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In einer leidenschaftlichen Streitschrift wenden Gesine Schwan und Malisa Zobel sich gegen das Versagen Europas: Die praktizierte Flüchtlingspolitik ist eine Schande. Europa schottet sich ab. An seinen Grenzen stranden Flüchtende, wenige gelangen hinein, viele sterben auf dem Weg. Doch die Staaten schauen weg und weisen sich gegenseitig die Schuld zu. Angst vor Fremdenfeindlichkeit oder populistische Politik sind oft die Motive. Für einen Kontinent, der einst für Aufklärung und Menschrechte stand, ist das ein beschämender Zustand. Doch das muss nicht so sein. Es geht auch anders! Gesine Schwan…mehr

Produktbeschreibung
In einer leidenschaftlichen Streitschrift wenden Gesine Schwan und Malisa Zobel sich gegen das Versagen Europas: Die praktizierte Flüchtlingspolitik ist eine Schande. Europa schottet sich ab. An seinen Grenzen stranden Flüchtende, wenige gelangen hinein, viele sterben auf dem Weg. Doch die Staaten schauen weg und weisen sich gegenseitig die Schuld zu. Angst vor Fremdenfeindlichkeit oder populistische Politik sind oft die Motive. Für einen Kontinent, der einst für Aufklärung und Menschrechte stand, ist das ein beschämender Zustand.
Doch das muss nicht so sein. Es geht auch anders! Gesine Schwan und Malisa Zobel zeigen, was getan werden muss. Sie machen konkrete Vorschläge für eine Flüchtlingspolitik auf europäischer Ebene und unter Einbeziehung der Kommunen und widerlegen die gängigen Argumente und Ängste. Denn der Umgang mit Flüchtenden ist kein Randthema der EU, sondern zielt in ihr Herz: Hier zeigt sich, für welche Werte Europa steht.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Gesine Schwan mischt sich seit Jahrzehnten mit Herz und Verstand in die Politik ein. Sie ist Vorsitzende der Grundwertkommission der SPD und war Professorin für Politologie an der FU Berlin und Präsidentin der Europa-Universität in Frankfurt/Oder. Zweimal kandidierte sie für das Amt der Bundespräsidentin und ist heute Präsidentin und Mitgründerin der HUMBOLDT-VIADRINA Governance Platform GmbH.
Rezensionen
Welcher Flüchtling passt zu mir?

Die SPD-Politikerin Gesine Schwan prangert die Migrationspolitik der EU an. So weit, so bekannt.
Ihr Vorschlag, die Verteilung nach Algorithmen statt nach Quote vorzunehmen, klingt aber reizvoll

VON FRIEDERIKE BAUER

Einen menschlicheren Umgang mit Flüchtlingen fordert die Politikwissenschaftlerin und SPD-Politikerin Gesine Schwan in ihrem neuen Buch. Und liefert dazu auch konstruktive Vorschläge. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen bildet das Versagen der Europäischen Union, zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik zu kommen. Stattdessen lautet das Motto: Abschotten und Außengrenzen schließen. Wer doch kommt und um Asyl bittet, findet sich meist in einem der Aufnahmelager wieder und muss dort über Monate oder Jahre unter unhaltbaren Zuständen ausharren. Das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos, das vor etwa einem Jahr in Flammen aufging, wurde zum Symbol für das Scheitern der Flüchtlingspolitik eines Europas, das sich damit gegen die eigenen Werte stellt.

Das alles ist längst nicht nur von engagierten Nichtregierungsorganisationen oft beklagt und dokumentiert worden. Völlig zu Recht, aber dieserart Klage haftet auch immer eine Portion Resignation an. Umso erfreulicher ist es, dass Gesine Schwan es nicht dabei belässt. Sie unterbreitet zudem einen Vorschlag, der stark verkürzt dargestellt, auf eine Art Parship für Flüchtlinge hinausläuft: Ein Matching-System, digital unterstützt, zwischen aufnehmenden Kommunen und asylsuchenden Flüchtlingen, „das dazu dienen sollte, die Bedürfnisse der Kommunen mit denen der Flüchtlinge in Passung zu bringen“.

