Die Geschichte von der Entführung Europas durch Zeus gehört zu den berühmtesten mythologischen Erzählungen der antiken Literatur. Sie ist in der Neuzeit stets als eines der zahlreichen Liebesabenteuer verstanden worden, mit denen Zeus seine Gattin Hera zu betrügen pflegte, und niemand ist bisher auf den Gedanken gekommen, dass sie in der Antike als ein Brautraub gegolten haben könnte, also um eine Entführung mit dem Ziel einer Eheschließung. Genau das jedoch wird in diesem Buch nachgewiesen. Nach zwei vorbereitenden Kapiteln wird die These mit der Bildsprache der archäologischen Denkmäler (Vasenbilder) und den fragmentarisch erhaltenen Texten der frühen griechischen Dichtung (Hesiod und Aischylos) begründet. Danach wird sie appliziert auf die hellenistische Dichtung (Moschos), auf die Europa-Ode des Horaz, auf Ovids Metamorphosen und auf das spätantike Epos Dionysiaka des Nonnos. Dabei erweist sich, dass die Deutung der Entführung Europas als Brautraub des Zeus, so wie sie für die antiken Autoren noch selbstverständlich war, eine unabdingbare Voraussetzung für das Verständnis ihrer Texte ist. Auch für die Europa-Ode des Horaz, für die sich bislang keine plausible Erklärung gefunden hat, bietet das Buch einen neuen schlüssigen Interpretationsansatz.
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