Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.08.1999In Erhards Geist
Beiträge von Wilfried Guth
Wilfried Guth: Europäische Integration und Soziale Marktwirtschaft. Piper Verlag, München 1999, 117 Seiten, broschiert, 9,90 DM.
In dem von Manfred Pohl herausgegebenen Taschenbuch sind Reden und Beiträge des langjährigen Vorstandssprechers und Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank aus den Jahren 1992 bis 1997 gesammelt, die unverändert aktuell sind. Hier schreibt ein Zeitzeuge, ein Neffe Ludwig Erhards, der die großen ordnungspolitischen Denker der Nachkriegszeit wie Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow oder Erich Preiser als Student gehört und auf seinem Berufsweg die Anfänge der Sozialen Marktwirtschaft und der europäischen Integration miterlebt hat. Guth vertritt eine ordoliberale Grundlinie. Er erinnert zu Recht daran, dass es den Vätern der Sozialen Marktwirtschaft um mehr gegangen sei als um ein mechanistisches Wirtschaftsmodell, nämlich um die wirtschaftlichen und ethischen Grundlagen einer freien und offenen Gesellschaft. Er legt zugleich dar, dass sich die Wirtschaftspolitik inzwischen weit von diesem Leitbild entfernt hat. Dies und die Wohlstandsverwöhnung sowie die mangelnde Zukunftsorientierung belasteten Deutschland zu einer Zeit, in der der Wandel alle Kraft erfordere. Deutschland müsse die Soziale Marktwirtschaft im alten erhardschen Sinn auf die heutigen Bedingungen der Weltwirtschaft ausrichten, schreibt Guth. Als Europäer und Atlantiker setzt sich Guth verdienstvollerweise noch einmal mit den Ansichten Erhards auseinander, der am Anfang gegenüber der europäischen Integration skeptisch gewesen ist und erst später zu einer bedingten Bejahung eines großen Europa gefunden hat. Guth, der selbst eine bedingte Europa-Zuversicht vertritt, plädiert für kritische Wachsamkeit und konstruktive Zweifel in Sachen Integration und verweist auf die ordnungspolitischen Schwachstellen des europäischen Experiments. Den Autor bewegt vor allem, dass es keine großen Persönlichkeiten mehr gibt, die die geistigen und sittlichen Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft verkörpern.
JÜRGEN JESKE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Beiträge von Wilfried Guth
Wilfried Guth: Europäische Integration und Soziale Marktwirtschaft. Piper Verlag, München 1999, 117 Seiten, broschiert, 9,90 DM.
In dem von Manfred Pohl herausgegebenen Taschenbuch sind Reden und Beiträge des langjährigen Vorstandssprechers und Aufsichtsratsvorsitzenden der Deutschen Bank aus den Jahren 1992 bis 1997 gesammelt, die unverändert aktuell sind. Hier schreibt ein Zeitzeuge, ein Neffe Ludwig Erhards, der die großen ordnungspolitischen Denker der Nachkriegszeit wie Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow oder Erich Preiser als Student gehört und auf seinem Berufsweg die Anfänge der Sozialen Marktwirtschaft und der europäischen Integration miterlebt hat. Guth vertritt eine ordoliberale Grundlinie. Er erinnert zu Recht daran, dass es den Vätern der Sozialen Marktwirtschaft um mehr gegangen sei als um ein mechanistisches Wirtschaftsmodell, nämlich um die wirtschaftlichen und ethischen Grundlagen einer freien und offenen Gesellschaft. Er legt zugleich dar, dass sich die Wirtschaftspolitik inzwischen weit von diesem Leitbild entfernt hat. Dies und die Wohlstandsverwöhnung sowie die mangelnde Zukunftsorientierung belasteten Deutschland zu einer Zeit, in der der Wandel alle Kraft erfordere. Deutschland müsse die Soziale Marktwirtschaft im alten erhardschen Sinn auf die heutigen Bedingungen der Weltwirtschaft ausrichten, schreibt Guth. Als Europäer und Atlantiker setzt sich Guth verdienstvollerweise noch einmal mit den Ansichten Erhards auseinander, der am Anfang gegenüber der europäischen Integration skeptisch gewesen ist und erst später zu einer bedingten Bejahung eines großen Europa gefunden hat. Guth, der selbst eine bedingte Europa-Zuversicht vertritt, plädiert für kritische Wachsamkeit und konstruktive Zweifel in Sachen Integration und verweist auf die ordnungspolitischen Schwachstellen des europäischen Experiments. Den Autor bewegt vor allem, dass es keine großen Persönlichkeiten mehr gibt, die die geistigen und sittlichen Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft verkörpern.
JÜRGEN JESKE
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