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Befinden wir uns auf dem Weg zu einer europäischen Gesellschaft, in der nationalstaatliche Verfasstheit, gemeinsame Traditionen und gleichartige Prägungen durch die Herausforderungen der Globalisierung produktiv zusammenwirken? Eine interdisziplinäre Forschergruppe geht dieser Frage systematisch nach. Dabei werden Chancen für das Gelingen einer europäischen Zivilisation ebenso aufgezeigt wie die Gefahr, dass die Europäer in der Spannung zwischen Globalisierung und Individualisierung ihre Gestaltungsfähigkeit verlieren.

Produktbeschreibung
Befinden wir uns auf dem Weg zu einer europäischen Gesellschaft, in der nationalstaatliche Verfasstheit, gemeinsame Traditionen und gleichartige Prägungen durch die Herausforderungen der Globalisierung produktiv zusammenwirken? Eine interdisziplinäre Forschergruppe geht dieser Frage systematisch nach. Dabei werden Chancen für das Gelingen einer europäischen Zivilisation ebenso aufgezeigt wie die Gefahr, dass die Europäer in der Spannung zwischen Globalisierung und Individualisierung ihre Gestaltungsfähigkeit verlieren.
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Autorenporträt
Dr. Wilfried Loth ist Professor für Neuere Geschichte an der Universität Duisburg-Essen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.02.2006

Politisches Meinungsklima
Identitätsbildende Momente in europäischen Gesellschaften

Publikationen über Fragen nach der europäischen Identität und mögliche Angleichungsprozesse in den Mitgliedstaaten zur Herausbildung einer europäischen Gesellschaft haben Konjunktur. Im vorliegenden Band geht eine interdisziplinäre Forschungsgruppe den Fragen nach. Eine Erfolgsprognose für eine europäische Gesellschaft wagen die Autoren zu Recht nicht abzugeben. Eher vage hält der Herausgeber als Ergebnis fest, daß eine solche "durchaus eine Chance" hat, "auch wenn alles andere als sicher ist, ob sie denn genutzt werden wird".

Im ersten Teil werden die möglichen Grundlagen einer europäischen Zivilisation vor allem über den Themenkomplex der Menschenrechte skizziert. Sie schließen aus, daß der menschenrechtliche Universalismus aufgrund seiner abstrakten Normen und der Offenheit inhaltlicher Ausgestaltung die notwendige soziale Integrationskraft in der Union entwickeln kann. Diese Integrationskraft kann nur ein "dichteres und spezifischeres Netz von Normen und Zuschreibungen erzeugen", welches Ansprüche, Rechte und Zuschreibungen beinhaltet, mit denen sich wiederum implizite wie explizite Wertvorstellungen verbinden. Im europäischen Fall sind dies die Begriffe Individualität, Aufklärung, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und eben und vor allem Menschenrechte im europäischen Sinne egalitärer Individualrechte, die Schutzfunktionen gegenüber physischen und psychischen Verletzungen sowie politischen und sozialen Ungerechtigkeiten erfüllen sollen. Letztere wurden in Form einer europäischen Selbstkritik gegenüber sozialen Phänomenen und politischen Entwicklungen auf dem Alten Kontinent formuliert und haben somit in der Tat einen genuin europäischen Ursprung. Die Frage bleibt aber, ob es sich dabei nicht vielmehr um Strukturprinzipien einer "europäischen Gesellschaft" handelt, die eher das Bekenntnis zu einem bestimmten Wertesystem ausdrücken als eine gefühlsmäßige Zugehörigkeit im Sinne einer gemeinsamen Identität.

Entsprechend lautet eine der Schlußfolgerungen aus den Beiträgen im zweiten Teil zu den Europäisierungsprozessen in europäischen Gesellschaften, daß das Ausmaß der sozioökonomischen Ungleichheiten zwischen den Gesellschaftsmitgliedern zu groß und die Strukturen einer politischen Öffentlichkeit zu schwach ausgeprägt seien, als daß sich die europäische Gesellschaft herausbilden könne. Neben Versuchen einer gezielten Einwirkung auf die Gesellschaften der Mitgliedstaaten zur Erhöhung ihrer Demokratiefähigkeit böte sich besonders an, die demokratischen Einflußmöglichkeiten der Bürger auf die europäische Politik dort zu erhöhen, wo verhältnismäßig günstige gesellschaftliche Bedingungen dafür bestehen: nämlich in den Mitgliedstaaten.

Tatsächlich hängt die Ausbildung einer europäischen Identität beziehungsweise Gesellschaft maßgeblich von der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit ab. Nur eine solche bewirkt die Wahrnehmung tatsächlich vorhandener oder aber auch konstruierter Gemeinsamkeiten der EU-Bürger. Mit dem Interesse an und der Kenntnis über die Grundlagen der EU wächst das Bewußtsein der Relevanz der auf europäischer Ebene getroffenen Entscheidungen beim einzelnen Bürger.

Daß die Entwicklung dieses Bewußtseins in hohem Maße von der politischen Führung abhängt, zeigen auch die Beiträge im letzten Teil des Bandes. Ungeachtet dessen dürfte die weitere Europäisierung der Gesellschaft auf absehbare Zeit die nationalstaatliche Identität wohl kaum verdrängen. Statt dessen bildet sich mehrheitlich eine mehrschichtige Identität heraus, die europäische, nationale wie regionale Merkmale in sich vereint - durchaus mit der Tendenz zu einer zunehmenden Transnationalisierung beziehungsweise Europäisierung der Lebensstile. Nicht zu gewagt ist da die Prognose, daß Gemeinsamkeiten der Europäer mit der Ausweitung der Gemeinschaftsaufgaben und der Demokratisierung europäischer Politik stärker hervortreten werden.

STEFAN FRÖHLICH

Wilfried Loth (Herausgeber): Europäische Gesellschaft. Grundlagen und Perspektiven. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005. 266 S., 34,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Publikationen zum Thema europäische Identität haben derzeit Konjunktur, stellt Rezensent Stefan Fröhlich fest. Die Frage nach der Möglichkeit einer europäischen Gesellschaft sieht er auch im Mittelpunkt des vorliegenden Bandes. Zustimmen kann er dem vorsichtigen Resümee des Herausgebers, wonach es durchaus eine Chance für eine europäische Gesellschaft gebe, allerdings fraglich sei, ob sie auch genutzt werden wird. Der Band befasse sich zunächst mit den möglichen Grundlagen einer europäischen Zivilisation, um dann auf die Europäisierungsprozesse in den einzlenen Ländern einzugehen. Fröhlich hält als Schlussfolgerung der Beiträge dieses zweiten Teils fest, dass das Ausmaß der sozioökonomischen Ungleichheiten zwischen den Gesellschaftsmitgliedern zu groß und die Strukturen einer politischen Öffentlichkeit zu schwach ausgeprägt seien, als dass sich die europäische Gesellschaft herausbilden könne. Die Ausbildung einer europäischen Gesellschaft hängt nach Ansicht Fröhlichs maßgeblich von der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit ab. Die Beiträge im letzten Teil des Bandes verdeutlichen seines Erachtens, dass die Entwicklung dieses Bewusstseins in hohem Maße von der politischen Führung abhängt.

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