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Warum gelingt es der EU nicht endlich, die skandalös hohe Arbeitslosigkeit in Europa zu senken? Was hätte die Bevölkerung in Salzburg, in Dresden oder in Essen davon, wenn es einen europäischen Außenminister gäbe? Müssen eines Tages österreichische oder deutsche Soldaten auf Befehl von Brüssel in den Krieg ziehen? Was passiert, wenn in 15 Jahren die islamische Türkei das einwohnerstärkste Land der EU sein wird? Genau 100 Fragen wie diese, Fragen also, die der europäischen Bevölkerung derzeit unter den Nägeln brennen, haben sich der renommierte ehemalige österreichische EU-Kommissar Dr. Franz…mehr

Produktbeschreibung
Warum gelingt es der EU nicht endlich, die skandalös hohe Arbeitslosigkeit in Europa zu senken? Was hätte die Bevölkerung in Salzburg, in Dresden oder in Essen davon, wenn es einen europäischen Außenminister gäbe? Müssen eines Tages österreichische oder deutsche Soldaten auf Befehl von Brüssel in den Krieg ziehen? Was passiert, wenn in 15 Jahren die islamische Türkei das einwohnerstärkste Land der EU sein wird? Genau 100 Fragen wie diese, Fragen also, die der europäischen Bevölkerung derzeit unter den Nägeln brennen, haben sich der renommierte ehemalige österreichische EU-Kommissar Dr. Franz Fischler und der Wiener Publizist Christian Ortner vorgenommen und beantworten sie ehrlich, ungeschminkt und realistisch. Ein Buch, um das kein politisch Interessierter im Jahr der österreichischen EU-Präsidentschaft 2006 herumkommen wird.
Autorenporträt
Franz Fischler studierte Landwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien. Von 1989 bis 1994 Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft. Von 1995 bis 2004 Agrarkommissar in der Europäischen Kommission. Seit 2012 Präsident des Europäischen Forum Alpbach.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2006

Schwierige Kletterpartie
Die Zukunft der EU aus österreichischer Perspektive

Wenn zwei Autoren aus der Alpenrepublik auf die Europäische Union schauen, liegt es nahe, daß ihnen ein Vergleich mit der Bergwelt einfällt. Franz Fischler und Christian Ortner fühlen sich an einen Kletterer erinnert, "der sich sehr unsicher fühlt und nicht so recht weiß, wie weiter, weder wie er vor- noch wie er zurückgehen könnte". Die Erfahrung mit dem Bergsport lehrt sie, in einer solchen Situation eine Strategie zu empfehlen, die Augenmaß und Mut kombiniert: Einerseits darf man den Fels erst loslassen, "wenn man schon einen neuen Griff sicher in der Hand hat"; andererseits muß man die Hand oder den Fuß auch nach vorne setzen, sonst bleibt man ewig an derselben Stelle hängen.

Für das "Zerlegen der europäischen Route in einzelne Klettergriffe", die zum Vorankommen benötigt werden, sind die Autoren unterschiedlich gerüstet. Fischler bringt aus der zehnjährigen Amtszeit als Brüsseler Landwirtschaftskommissar eine intime Kenntnis der Entscheidungsprozesse auf europäischer Ebene mit, Ortner ist als Wiener Journalist recht gut mit der nicht gerade europafreudigen Stimmung unter seinen österreichischen Landsleuten vertraut. Zusammen entwickeln sie in 100 Fragen und Antworten ein Kompendium aktueller Probleme der Europa-Politik, das treffende Problembeschreibungen mit realistischen Ratschlägen verbindet.

Zunächst rücken sie dem verbreiteten europapolitischen Populismus zu Leibe, der "Brüssel" den Schwarzen Peter für unangenehme Entscheidungen zuschiebt, die man selbst zu treffen hat, und mit der Illusion nationaler Abschottung erfolgreich hausieren geht. Dagegen empfehlen sie, den Bürgern der Union die Wahrheit zu sagen, und sie tun das selbst auch recht unverblümt - etwa, wenn sie darauf hinweisen, daß jeder Protektionismus unweigerlich zu massiven Wohlstandseinbußen führt. Die österreichische Erfahrung mit Jörg Haider stimmt sie zuversichtlich, daß sich die Enttarnung populistischer Kurzschlüsse durchaus auszahlen kann. Sodann raten Fischler und Ortner, sich angesichts der gegensätzlichen Erwartungen hinsichtlich der Finalität der Gemeinschaft in nächster Zeit auf Projekte zu konzentrieren, "mit denen auf jeden Fall Fortschritte erzielt werden können". Dazu zählen für sie eine bessere Verbindung von Innovation, Forschung, Entwicklung und Wirtschaft, aber auch stärkere Gemeinsamkeit bei der Verbrechensbekämpfung, die Entwicklung einer gemeinsamen Einwanderungspolitik und gemeinsame Konzepte gegen die Überalterung der europäischen Gesellschaft.