Heißt konkret, Asylsuchende würden nicht mehr zufällig und von oben auf Mitgliedstaaten und Gemeinden verteilt, sondern die beiden Gruppen fänden über Algorithmen zueinander. Denn sie sind es schließlich auch, die am Ende miteinander leben und auskommen (müssen). Kommunen hätten so den Vorteil, dass sie sich entweder aus humanitären oder wirtschaftlichen Gründen freiwillig zur Aufnahme von Flüchtlingen melden könnten. Die Asylsuchenden wiederum könnten ihre Präferenzen angeben – Stadt oder Land, Kindertagesstätte wichtig oder nicht, Arbeitsplätze in der eigenen Berufsgruppe vorhanden etc. – und landeten auf diese Weise nicht irgendwo, sondern an einem Ort, der möglichst ihren Bedürfnissen und Vorkenntnissen entspricht. Sie wären es am Ende auch, die idealerweise zwischen verschiedenen Angeboten wählen könnten.

Das bisherige Zwangssystem würde durch Anreize abgelöst. Es wäre, wie man auf Neudeutsch sagt, eine Win-Win-Situation. Zumal die Gemeinden weitere Vorteile davon hätten: Sie erhielten über einen noch zu gründenden „Europäischen Fonds für Integration und kommunale Entwicklung“ pro aufgenommenem Flüchtling weitere Mittel, die sie in das Fortkommen ihrer Kommunen investieren könnten, in Schulen, Schwimmbäder, Spielplätze, Sporteinrichtungen, bessere Straßen und so weiter. Mehr als 500 Kommunen in Europa hätten sich inzwischen bereit erklärt, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, schreibt Schwan. Mit den neuen finanziellen Anreizen und mit zunehmendem Bevölkerungsschwund würden sich bestimmt noch mehr finden.

Dass es auch bei dieser einfach klingenden Variante viele Herausforderungen zu meistern gilt, verschweigt Schwan nicht. Was geschieht zum Beispiel mit Flüchtlingen, die keinen Match erhalten oder aufgrund eines besonderen Schutzbedarfs nicht an einer solchen Aufnahmebörse teilnehmen können? Antwort: Diese müssen dann doch nach Quoten verteilt werden. Oder was wird aus den Lagern an der Südgrenze Europas? Antwort: Es braucht europäische Prüfzentren in allen Ländern. Solchen und anderen Fragen geht sie nicht aus dem Weg und liefert zum Teil sehr konkrete und nachvollziehbare Lösungen. Bis hin dazu, dass eine „Koalition von willigen Staaten die Sackgasse der gegenwärtigen Blockade in der Flüchtlingspolitik“ verlässt und – ohne die anderen – ein solches Matching-System einführt.

Fragwürdig wird Schwans Buch dort, wo sie anfängt zu moralisieren. Und davon gibt es leider eine ganze Menge Stellen – vor allem am Anfang und Ende. Dort ergeht sie sich in schier endlosen Vorhaltungen über die EU-Flüchtlingspolitik und die unzureichende Haltung der Nationalstaaten bis hin zur Bundesregierung. Sie spricht von „praktizierter Scheinheiligkeit“, von „zerstörerischem Selbstwiderspruch“ und von „bornierten, eben nicht wohlverstandenen langfristigen Interessen“. Und zuletzt widmet sie sich noch der europäischen Afrika-Politik, die den Eindruck erwecke, als habe diese nur ein Ziel: Flüchtlinge abzuschrecken und „Fluchtursachen zu bekämpfen“. Stattdessen wirbt Schwan für eine neue Afrika-Strategie, plädiert dafür, die Vielfalt und Chancen dieses Kontinents mehr zu sehen und zu würdigen – ganz so, als sei das den Entwicklungspolitikern bisher entgangen. Dass es dazu seit Jahren intensive Überlegungen und umfangreiche Programme in Berlin wie Brüssel gibt, dass mittlerweile auch das EU-Parlament einer neuen EU-Afrika-Partnerschaft zugestimmt hat, davon kein Wort.

Stark ist Schwans Streitschrift immer dann, wenn sie wenig streitet. Wenn sie nicht anprangert, mahnt und predigt, sondern vorschlägt, erläutert und erklärt: Das Parship-Modell ist auf jeden Fall zukunftsgewandt und weiterer Überlegungen wert.

