Raus aus der Dauerkrise. Wie Europa sich (und den Euro) retten kann
Joseph Stiglitz ist einer der schärfsten Kritiker jener Sparpolitik, die aus Sicht der deutschen Bundesregierung der einzige Weg aus der Eurokrise ist. Doch kein noch so hartes Spardiktat, so Stiglitz, kann die Geburtsfehler der Gemeinschaftswährung ausgleichen. Damit die gemeinsame Währung Europas Einheit nicht vollends zerstört, müssen die Mitgliedsstaaten der Eurozone vielmehr neue Wege beschreiten. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz zeigt, wie diese Wege aus der Krise aussehen könnten.
Schonungslos legt Joseph Stiglitz in seinem neuen Buch dar, warum die Austeritätspolitik Europas Einheit ebenso gefährdet wie das europäische Wirtschaftswachstum und warum die Europäische Zentralbank falsch liegt, wenn sie zur Krisenbewältigung vor allem auf Inflationsbekämpfung setzt. Statt diese fehlgeleitete Politik weiterhin als "alternativlos" darzustellen, zeigt Stiglitz, wie drei mögliche Wege aus derKrise aussehen könnten: erstens eine grundlegende Reform der Eurozone und der Auflagen, die den Krisenländern gemacht werden; zweitens eine geregelte Auflösung der Europäischen Union; oder drittens die Etablierung eines neuen europäischen Finanzsystems - des "flexiblen Euro". Mit seinem Buch bringt der Nobelpreisträger neue Argumente in eine Debatte, die viel zu lange um die ewig gleichen Fragen gekreist hat. Und er eröffnet einen Ausblick, wie die Eurokrise wirklich gelöst werden kann.
Joseph Stiglitz ist einer der schärfsten Kritiker jener Sparpolitik, die aus Sicht der deutschen Bundesregierung der einzige Weg aus der Eurokrise ist. Doch kein noch so hartes Spardiktat, so Stiglitz, kann die Geburtsfehler der Gemeinschaftswährung ausgleichen. Damit die gemeinsame Währung Europas Einheit nicht vollends zerstört, müssen die Mitgliedsstaaten der Eurozone vielmehr neue Wege beschreiten. Der Wirtschaftsnobelpreisträger Stiglitz zeigt, wie diese Wege aus der Krise aussehen könnten.
Schonungslos legt Joseph Stiglitz in seinem neuen Buch dar, warum die Austeritätspolitik Europas Einheit ebenso gefährdet wie das europäische Wirtschaftswachstum und warum die Europäische Zentralbank falsch liegt, wenn sie zur Krisenbewältigung vor allem auf Inflationsbekämpfung setzt. Statt diese fehlgeleitete Politik weiterhin als "alternativlos" darzustellen, zeigt Stiglitz, wie drei mögliche Wege aus derKrise aussehen könnten: erstens eine grundlegende Reform der Eurozone und der Auflagen, die den Krisenländern gemacht werden; zweitens eine geregelte Auflösung der Europäischen Union; oder drittens die Etablierung eines neuen europäischen Finanzsystems - des "flexiblen Euro". Mit seinem Buch bringt der Nobelpreisträger neue Argumente in eine Debatte, die viel zu lange um die ewig gleichen Fragen gekreist hat. Und er eröffnet einen Ausblick, wie die Eurokrise wirklich gelöst werden kann.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2016Der Euro ist überbewertet
Nobelpreisträger Joseph Stiglitz rechnet ab
Europa erlebt ein verlorenes Jahrzehnt. Die Volkswirtschaften des alten Kontinents stagnieren und verurteilen große Teile der jungen Bevölkerung zur Arbeitslosigkeit. Politischer Extremismus und Separatismus machen sich breit. Für diese Fehlentwicklungen gibt es einen simplen Grund: die Einführung einer gemeinsamen Währung. Oder genauer gesagt: Die Einführung des Euro, ohne gleichzeitig Institutionen und Instrumente der gegenseitigen Absicherung zu etablieren, wie eine Bankenunion, Eurobonds und eine europäische Arbeitslosenversicherung. Weil alles so schlimm läuft in den 19 Euroländern, ist eine Scheidung in freundschaftlichem Einvernehmen angezeigt. Denn die Europäische Union ist zu wichtig, um sie dem Euro zu opfern. Das ist die Quintessenz eines neuen Buches, das der Ökonom und Träger der Nobel-Gedächtnispreises für Volkswirtschaft, Joseph Stiglitz, jetzt vorgelegt hat.