Besonders dringlich erscheint ihnen die Verständigung auf eine gemeinsame europäische Verteidigung, das heißt: auf eine europäische Streitmacht mit einheitlicher Befehlsgewalt und standardisierter Ausrüstung, die auch der Entwicklung der europäischen Rüstungsindustrie zugute kommt. Das zentrale Problem der europäischen Verteidigung, so argumentieren sie, sei der Mangel an Effektivität: Die EU-Staaten geben in der Summe nur unwesentlich weniger für die Verteidigung aus als die Vereinigten Staaten; durch die Multiplizierung mit 25 erhalten sie dafür aber weit weniger Sicherheit, Einfluß und ökonomischen return. Gegen die Alternative einer Senkung der Verteidigungsausgaben führen sie ins Feld, daß sich Washington militärische Hilfsdienste teuer bezahlen lassen würde.

Dem Einwand, daß für eine durchgreifende Europäisierung der Verteidigung in der gegenwärtigen EU auch keine Mehrheiten zu finden sind, würden die Autoren wohl mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit europäischer Leadership begegnen, die sie an anderer Stelle einfordern. Zu Recht weisen sie darauf hin, daß frühere europapolitische Erfolge, von den Römischen Verträgen bis zur Einführung des Euro, von vorausblickenden und langfristig agierenden Politikern gegen breite Koalitionen von Gegenkräften durchgesetzt worden sind. Der Diagnose, daß solche Führungspersönlichkeiten auch in Zukunft erforderlich sein werden, ist ebenso zuzustimmen wie der Empfehlung, daß künftige "Leader" - anders als noch Helmut Kohl und François Mitterrand - nicht mehr hinter verschlossenen Türen agieren sollten. Die EU hat unterdessen eine solche Regelungsdichte erreicht, daß ihre Bürger mitgenommen werden müssen, wenn Integrationsfortschritte auf Dauer akzeptiert werden sollen.

Merkwürdigerweise verläßt die Autoren der Mut, wenn es um die Stärkung des Demokratieprinzips in der Union geht. Beide schließen sich zwar der Forderung an, die Entscheidungsfindung im europäischen Ministerrat um der Transparenz und der Zuordnung von Verantwortlichkeiten willen öffentlich zu machen. Gegen die Weiterentwicklung des Rates zur Staatenkammer der Union machen sie aber geltend, daß den Bürgern eine verläßliche Repräsentation ihrer nationalen Interessen wichtiger wäre. Bei einem stärkeren Gewicht demokratischer Mehrheiten im Rat und im Parlament würden "die Interessen kleinerer Länder kaum ausreichend berücksichtigt werden". Hier wird man das Autorengespann daran erinnern müssen, daß zu den Qualitäten eines guten Bergführers gehört, eine Vorstellung vom Ziel der Expedition zu haben. Zu konstatieren, daß die Stärkung der EU ebenso ihren Preis hat wie die Beibehaltung des Status quo, genügt nicht. Wie man das Vorwärtskommen am besten organisiert, dazu kann sich der Leser der anregenden Streitschrift freilich auch seine eigenen Gedanken machen.

WILFRIED LOTH

Franz Fischler/Christian Ortner: Europa - Der Staat, den keiner will. Ecowin Verlag, Salzburg 2006. 220 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als fundiert und realistisch in den Ratschlägen beschreibt Rezensent Wilfried Loth die hundert Fragen und Antworten, in denen die Autoren die Probleme der Europapolitik besprechen. Als erste Grundregel würden sie den Politikern nahe legen, weniger populistisch zu agieren und der Bevölkerung die Wahrheit über die Globalisierung zuzumuten.. Dann, referiert der Rezensent, sollten sie sich auf realistische Projekte beschränken, wie zum Beispiel Forschungsförderung, eine gemeinsame Verbrechensbekämpfung und Einwanderungspolitik sowie Konzepte gegen die Überalterung. Ganz besonders am Herzen läge den Autoren eine europäische Verteidigungspolitik mit einer gut ausgerüsteten Armee. Hier würden sie den notorischen Bedenken mit dem Hinweis begegnen, Europa sei immer nur durch Führungspersönlichkeiten voran gebracht worden, und dies sei speziell in diesem Punkt wieder erforderlich. Nur bei der Frage nach der demokratischen Legitimierung der europäischen Instanzen sieht der Rezensent "merkwürdigerweise" einen gewissen Wankelmut vorherrschen. Hier trügen sie selbst Bedenken vor, die sie sonst so bravourös bekämpften.

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