Friederike Bauer ist freie Journalistin und schreibt vor allem über Außen- und Entwicklungspolitik.

Eine „Koalition der Willigen“
könnte ein Matching-System
auch gegen Widerstand einführen

Willkommen in Griechenland: Helfer im Lager Moria im Jahr 2018 versuchen, den Flüchtlingen ein wenig Freude in ihren tristen Alltag zu bringen.

Foto: Jakob Berr

Gesine Schwan:
Europa versagt.
Eine menschliche Flüchtlingspolitik ist möglich.
S. Fischer Verlage, Frankfurt 2021. 144 Seiten, 16 Euro.
E-Book: 14,99 Euro.

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Friederike Bauer findet den migrationspolitischen Vorschlag, den Gesine Schwan in ihrem neuen Buch erbringt, reizvoll. Die SPD-Politikerin kritisiert in "Europa versagt" nicht nur den Umgang mit Flüchtlingen, sondern stellt ein Konzept für eine menschlichere Migrationspolitik vor, das dem Parship-Prinzip ähnelt, wodurch sowohl Kommunen, die sich bereit erklären Flüchtlinge aufzunehmen, als auch die Geflohenen letzten Endes profitieren könnten, erklärt Bauer. Schwan geht auch unangenehmeren Fragen in dieser Schrift nicht aus dem Weg und liefert der Rezensentin zufolge präzise und nachvollziehbare Lösungsansätze. An manchen Stellen missfällt ihr zwar der moralisierende Ton der Politikerin, dennoch findet Bauer das vorgestellte Modell zukunftsgewandt, da kann sie auch über Schwans Anprangern, Mahnen und Predigen hinwegsehen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.09.2021

