Die politische, soziale und geistige Bewegung der Aufklärung ist ein europäisches Phänomen. Dementsprechend werden hier weniger die nationalen Eigenheiten als die gemeinsamen Grundstrukturen verfolgt. Resultat ist eine höchst differenzierte Darstellung, bei der das Zeitalter der Aufklärung unter sehr verschiedenartigen Aspekten dargestellt wird: als Jahrhundert des Bürgertums und der Weiblichkeit, der Geselligkeit und der Reformen. Der Band enthält einen Anhang mit historischen Quellen sowie zahlreiche Illustrationen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.2000Und das Fragezeichen
Am laufenden Band der Kritik: Barbara Stollberg-Rilinger memoriert die Aufklärung
Was ist über die Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts nicht schon alles gesagt, was nicht längst schon geschrieben worden! Tatsächlich hat die Erregung über die Erbschaft dieser Zeit niemals nachgelassen. Die Aufklärung war der Versuch einer systematisch vorbereiteten und tatkräftig umgesetzten Erneuerung der europäischen Gesellschaften und ihrer Wertvorstellungen. Sie gab einer ersten Modernisierungswelle die intellektuellen Impulse, und zugleich lieferte sie die ersten Stichworte der Kritik. Die Frage ist allerdings, ob sich die Zeit zwischen Glorious Revolution und Bastille-Erstürmung nach jahrzehntelanger, von weltweit verstreuten Spezialisten betriebener Forschung heute noch geschlossen präsentieren läßt. Muß nicht jede Gesamtdarstellung die Vielfalt der Aspekte verkürzen? Darf Leibniz fehlen, die Autorität wenigstens zweier Philosophengenerationen, oder Robert Boyle, der Mitbegründer der wissenschaftlichen Chemie, oder gar der düster funkelnde Marquis de Sade? Kann man Berkeley und Blake weglassen, Klinger und Klopstock, Mandeville und Maupertius, Platner und Piranesi?
Jawohl, man kann. Barbara Stollberg-Rilinger ist das Kunststück gelungen, auf rund zweihundertfünfzig Textseiten, die ein reichhaltiger Quellenteil ergänzt, eine prägnante "Überblicksdarstellung" der Epoche zu geben. Gewiß, der Text läßt Lücken, und mancher Experte mag sich wundern. Wer jedoch an Zusammenhängen interessiert ist und das Ganze in den Blick nehmen will, wird kaum etwas vermissen. Zwischen den Polen einer deskriptiven, eher historischen, und einer normativen, behutsam aktualisierenden Sicht der Epoche spannt sich das Panorama der Ereignisse und Ereignisketten, das stets differenziert bleibt und souverän das Niveau seiner Gegenstände hält. Insgesamt elf Kapitel, jedes auf der Grenze zwischen Kulturgeschichte und politischer Ideengeschichte, erschließen den Kosmos der Aufklärung, und die meisten tragen wohlweislich ein Fragezeichen im Titel. War die Aufklärung ein Jahrhundert des Bürgertums, der Toleranz, des Hungers, der Weiblichkeit, der Vernunft?
Nicht auf Originalität ist diese Übersicht aus, sondern auf Gründlichkeit, Zuverlässigkeit, Verständlichkeit. Das gelingt auf diesen vergleichsweise wenigen Seiten über weite Strecken so überzeugend, daß die Kritik sich kurz fassen darf: Prädikat "zuverlässig" und uneingeschränkt empfehlenswert.
RALF KONERSMANN
Barbara Stollberg-Rilinger: "Europa im Jahrhundert der Aufklärung". Verlag Philipp Reclam, Stuttgart 2000. 408 S., 23 Abb., br., 18,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Am laufenden Band der Kritik: Barbara Stollberg-Rilinger memoriert die Aufklärung
Was ist über die Aufklärung des achtzehnten Jahrhunderts nicht schon alles gesagt, was nicht längst schon geschrieben worden! Tatsächlich hat die Erregung über die Erbschaft dieser Zeit niemals nachgelassen. Die Aufklärung war der Versuch einer systematisch vorbereiteten und tatkräftig umgesetzten Erneuerung der europäischen Gesellschaften und ihrer Wertvorstellungen. Sie gab einer ersten Modernisierungswelle die intellektuellen Impulse, und zugleich lieferte sie die ersten Stichworte der Kritik. Die Frage ist allerdings, ob sich die Zeit zwischen Glorious Revolution und Bastille-Erstürmung nach jahrzehntelanger, von weltweit verstreuten Spezialisten betriebener Forschung heute noch geschlossen präsentieren läßt. Muß nicht jede Gesamtdarstellung die Vielfalt der Aspekte verkürzen? Darf Leibniz fehlen, die Autorität wenigstens zweier Philosophengenerationen, oder Robert Boyle, der Mitbegründer der wissenschaftlichen Chemie, oder gar der düster funkelnde Marquis de Sade? Kann man Berkeley und Blake weglassen, Klinger und Klopstock, Mandeville und Maupertius, Platner und Piranesi?
