Paul Ricoeur rehabilitierte den aristotelischen Begriff der "Phronesis", indem er ihn mit praktischer Weisheit übersetzte und ihn dialektisch mit den zentralen Begriffen der Philosophie Kants und Hegels verband. Die praktische Weisheit entspricht dem späteren Zweig der Ethik, der an der Dynamik der Praxis teilhat, die ihrerseits ein Tribut an eine frühere, im Leben und im Begehren verankerte Ethik ist. Mehr als ein System wird hier eine große hermeneutische Brücke zwischen einer teleologischen Moral und einer deontologischen Matrix geschlagen. Die praktische Weisheit nimmt an der Tragik des menschlichen Handelns teil, wo es oft notwendig ist, das geringere Übel zu wählen, und verwirklicht das Potenzial, das in der anthropologischen Kategorie des fähigen Menschen vorausgesetzt wird. Wie bei Aristoteles im Sinne von Gerechtigkeit und Billigkeit verwurzelt, wird die praktische Weisheit nicht als Einzelfallurteil verstanden, sondern berücksichtigt die Erfahrung und verbindet eine teleologische und deontologische Perspektive.