Welcher Flüchtling passt zu mir?
Die SPD-Politikerin Gesine Schwan prangert die Migrationspolitik der EU an. So weit, so bekannt.
Ihr Vorschlag, die Verteilung nach Algorithmen statt nach Quote vorzunehmen, klingt aber reizvoll
VON FRIEDERIKE BAUER
Einen menschlicheren Umgang mit Flüchtlingen fordert die Politikwissenschaftlerin und SPD-Politikerin Gesine Schwan in ihrem neuen Buch. Und liefert dazu auch konstruktive Vorschläge. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen bildet das Versagen der Europäischen Union, zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik zu kommen. Stattdessen lautet das Motto: Abschotten und Außengrenzen schließen. Wer doch kommt und um Asyl bittet, findet sich meist in einem der Aufnahmelager wieder und muss dort über Monate oder Jahre unter unhaltbaren Zuständen ausharren. Das Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos, das vor etwa einem Jahr in Flammen aufging, wurde zum Symbol für das Scheitern der Flüchtlingspolitik eines Europas, das sich damit gegen die eigenen Werte stellt.
Das alles ist längst nicht nur von engagierten Nichtregierungsorganisationen oft beklagt und dokumentiert worden. Völlig zu Recht, aber dieserart Klage haftet auch immer eine Portion Resignation an. Umso erfreulicher ist es, dass Gesine Schwan es nicht dabei belässt. Sie unterbreitet zudem einen Vorschlag, der stark verkürzt dargestellt, auf eine Art Parship für Flüchtlinge hinausläuft: Ein Matching-System, digital unterstützt, zwischen aufnehmenden Kommunen und asylsuchenden Flüchtlingen, „das dazu dienen sollte, die Bedürfnisse der Kommunen mit denen der Flüchtlinge in Passung zu bringen“.
Heißt konkret, Asylsuchende würden nicht mehr zufällig und von oben auf Mitgliedstaaten und Gemeinden verteilt, sondern die beiden Gruppen fänden über Algorithmen zueinander. Denn sie sind es schließlich auch, die am Ende miteinander leben und auskommen (müssen). Kommunen hätten so den Vorteil, dass sie sich entweder aus humanitären oder wirtschaftlichen Gründen freiwillig zur Aufnahme von Flüchtlingen melden könnten. Die Asylsuchenden wiederum könnten ihre Präferenzen angeben – Stadt oder Land, Kindertagesstätte wichtig oder nicht, Arbeitsplätze in der eigenen Berufsgruppe vorhanden etc. – und landeten auf diese Weise nicht irgendwo, sondern an einem Ort, der möglichst ihren Bedürfnissen und Vorkenntnissen entspricht. Sie wären es am Ende auch, die idealerweise zwischen verschiedenen Angeboten wählen könnten.
Das bisherige Zwangssystem würde durch Anreize abgelöst. Es wäre, wie man auf Neudeutsch sagt, eine Win-Win-Situation. Zumal die Gemeinden weitere Vorteile davon hätten: Sie erhielten über einen noch zu gründenden „Europäischen Fonds für Integration und kommunale Entwicklung“ pro aufgenommenem Flüchtling weitere Mittel, die sie in das Fortkommen ihrer Kommunen investieren könnten, in Schulen, Schwimmbäder, Spielplätze, Sporteinrichtungen, bessere Straßen und so weiter. Mehr als 500 Kommunen in Europa hätten sich inzwischen bereit erklärt, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, schreibt Schwan. Mit den neuen finanziellen Anreizen und mit zunehmendem Bevölkerungsschwund würden sich bestimmt noch mehr finden.
Dass es auch bei dieser einfach klingenden Variante viele Herausforderungen zu meistern gilt, verschweigt Schwan nicht. Was geschieht zum Beispiel mit Flüchtlingen, die keinen Match erhalten oder aufgrund eines besonderen Schutzbedarfs nicht an einer solchen Aufnahmebörse teilnehmen können? Antwort: Diese müssen dann doch nach Quoten verteilt werden. Oder was wird aus den Lagern an der Südgrenze Europas? Antwort: Es braucht europäische Prüfzentren in allen Ländern. Solchen und anderen Fragen geht sie nicht aus dem Weg und liefert zum Teil sehr konkrete und nachvollziehbare Lösungen. Bis hin dazu, dass eine „Koalition von willigen Staaten die Sackgasse der gegenwärtigen Blockade in der Flüchtlingspolitik“ verlässt und – ohne die anderen – ein solches Matching-System einführt.
Fragwürdig wird Schwans Buch dort, wo sie anfängt zu moralisieren. Und davon gibt es leider eine ganze Menge Stellen – vor allem am Anfang und Ende. Dort ergeht sie sich in schier endlosen Vorhaltungen über die EU-Flüchtlingspolitik und die unzureichende Haltung der Nationalstaaten bis hin zur Bundesregierung. Sie spricht von „praktizierter Scheinheiligkeit“, von „zerstörerischem Selbstwiderspruch“ und von „bornierten, eben nicht wohlverstandenen langfristigen Interessen“. Und zuletzt widmet sie sich noch der europäischen Afrika-Politik, die den Eindruck erwecke, als habe diese nur ein Ziel: Flüchtlinge abzuschrecken und „Fluchtursachen zu bekämpfen“. Stattdessen wirbt Schwan für eine neue Afrika-Strategie, plädiert dafür, die Vielfalt und Chancen dieses Kontinents mehr zu sehen und zu würdigen – ganz so, als sei das den Entwicklungspolitikern bisher entgangen. Dass es dazu seit Jahren intensive Überlegungen und umfangreiche Programme in Berlin wie Brüssel gibt, dass mittlerweile auch das EU-Parlament einer neuen EU-Afrika-Partnerschaft zugestimmt hat, davon kein Wort.
Stark ist Schwans Streitschrift immer dann, wenn sie wenig streitet. Wenn sie nicht anprangert, mahnt und predigt, sondern vorschlägt, erläutert und erklärt: Das Parship-Modell ist auf jeden Fall zukunftsgewandt und weiterer Überlegungen wert.
Friederike Bauer ist freie Journalistin und schreibt vor allem über Außen- und Entwicklungspolitik.
Eine „Koalition der Willigen“
könnte ein Matching-System
auch gegen Widerstand einführen
Willkommen in Griechenland: Helfer im Lager Moria im Jahr 2018 versuchen, den Flüchtlingen ein wenig Freude in ihren tristen Alltag zu bringen.
Foto: Jakob Berr
Gesine Schwan:
Europa versagt.
Eine menschliche Flüchtlingspolitik ist möglich.
S. Fischer Verlage, Frankfurt 2021. 144 Seiten, 16 Euro.
E-Book: 14,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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ein erhellendes Sachbuch Rheinische Post 20211126