Der Gründer der Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung Christian Felber widmet sich möglichen Alternativen zu TTIP, WTO & Co, deren Zustandekommen immer unwahrscheinlicher wird. Er plädiert konsequent dafür, der Ideologie von Freihandel, Standortwettbewerb und noch mehr Globalisierung endgültig abzuschwören. Weniger Hürden soll es für jene Staaten und Unternehmen geben, die einen Beitrag leisten, um die eigentlichen Ziele der Wirtschaft zu erreichen: nachhaltige Entwicklung, Verteilungsgerechtigkeit, kulturelle Vielfalt oder sinnvolle Arbeitsplätze. Und Barrieren im Handel für jene, die Menschenrechte missachten, für Klimasünder und Ausbeuter.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.04.2017Spezialisierung hat ihre Tücken
Statt Protektionismus oder TTIP: Christian Felbers Argumente sollten auch Befürworter des Freihandels prüfen.
Die Zeichen stehen schlecht für ein Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP). Mit seinem protektionistischen Kurs hat sich Donald Trump gegen eine Liberalisierung des Handels zwischen Europa und Amerika positioniert. Und in der Bevölkerung beiderseits des Atlantiks gibt es große Widerstände dagegen, die Standards für Produkte und Dienstleistungen einander anzupassen. Stehen sich die linken Handelskritiker und der rechte Protektionist Trump womöglich näher als gedacht?
Christian Felbers Buch liefert eine konzise Darstellung, was den europäischen Kritikern an einem Abkommen dieses Zuschnitts missfällt. Und anders als bei oft halb informierten Aktivisten, die zum Widerstand gegen TTIP aufrufen, basiert Felbers Analyse der bestehenden Handelspolitik auf einem tiefen Verständnis der ökonomischen Freihandelslogik, wie sie in den Schriften des liberalen britischen Ökonomen David Ricardo angelegt ist. Felber ist Mitgründer von Attac Österreich, und in dem Band erfüllt er die ehrenvollste Aufgabe, die sich dieses globalisierungskritische Netzwerk gesetzt hat: die ökonomische Alphabetisierung der Gesellschaft.
"Freihandel macht Handel zum Selbstzweck und Protektionismus die Protektion: zwei gleichermaßen sinnleere Positionen", schreibt Felber gleich zu Beginn. Damit wird schon deutlich, dass Trump und Felber Welten trennen. Zwischen den beiden - wie er es sieht - Extrempositionen Freihandel und Protektionismus versucht er, seinen Entwurf eines ethischen Welthandels als vernünftigeren Mittelweg zu etablieren. Auf dem Weg dorthin wird er die liberale Doktrin als quasi-religiösen Glaubensgrundsatz brandmarken, Ricardos Herleitung des Wohlfahrt stiftenden Handels hinterfragen und die heutige Weltwirtschaft als ein System geißeln, das sich transnationale Konzerne zur Profitmaximierung geschaffen haben.
Ricardos 1817 aufgestellte Theorie sollte demonstrieren, dass es für Staaten immer von Vorteil ist, sich auf bestimmte Produkte zu spezialisieren, um sie mit Handelspartnern zu tauschen. Sein Modell operierte mit zwei Staaten und zwei Gütern, um nachzuweisen: Selbst wenn eines der beiden Länder beide Güter teurer herstellt als das andere Land, lohnt es sich letztlich für beide Länder, sich jeweils für die Produktion eines der beiden Güter zu entscheiden und diese dann miteinander zu tauschen. Diese Logik steht an der Basis des kurz nach dem Krieg geschaffenen Systems stetig fallender Zölle, das Mitte der neunziger Jahre in die Welthandelsorganisation WTO mündete.