Der Professor an der Columbia-Universität ist der große Linke unter den internationalen Superstars der Ökonomie. Seine Spezialität ist das Versagen von Märkten, er hat erfolgreiche und hochgelobte Bücher über Ungleichheit, Globalisierung und über die Finanzkrise geschrieben. Es sind passionierte Werke, die von einer Grundüberzeugung getragen sind: Wirtschaftlich mächtige Gruppen haben unangemessen großen Einfluss auf das Design der Weltwirtschaft. Sie nutzen diese Macht, um ihre neoliberale Agenda durchzusetzen, die vor allem ihnen selbst nützt.
Diese These spielt auch im aktuellen Buch eine zentrale Rolle, wenn hier die Verhältnisse auch etwas komplizierter sind. Stiglitz räumt ein, dass die Väter des Euros beste Intentionen hatten: Sie dachten, die gemeinsame Währung würde die Europäische Union reicher machen und den Zusammenhalt der Mitgliedsländer fördern. Der Euro war in diesem Sinne ein Projekt des Idealismus. Stiglitz scheint diese Erkenntnis im Verlauf des Buches immer mal wieder zu vergessen, wenn er finstere Mächte am Werk wähnt. Tatsächlich waren die von ihm wiederholt kritisierten Marktfundamentalisten eher Gegner des Euros bei seiner Einführung. Hier trifft man sich, wenn auch ungewollt. Das in Stiglitz' Augen schädliche neoliberale Denken kommt ins Spiel, wenn die Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Union und Europäischer Zentralbank Ländern wie Griechenland Austeritätsprogramme auferlegt, die diese schlicht überfordern.
Deutschland bekommt als mächtiger Spieler im Euroraum naturgemäß sein Fett weg im Buch. Das Land klagt Schuldnerländer wie Griechenland an, wenn diese unzumutbare und kontraproduktive Reformen nicht verwirklichen. Deutschland spielt aus der Sicht von Stiglitz eine schädliche Rolle in der Limitierung der Europäischen Zentralbank auf die Aufgabe der Inflationsbekämpfung. In den Vereinigten Staaten sei die wirtschaftliche Erholung unter anderem deutlich besser gelaufen wegen der Flexibilität der Fed und deren Mandat, maximale Beschäftigung zu ermöglichen. Deutschland ist nach Stiglitz' Analyse ferner schuldig, weil es von der schrumpfenden globalen Nachfrage überproportional große Teile in sein Land lenkt, was sich in den gewaltigen Handelsbilanzüberschüssen ausdrücke. Und schließlich möge das Land bitte nicht so tun, als ob der Euro für Deutschland ein Erfolg sei bei Wachstumsraten von unter einem Prozent seit der Einführung der Gemeinschaftswährung.
Man muss nicht Stiglitz' Überzeugungen teilen, besonders wenn er Länder wie Griechenland als reine Opfer stilisiert, um das Buch mit großem Gewinn zu lesen: unter anderem jene Passagen, in denen er die Bedingungen einer Scheidung im besten Einvernehmen diskutiert.
