Ein opulentes Buch über den Glanz der Kaffeehäuser: Das Caffe Florian in Venedig, wo Jean-Jacques Rousseau regelmäßig zu Gast war, das Cafe Odeon in Zürich, in dem James Joyce und Thomas Mann verkehrten, das Cafe Hawelka in Wien, das Cafe Slavia in Prag, das Caffe Greco in Rom oder das Romanische Cafe in Berlin - Klaus Thiele-Dohrmann läßt sie wieder lebendig werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.06.1997Wartesaal mit Genius
Klaus Thiele-Dohrmann begleitet in alte Kaffeehäuser
Um eine Bildungsreise zu komplettieren, empfiehlt sich der Besuch berühmter Künstlercafés. In einem solchen legendensatten Etablissement - sei es das "Florian" in Venedig, das "Greco" in Rom, das "New York" in Budapest oder das "Flore" in Paris - kann man dann zwischen seinesgleichen der Zeiten gedenken, als um die Marmortische Maler und Poeten, Schauspieler, Journalisten und Fotografen diskutierten und ein ganz gewöhnlicher Mensch die Chance hatte, Picasso oder Jean-Paul Sartre leibhaftig am Nebentisch zu beobachten.
Diese europäische Kaffeehauskultur gibt es nicht mehr. Zumindest nicht in der Form, die sich im achtzehnten Jahrhundert herausgebildet hatte und deren Höhepunkt zwischen den Weltkriegen lag, als Kaffeehäuser Treffpunkt und Ideenschmiede waren, wo verständnisvolle Kellner ihren Stammkunden zu endlosen Palavern eine einzige Tasse Kaffee servierten und ständig das Wasserglas nachfüllten. Tabakqualm und ein üppiges Angebot an Zeitungen gehörten dazu. Das 1860 gegründete Café Central in Wien soll, als Stefan Zweig dort verkehrte, 250 Blätter ausgelegt haben.
Es war im wesentlichen eine Männerwelt, auch wenn Frauen nicht ausdrücklich ausgeschlossen waren. Es gab sogar eigene Salons für sie, in denen Rauchverbot herrschte, aber sie blieben meist leer. Um 1900 kam dann hie und da ein Malweib im Reformkleid. Else Lasker-Schüler saß damals mit ihrem Ehemann Herwarth Walden im Berliner Café des Westens. Erst zwischen den Kriegen mehrten sich selbstbewußte Emanzipierte, Journalistinnen, aber auch Hausfrauen, die sich allein in ein Kaffeehaus wagten. Otto Dix malte Sylvia van Harden, Christian Schad porträtierte die Berlinerin "Lotte" - Personifikationen der modernen Zeit.
Klaus Thiele-Dohrmann führt uns in seinem Buch nach Venedig, Zürich, Wien, Budapest, Berlin, Prag, Rom, Paris und London. Er erzählt von den illustren Kaffeehausgästen, die dort hofhielten, und amüsiert mit Anekdoten wie jener, daß Ferdinand Sauerbruch im Café Odeon in Zürich seinen geliebten Champagner der Marke Veuve Cliquot stillschweigend in einer Kaffeekanne camoufliert serviert bekam.
Das Hauptinteresse des Autors gilt weniger der Institution Kaffeehaus als seinen Gästen und jener unwiederbringlichen Atmosphäre, die der ungarische Cineast Géza von Cziffra, Stammgast im Romanischen Café in Berlin, mit "Wartesaal des Genius" umschrieb. Daneben erfahren wir noch diese und jene Einzelheit über die immer aufwendigeren, manchmal von tüchtigen Künstlern stammenden Ausstattungen der zu Palästen mutierten Lokale. Auch der eine oder andere besonders beliebte Kellner wird skizziert.
