, Hobbes und Marx und hat selbst zahlreiche Schriften über die Menschenrechte und zur Theorie von Politik, Demokratie und Recht verfasst. Er war Ehrendoktor verschiedener europäischer Universitäten und Ehrenvorsitzender der Società europea di cultura. Im Juli 1984 wurde er zum Senator auf Lebenszeit ernannt. Norberto Bobbio starb 2004 in Turin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.10.2009

Täglich wird die Demokratie verletzt
Am Sonntag wäre der Philosoph Norberto Bobbio 100 geworden
Wenn das Unbehagen am Geschwätz einer politischen Klasse, die sich der Einsicht verweigert, dass ihre Floskeln, Leerformeln, Euphemismen sich der Entstellung der Sprache annähern, die politische Systeme auszeichnet, mit denen man nicht in einem Atemzug genannt sein will – wenn das Unbehagen am politischen „Newspeak” in physische Qual umschlägt, dann helfen als Gegenmittel ein paar Seiten Norberto Bobbio. Mit schonungsloser Klarheit hat Bobbio die Begriffe und Praktiken des Politischen seziert, ohne dabei je dem dezisionistischen Gerede und der Machtvergottung von Herrschaftsdenkern der deutschen Tradition zu verfallen. Als Senator auf Lebenszeit blieb er einer der schärfsten Kritiker aller italienischen Regierungen. Vor dem Aufstieg Berlusconis graute es dem 2004 gestorbenen Denker. Aus Bobbios liberal-sozialistischem Umfeld kommen heute die klügsten und schneidendsten Anklagen der populistischen „Telekratie” in Italien. An diesem Sonntag wäre er 100 Jahre alt geworden.
Der Rechtsphilosoph und politische Theoretiker Bobbio konnte auf ein kämpferisches Leben zurückblicken: verhaftet von den Faschisten, aktiv im Partisanenkampf, das zivile Gewissen der italienischen Linken. Gegen die Kommunisten verteidigte er die bürgerlichen Freiheiten, gegen die christdemokratische Kleptokratie die Idee einer sozialen Demokratie. Zu seinem liberalen Sozialismus wird man in Deutschland kaum eine Entsprechung finden, selbst wenn Parallelen zu Jürgen Habermas ausgemacht wurden – auch in Italien saß Bobbio stets zwischen allen Stühlen. Ein schönes kleines Bändchen bietet nun mit vier kürzeren Texten einen guten Einstieg in das Denken und den Sound Bobbios, etwa mit seinem Klassiker von 1984, „Die Zukunft der Demokratie”, den man gerade in Zeiten vor und nach Wahlen zur Hand nehmen sollte.
Bobbio legt den Finger auf die Wunde der Demokratie – ihre nicht eingehaltenen Versprechungen. Die Formeln des politischen Betriebs finden dabei keine Gnade: Die Idee des souveränen, frei wirtschaftenden Individuums, auf der der Liberalismus beruht? „Die Gruppen, die Großorganisationen, Verbände, Gewerkschaften, Parteien sind die Protagonisten des politischen Lebens in einer demokratischen Gesellschaft von heute. Es gibt in ihr nicht mehr einen Souverän, das Volk oder die Nation” aus Individuen – sondern eine „polykratische”, „neokorporatistische” Herrschaftsstruktur, in der Repräsentanten von Interessen um Einfluss ringen. Oligarchien bestehen auch in der Demokratie fort. Der Prozess der Demokratisierung als Teilnahme an Entscheidungen macht vor Verwaltungsapparaten und Unternehmen halt. Dabei funktioniert die moderne Demokratie nicht ohne Technokratie und Bürokratie. Ein unsichtbarer „Doppelstaat”, manchmal im Gewand der Mafia, zumeist aber im Namen der nationalen Sicherheit, entzieht weite gesellschaftliche Bereiche der öffentlichen Kontrolle.
An dieser Stelle braust Bobbios Zorn auf. Er fürchtet die Herrschaft der Computer, mit deren Hilfe die Regierenden ihre Bürger restlos ausspähen und sich damit einen alten absolutistischen Traum erfüllen: „Wenn es nicht gelingen wird, auf diese Frage eine angemessene Antwort zu finden, dann ist die Demokratie verloren.” Bobbio beklagt brutale Verletzungen des demokratischen Prinzips, die Tag für Tag begangen werden – während der politische Betrieb vorgibt, nichts sei geschehen. Was aber Bobbio kennzeichnet, ist sein politischer Realismus, sein „Und dennoch”. Gerade das Bewusstsein all ihrer Schwächen und Versehrungen ermöglicht ihm das Bekenntnis zur Demokratie: „Die so oft verlachten formalen Rechte der Demokratie haben zum ersten Mal in der Geschichte Techniken zur Lösung sozialer Konflikte ohne den Rekurs auf die Gewalt eingeführt. Nur dort, wo diese Regeln eingehalten werden, ist der politische Gegner kein Feind mehr (der vernichtet werden muss), sondern der Opponent, der morgen schon meinen Platz einnehmen kann.” TIM B. MÜLLER
NORBERTO BOBBIO: Ethik und die Zukunft des Politischen. Herausgegeben und mit einem Vorwort von Otto Kallscheuer. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2009. 142 Seiten, 10,90 Euro.
Der italienische Rechtsphilosoph und politische Theoretiker Norberto Bobbio (1909 - 2004) Foto: action press
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