Felber führt auf über fünfzig Seiten aus, warum die Freihandelslehre aus seiner Sicht im Widerspruch zu menschenfreundlichen Arbeitsstandards, Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit, Umwelt, Klima und Verbrauchern steht. Zwölf zentrale Kritikpunkte formuliert er. Im Kern sind es die folgenden: Würde die Spezialisierung konsequent umgesetzt, ginge die kulturelle Vielfalt verloren, würde die Umwelt über die Gebühr geschädigt, ließen sich Handelsungleichgewichte nicht ausgleichen und verschärfte sich die wirtschaftliche Ungleichheit. Freihandelsbefürworter in westlichen Staaten ignorierten, dass ihr Wohlstand mit Hilfe von Protektion geschaffen worden sei. Nun setzten sie sich für offene Grenzen ein, um den Absatz der wertvolleren Produkte ihrer Unternehmen zu erleichtern.
Der restliche Platz ist einer Skizze seines ethischen Handelssystems gewidmet. Nicht in der WTO, sondern in den Vereinten Nationen solle dieses rechtlich angesiedelt sein, damit nicht nur Konzerne ihr Recht einklagen könnten. Mit Hilfe von Zollerleichterungen sollten Menschen-, Arbeits- und Umweltrechte sowie der Austausch von Steuerdaten international etabliert werden. Nach dem Vorbild des britischen Ökonomen John Maynard Keynes sollte ein Ausgleichsmechanismus eingeführt werden, der die Risiken von Handelsungleichgewichten mildert.
Felbers Buch ist eine interessante Ideensammlung für einen faireren Welthandel. Viele der von ihm beschriebenen Widersprüche kritisieren auch liberale Ökonomen. Manchmal sitzt er zu sehr einem Freund-Feind-Schema auf; Interessen von Arbeitgebern werden permanent als Wortmeldungen von Lobbyisten abgekanzelt. Manche Vorschläge folgen einem Regulierungswahn, der die wirtschaftliche Freiheit unnötig einschränken würde. Doch wenn man sich vergegenwärtigt, welchen Einfluss Attac bereits bei zentralen wirtschaftspolitischen Themen ausübt (Steuertransparenz, Besteuerung von Finanztransaktionen), lohnt es sich auch für Freihandelsbefürworter, sich diesen Instrumentenkasten anzusehen. Denn irgendwann werden viele Vorschläge sicher auf die globale Agenda kommen. Die Kritik am Freihandel ist ein stabiles Gebäude, dessen Bauweise man sich bei Felber genau anschauen kann.
PHILIPP KROHN
Christian Felber: "Ethischer Wandel". Alternativen zu TTIP, WTO & Co.
Deuticke Verlag, Wien 2017. 224 S., br., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Statt Protektionismus oder TTIP: Christian Felbers Argumente sollten auch Befürworter des Freihandels prüfen.
Die Zeichen stehen schlecht für ein Transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP). Mit seinem protektionistischen Kurs hat sich Donald Trump gegen eine Liberalisierung des Handels zwischen Europa und Amerika positioniert. Und in der Bevölkerung beiderseits des Atlantiks gibt es große Widerstände dagegen, die Standards für Produkte und Dienstleistungen einander anzupassen. Stehen sich die linken Handelskritiker und der rechte Protektionist Trump womöglich näher als gedacht?
Christian Felbers Buch liefert eine konzise Darstellung, was den europäischen Kritikern an einem Abkommen dieses Zuschnitts missfällt. Und anders als bei oft halb informierten Aktivisten, die zum Widerstand gegen TTIP aufrufen, basiert Felbers Analyse der bestehenden Handelspolitik auf einem tiefen Verständnis der ökonomischen Freihandelslogik, wie sie in den Schriften des liberalen britischen Ökonomen David Ricardo angelegt ist. Felber ist Mitgründer von Attac Österreich, und in dem Band erfüllt er die ehrenvollste Aufgabe, die sich dieses globalisierungskritische Netzwerk gesetzt hat: die ökonomische Alphabetisierung der Gesellschaft.