Jawohl, man kann. Barbara Stollberg-Rilinger ist das Kunststück gelungen, auf rund zweihundertfünfzig Textseiten, die ein reichhaltiger Quellenteil ergänzt, eine prägnante "Überblicksdarstellung" der Epoche zu geben. Gewiß, der Text läßt Lücken, und mancher Experte mag sich wundern. Wer jedoch an Zusammenhängen interessiert ist und das Ganze in den Blick nehmen will, wird kaum etwas vermissen. Zwischen den Polen einer deskriptiven, eher historischen, und einer normativen, behutsam aktualisierenden Sicht der Epoche spannt sich das Panorama der Ereignisse und Ereignisketten, das stets differenziert bleibt und souverän das Niveau seiner Gegenstände hält. Insgesamt elf Kapitel, jedes auf der Grenze zwischen Kulturgeschichte und politischer Ideengeschichte, erschließen den Kosmos der Aufklärung, und die meisten tragen wohlweislich ein Fragezeichen im Titel. War die Aufklärung ein Jahrhundert des Bürgertums, der Toleranz, des Hungers, der Weiblichkeit, der Vernunft?
Nicht auf Originalität ist diese Übersicht aus, sondern auf Gründlichkeit, Zuverlässigkeit, Verständlichkeit. Das gelingt auf diesen vergleichsweise wenigen Seiten über weite Strecken so überzeugend, daß die Kritik sich kurz fassen darf: Prädikat "zuverlässig" und uneingeschränkt empfehlenswert.
RALF KONERSMANN
Barbara Stollberg-Rilinger: "Europa im Jahrhundert der Aufklärung". Verlag Philipp Reclam, Stuttgart 2000. 408 S., 23 Abb., br., 18,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Barbara Stollberg-Rilinger ist das Kunststück gelungen, auf rund zweihundertfünfzig Textseiten, die ein reichhaltiger Quellenteil ergänzt, eine prägnante "Überblicksdarstellung" der Epoche zu geben. (...) Nicht auf Originalität ist diese Übersicht aus, sondern auf Gründlichkeit, Zuverlässigkeit, Verständlichkeit. Das gelingt auf diesen vergleichsweise wenigen Seiten über weite Strecken so überzeugend, dass die Kritik sich kurz fassen darf: Prädikat "zuverlässig" und uneingeschränkt empfehlenswert. Frankfurter Allgemeine Zeitung
Der Band besticht durch die knapp gehaltene, aber dennoch dichte und Überblick verschaffende Informationsfülle. Auch sind Forschungsergebnisse der jüngsten Zeit, so etwa die Geschlechterdebatte, gut vertreten. Neue Zürcher Zeitung
Gerade in ihrer Zugänglichkeit liegt die Stärke der Darstellung. Sie ist stilistisch flüssig präsentiert und leicht zu lesen. Wenn man bedenkt, wie viel Spezialforschung sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten gerade auf die Aufklärungsepoche richtete, bedeutet es nicht wenig, deren Diffizilitäten umsichtig aufgearbeitet und einfach lesbar präsentiert zu bekommen, dabei ohne jede Einseitigkeit. (...) Insgesamt liegt hier ein kundiger Führer ins 18. Jahrhundert vor, der noch bereichert ist durch gut gewählte Abbildungen, hundert Seiten umsichtig ausgewählter Quellen, eine sorgsam zusammengestellte Bibliographie und ein Register. Sehr empfehlenswert für Studierende, auch wegen des günstigen Preises! Zeitschrift für Historische Forschung
Der Band besticht durch die knapp gehaltene, aber dennoch dichte und Überblick verschaffende Informationsfülle. Auch sind Forschungsergebnisse der jüngsten Zeit, so etwa die Geschlechterdebatte, gut vertreten. Neue Zürcher Zeitung
Gerade in ihrer Zugänglichkeit liegt die Stärke der Darstellung. Sie ist stilistisch flüssig präsentiert und leicht zu lesen. Wenn man bedenkt, wie viel Spezialforschung sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten gerade auf die Aufklärungsepoche richtete, bedeutet es nicht wenig, deren Diffizilitäten umsichtig aufgearbeitet und einfach lesbar präsentiert zu bekommen, dabei ohne jede Einseitigkeit. (...) Insgesamt liegt hier ein kundiger Führer ins 18. Jahrhundert vor, der noch bereichert ist durch gut gewählte Abbildungen, hundert Seiten umsichtig ausgewählter Quellen, eine sorgsam zusammengestellte Bibliographie und ein Register. Sehr empfehlenswert für Studierende, auch wegen des günstigen Preises! Zeitschrift für Historische Forschung
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
"Ralf Konersmann beantwortet die Frage, ob sich die Aufklärung des 18. Jahrhunderts in ihrer ganzen Vielschichtigkeit überhaupt in einem einzigen Band zusammenfassen lässt, nach der Lektüre dieses Buches mit einem überzeugten Ja. Der Autorin sei es auf knappem Raum gelungen, einen "prägnanten" Überblick zu geben und die Zusammenhänge verständlich darzustellen, lobt der Rezensent. Und so spricht er eine uneingeschränkte Empfehlung für das Buch aus, das zuverlässig, gründlich und verständlich sei, und stets "das Niveau seiner Gegenstände" hielte.
© Perlentaucher Medien GmbH"
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