WINAND VON PETERSDORFF
Joseph E. Stiglitz: The Euro. How a common currency threatens the future of Europe. W.W. Norton & Company. 2016, 416 Seiten, 28,95 Dollar
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nobelpreisträger Joseph Stiglitz rechnet ab
Europa erlebt ein verlorenes Jahrzehnt. Die Volkswirtschaften des alten Kontinents stagnieren und verurteilen große Teile der jungen Bevölkerung zur Arbeitslosigkeit. Politischer Extremismus und Separatismus machen sich breit. Für diese Fehlentwicklungen gibt es einen simplen Grund: die Einführung einer gemeinsamen Währung. Oder genauer gesagt: Die Einführung des Euro, ohne gleichzeitig Institutionen und Instrumente der gegenseitigen Absicherung zu etablieren, wie eine Bankenunion, Eurobonds und eine europäische Arbeitslosenversicherung. Weil alles so schlimm läuft in den 19 Euroländern, ist eine Scheidung in freundschaftlichem Einvernehmen angezeigt. Denn die Europäische Union ist zu wichtig, um sie dem Euro zu opfern. Das ist die Quintessenz eines neuen Buches, das der Ökonom und Träger der Nobel-Gedächtnispreises für Volkswirtschaft, Joseph Stiglitz, jetzt vorgelegt hat.
Der Professor an der Columbia-Universität ist der große Linke unter den internationalen Superstars der Ökonomie. Seine Spezialität ist das Versagen von Märkten, er hat erfolgreiche und hochgelobte Bücher über Ungleichheit, Globalisierung und über die Finanzkrise geschrieben. Es sind passionierte Werke, die von einer Grundüberzeugung getragen sind: Wirtschaftlich mächtige Gruppen haben unangemessen großen Einfluss auf das Design der Weltwirtschaft. Sie nutzen diese Macht, um ihre neoliberale Agenda durchzusetzen, die vor allem ihnen selbst nützt.
Diese These spielt auch im aktuellen Buch eine zentrale Rolle, wenn hier die Verhältnisse auch etwas komplizierter sind. Stiglitz räumt ein, dass die Väter des Euros beste Intentionen hatten: Sie dachten, die gemeinsame Währung würde die Europäische Union reicher machen und den Zusammenhalt der Mitgliedsländer fördern. Der Euro war in diesem Sinne ein Projekt des Idealismus. Stiglitz scheint diese Erkenntnis im Verlauf des Buches immer mal wieder zu vergessen, wenn er finstere Mächte am Werk wähnt. Tatsächlich waren die von ihm wiederholt kritisierten Marktfundamentalisten eher Gegner des Euros bei seiner Einführung. Hier trifft man sich, wenn auch ungewollt. Das in Stiglitz' Augen schädliche neoliberale Denken kommt ins Spiel, wenn die Troika aus Internationalem Währungsfonds, Europäischer Union und Europäischer Zentralbank Ländern wie Griechenland Austeritätsprogramme auferlegt, die diese schlicht überfordern.
Deutschland bekommt als mächtiger Spieler im Euroraum naturgemäß sein Fett weg im Buch. Das Land klagt Schuldnerländer wie Griechenland an, wenn diese unzumutbare und kontraproduktive Reformen nicht verwirklichen. Deutschland spielt aus der Sicht von Stiglitz eine schädliche Rolle in der Limitierung der Europäischen Zentralbank auf die Aufgabe der Inflationsbekämpfung. In den Vereinigten Staaten sei die wirtschaftliche Erholung unter anderem deutlich besser gelaufen wegen der Flexibilität der Fed und deren Mandat, maximale Beschäftigung zu ermöglichen. Deutschland ist nach Stiglitz' Analyse ferner schuldig, weil es von der schrumpfenden globalen Nachfrage überproportional große Teile in sein Land lenkt, was sich in den gewaltigen Handelsbilanzüberschüssen ausdrücke. Und schließlich möge das Land bitte nicht so tun, als ob der Euro für Deutschland ein Erfolg sei bei Wachstumsraten von unter einem Prozent seit der Einführung der Gemeinschaftswährung.
Man muss nicht Stiglitz' Überzeugungen teilen, besonders wenn er Länder wie Griechenland als reine Opfer stilisiert, um das Buch mit großem Gewinn zu lesen: unter anderem jene Passagen, in denen er die Bedingungen einer Scheidung im besten Einvernehmen diskutiert.
WINAND VON PETERSDORFF
Joseph E. Stiglitz: The Euro. How a common currency threatens the future of Europe. W.W. Norton & Company. 2016, 416 Seiten, 28,95 Dollar
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