"Freihandel macht Handel zum Selbstzweck und Protektionismus die Protektion: zwei gleichermaßen sinnleere Positionen", schreibt Felber gleich zu Beginn. Damit wird schon deutlich, dass Trump und Felber Welten trennen. Zwischen den beiden - wie er es sieht - Extrempositionen Freihandel und Protektionismus versucht er, seinen Entwurf eines ethischen Welthandels als vernünftigeren Mittelweg zu etablieren. Auf dem Weg dorthin wird er die liberale Doktrin als quasi-religiösen Glaubensgrundsatz brandmarken, Ricardos Herleitung des Wohlfahrt stiftenden Handels hinterfragen und die heutige Weltwirtschaft als ein System geißeln, das sich transnationale Konzerne zur Profitmaximierung geschaffen haben.
Ricardos 1817 aufgestellte Theorie sollte demonstrieren, dass es für Staaten immer von Vorteil ist, sich auf bestimmte Produkte zu spezialisieren, um sie mit Handelspartnern zu tauschen. Sein Modell operierte mit zwei Staaten und zwei Gütern, um nachzuweisen: Selbst wenn eines der beiden Länder beide Güter teurer herstellt als das andere Land, lohnt es sich letztlich für beide Länder, sich jeweils für die Produktion eines der beiden Güter zu entscheiden und diese dann miteinander zu tauschen. Diese Logik steht an der Basis des kurz nach dem Krieg geschaffenen Systems stetig fallender Zölle, das Mitte der neunziger Jahre in die Welthandelsorganisation WTO mündete.
Felber führt auf über fünfzig Seiten aus, warum die Freihandelslehre aus seiner Sicht im Widerspruch zu menschenfreundlichen Arbeitsstandards, Maßnahmen zum Schutz von Gesundheit, Umwelt, Klima und Verbrauchern steht. Zwölf zentrale Kritikpunkte formuliert er. Im Kern sind es die folgenden: Würde die Spezialisierung konsequent umgesetzt, ginge die kulturelle Vielfalt verloren, würde die Umwelt über die Gebühr geschädigt, ließen sich Handelsungleichgewichte nicht ausgleichen und verschärfte sich die wirtschaftliche Ungleichheit. Freihandelsbefürworter in westlichen Staaten ignorierten, dass ihr Wohlstand mit Hilfe von Protektion geschaffen worden sei. Nun setzten sie sich für offene Grenzen ein, um den Absatz der wertvolleren Produkte ihrer Unternehmen zu erleichtern.
Der restliche Platz ist einer Skizze seines ethischen Handelssystems gewidmet. Nicht in der WTO, sondern in den Vereinten Nationen solle dieses rechtlich angesiedelt sein, damit nicht nur Konzerne ihr Recht einklagen könnten. Mit Hilfe von Zollerleichterungen sollten Menschen-, Arbeits- und Umweltrechte sowie der Austausch von Steuerdaten international etabliert werden. Nach dem Vorbild des britischen Ökonomen John Maynard Keynes sollte ein Ausgleichsmechanismus eingeführt werden, der die Risiken von Handelsungleichgewichten mildert.
Felbers Buch ist eine interessante Ideensammlung für einen faireren Welthandel. Viele der von ihm beschriebenen Widersprüche kritisieren auch liberale Ökonomen. Manchmal sitzt er zu sehr einem Freund-Feind-Schema auf; Interessen von Arbeitgebern werden permanent als Wortmeldungen von Lobbyisten abgekanzelt. Manche Vorschläge folgen einem Regulierungswahn, der die wirtschaftliche Freiheit unnötig einschränken würde. Doch wenn man sich vergegenwärtigt, welchen Einfluss Attac bereits bei zentralen wirtschaftspolitischen Themen ausübt (Steuertransparenz, Besteuerung von Finanztransaktionen), lohnt es sich auch für Freihandelsbefürworter, sich diesen Instrumentenkasten anzusehen. Denn irgendwann werden viele Vorschläge sicher auf die globale Agenda kommen. Die Kritik am Freihandel ist ein stabiles Gebäude, dessen Bauweise man sich bei Felber genau anschauen kann.
PHILIPP KROHN
Christian Felber: "Ethischer Wandel". Alternativen zu TTIP, WTO & Co.