Ein Register hilft, Namen und Orte jederzeit schnell aufzufinden. Diese Kaffeehaustopographie ist ein liebenswürdiger Reisebegleiter, der unser Wissen von den legendären Künstlertreffs früherer Zeiten aufpoliert, ohne es sonderlich zu vertiefen. SIGRID METKEN
Klaus Thiele-Dohrmann: "Europäische Kaffeehauskultur". Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf, Zürich 1997. 264 Seiten, Abb., geb., 46,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Klaus Thiele-Dohrmann begleitet in alte Kaffeehäuser
Um eine Bildungsreise zu komplettieren, empfiehlt sich der Besuch berühmter Künstlercafés. In einem solchen legendensatten Etablissement - sei es das "Florian" in Venedig, das "Greco" in Rom, das "New York" in Budapest oder das "Flore" in Paris - kann man dann zwischen seinesgleichen der Zeiten gedenken, als um die Marmortische Maler und Poeten, Schauspieler, Journalisten und Fotografen diskutierten und ein ganz gewöhnlicher Mensch die Chance hatte, Picasso oder Jean-Paul Sartre leibhaftig am Nebentisch zu beobachten.
Diese europäische Kaffeehauskultur gibt es nicht mehr. Zumindest nicht in der Form, die sich im achtzehnten Jahrhundert herausgebildet hatte und deren Höhepunkt zwischen den Weltkriegen lag, als Kaffeehäuser Treffpunkt und Ideenschmiede waren, wo verständnisvolle Kellner ihren Stammkunden zu endlosen Palavern eine einzige Tasse Kaffee servierten und ständig das Wasserglas nachfüllten. Tabakqualm und ein üppiges Angebot an Zeitungen gehörten dazu. Das 1860 gegründete Café Central in Wien soll, als Stefan Zweig dort verkehrte, 250 Blätter ausgelegt haben.
Es war im wesentlichen eine Männerwelt, auch wenn Frauen nicht ausdrücklich ausgeschlossen waren. Es gab sogar eigene Salons für sie, in denen Rauchverbot herrschte, aber sie blieben meist leer. Um 1900 kam dann hie und da ein Malweib im Reformkleid. Else Lasker-Schüler saß damals mit ihrem Ehemann Herwarth Walden im Berliner Café des Westens. Erst zwischen den Kriegen mehrten sich selbstbewußte Emanzipierte, Journalistinnen, aber auch Hausfrauen, die sich allein in ein Kaffeehaus wagten. Otto Dix malte Sylvia van Harden, Christian Schad porträtierte die Berlinerin "Lotte" - Personifikationen der modernen Zeit.
Klaus Thiele-Dohrmann führt uns in seinem Buch nach Venedig, Zürich, Wien, Budapest, Berlin, Prag, Rom, Paris und London. Er erzählt von den illustren Kaffeehausgästen, die dort hofhielten, und amüsiert mit Anekdoten wie jener, daß Ferdinand Sauerbruch im Café Odeon in Zürich seinen geliebten Champagner der Marke Veuve Cliquot stillschweigend in einer Kaffeekanne camoufliert serviert bekam.
Das Hauptinteresse des Autors gilt weniger der Institution Kaffeehaus als seinen Gästen und jener unwiederbringlichen Atmosphäre, die der ungarische Cineast Géza von Cziffra, Stammgast im Romanischen Café in Berlin, mit "Wartesaal des Genius" umschrieb. Daneben erfahren wir noch diese und jene Einzelheit über die immer aufwendigeren, manchmal von tüchtigen Künstlern stammenden Ausstattungen der zu Palästen mutierten Lokale. Auch der eine oder andere besonders beliebte Kellner wird skizziert.
Ein Register hilft, Namen und Orte jederzeit schnell aufzufinden. Diese Kaffeehaustopographie ist ein liebenswürdiger Reisebegleiter, der unser Wissen von den legendären Künstlertreffs früherer Zeiten aufpoliert, ohne es sonderlich zu vertiefen. SIGRID METKEN
Klaus Thiele-Dohrmann: "Europäische Kaffeehauskultur". Artemis & Winkler Verlag, Düsseldorf, Zürich 1997. 264 Seiten, Abb., geb., 46,- DM.
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