Deuticke Verlag, Wien 2017. 224 S., br., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Ethischer Welthandel würde das Kapitalismus-Prinzip umkehren: Verantwortungsbewusstes, für die Gemeinschaft nützliches Handeln würde sich wirtschaftlich lohnen." Konstantin Wecker
"Eine klare Leseempfehlung für alle, die verstehen wollen, wie globaler Handel funktioniert und warum wir ethische Alternativen brauchen." FAZ Hochschulanzeiger, 18.10.18
"Die richtigen Fragen zur richtigen Zeit. ... Interessante Ansätze, denen man mehr als den studentischen Zuspruch wünscht, den die 'ermutigenden Beispiele' am Ende des Buches widerspiegeln. Herr Schulz, wäre das nichts für Sie?" taz zeozwei, 02/2017
"Mit fundierten Fakten beweist Felber, dass es Alternativen zu zügellosen Konzerndiktaten à la TTIP und CETA gibt." Mark Perry, Kronenzeitung, 12.03.17
"Er will weg vom ungezügelten Freihandel und unfairer Globalisierung, hin zu einem fairen Welthandel. Also: Nicht 'Österreich first', sondern: Ethik first. ... Felbers Buch ist gerade jetzt ein lesenswerter Beitrag zum Thema. Nicht, obwohl es jetzt Trump gibt, sondern gerade weil es der Milliardär an die Spitze der USA geschafft hat. Denn man kann 'Ethischer Welthandel' durchaus auch so lesen: Hätte sich Trump aufhalten lassen, wenn Politiker und Konzerne die Dinge rechtzeitig anders angegangen wären?" Thomas Fromm, Deutschlandfunk "Andruck", 27.03.17
"Christian Felbers Buch bietet eine konzise Darstellung, was den europäischen Kritikern an einem Abkommen dieses Zuschnitts missfällt. Und anders als bei oft halb informierten Aktivisten, die zum Widerstand gegen TTIP aufrufen, basiert Felbers Analyse der bestehenden Handelspolitik auf einem tiefen Verständnis der ökonomischen Freihandelslogik." Philipp Krohn, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.17
"Eine klare Leseempfehlung für alle, die verstehen wollen, wie globaler Handel funktioniert und warum wir ethische Alternativen brauchen." FAZ Hochschulanzeiger, 18.10.18
"Die richtigen Fragen zur richtigen Zeit. ... Interessante Ansätze, denen man mehr als den studentischen Zuspruch wünscht, den die 'ermutigenden Beispiele' am Ende des Buches widerspiegeln. Herr Schulz, wäre das nichts für Sie?" taz zeozwei, 02/2017
"Mit fundierten Fakten beweist Felber, dass es Alternativen zu zügellosen Konzerndiktaten à la TTIP und CETA gibt." Mark Perry, Kronenzeitung, 12.03.17
"Er will weg vom ungezügelten Freihandel und unfairer Globalisierung, hin zu einem fairen Welthandel. Also: Nicht 'Österreich first', sondern: Ethik first. ... Felbers Buch ist gerade jetzt ein lesenswerter Beitrag zum Thema. Nicht, obwohl es jetzt Trump gibt, sondern gerade weil es der Milliardär an die Spitze der USA geschafft hat. Denn man kann 'Ethischer Welthandel' durchaus auch so lesen: Hätte sich Trump aufhalten lassen, wenn Politiker und Konzerne die Dinge rechtzeitig anders angegangen wären?" Thomas Fromm, Deutschlandfunk "Andruck", 27.03.17
"Christian Felbers Buch bietet eine konzise Darstellung, was den europäischen Kritikern an einem Abkommen dieses Zuschnitts missfällt. Und anders als bei oft halb informierten Aktivisten, die zum Widerstand gegen TTIP aufrufen, basiert Felbers Analyse der bestehenden Handelspolitik auf einem tiefen Verständnis der ökonomischen Freihandelslogik." Philipp Krohn, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.04.17